Letzten Mittwoch veröffentlichte
der BUND seinen Gewässerreport 2018. 92 Prozent aller Flüsse und Seen in
Deutschland sind in einem beklagenswerten Zustand, kommen die Autoren zum
Ergebnis. Das überrascht, zumal es doch eine EU-Richtlinie gibt, die die Mitgliedsstaaten
verpflichtet, bis 2015 alle Gewässer in einen guten Zustand zu bringen. Ach
nein, die wurde ja bis 2027 verlängert. Irgendetwas kommt mir da bekannt vor.
Was mag es wohl sein? Ach ja, da gibt es ja auch so ein Zwei-Grad-Klima-Ziel
und eine Fristverlängerung unserer Bundesregierung. Wer da Parallelen sieht,
ist nicht der sprichwörtliche Schelm, der Böses dabei denkt, sondern vermutlich
schlichtweg jemand, der eine realistische Sicht auf unsere Zukunft hat.
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Panorama Wölfersheimer See, Common Licence, Nils E. |
Ich
sehe die Headline in der Zeitung bereits vor mir: „92 % des Klimaziels sind
nicht erreicht. Es wird Zeit, dass die Politik sich bewegt.“ Wie schön, wenn
man da in einem der Acht-Prozent-Gebiete der Bundesrepublik lebt, in denen es
nicht in den Sommern zu heiß, in den Wintern zu mild oder, wenn es stürmt, zu
stürmisch und, wenn es regnet, überschwemmt ist – von den ganzen verheerenden
Konsequenzen für die Artenvielfalt, die Besiedlung, den Landbau und so weiter
abgesehen. Ich hoffe, die Wetterau ist eines dieser Gebiete. Ich möchte ungern
neben unseren kritischen Seen – der Wölfersheimer See ist beispielsweise ein
solcher – auch noch ein kritisches Klima in der Wetterau haben. Ist natürlich
Unsinn! Klima ist kein in diesem Maße lokal abgrenzbares Phänomen,
insbesondere da wir in einer Gesellschaft mit globalisiertem Handel unmittelbar
von den Klimaauswirkungen überall auf der Welt betroffen sind.
Ist es in Afrika
zu heiß und trocken, und es verringert sich die Kakaoernteausbeute, werden hierzulande
Chocalatiers bei Lind, Ferrero und Sarotti entlassen, um die Gewinnspannen zu
retten. Immerhin 70 % der Rohware stammen von dort. Sie trinken keinen Kakao?
Dann gehen wir nach Südamerika und schauen auf die Soja-Produktion. Über 40
Prozent stammen allein aus Brasilien. Sie essen kein Tofu? Unerheblich, denn 75
Prozent der Ernte werden als Tierfutter verwendet. Klimaziel futsch – Ernten
Futsch – Metzger, Landwirte futsch, und immer mehr Menschen müssen Veganer
werden. Was für eine traurige Zukunft! Da sitzen wir bald in Geisenheim am See,
beobachten die Fische beim Rückenschwimmen, kauen traurig auf einem
pflanzlichen Schnitzel herum und sagen uns: „Ach ja, EU-Wasserrahmenrichtlinie,
EU-Klimaschutzziele. Wie einfach es doch damals gewesen wäre!“
Ja, ich gebe es
zu, ich habe heute meinen sarkastischen Tag und der Ironie-Schalter ist auf on,
aber mal ganz ehrlich: Es könnte so einfach sein. Wenn schon die Kreuzchen auf
den Wahlzetteln aus Gewässer- und Klimasicht offenbar nicht die politischen
Weichen stellen, dann wäre es vielleicht eine Idee, sich selbst ein wenig
umzustellen. Ein Weg, der beides fördert, ist beispielsweise einfach etwas mehr
aus heimischem, ökologischem Landbau zu essen. Zwei Fliegen mit einer Klappe
geschlagen! Ökolandbau bedeutet, weniger Dünger, der über das Grundwasser in
unsere Seen und Flüsse fließt und dort Todeszonen mitverursacht, und Lokalerwerb,
dass kein CO2 für die langen Transportwege in die Atmosphäre geblasen wird.
Wasser- und Klimaschutz in einem. Wäre das nicht toll? Natürlich bleibt einem
ungenommen, dennoch mit veganem Schnitzelbrötchen am Wölfersheimer See zu sitzen.
Noch ist er ja nicht gekippt, bietet eine schöne Aussicht, und auch vegan zu
essen, hilft ja bekanntlich, die beiden Ziele zu fördern.