Dienstag, 16. März 2021

Mit der Kippe im Auto - Fossile Werbung, Feinstaub und der Marlboro-Mann

Fossile Werbung, Feinstaub und der Marlboro-Mann

Letzte Woche las ich, dass die schwedische Zeitung „Dagens Nyheter“ Anzeigen von fossilen Unternehmen einschränkt. Ich recherchierte und erfuhr, dass sich die britische „The Guardian“ schon im letzten Jahr dazu entschlossen hatte, und die ebenfalls schwedische Zeitung „Dagens ETC“ bereits im Jahr 2019. In deutschen Zeitschriften finde ich noch immer zweiseitige Anzeigen: Schwarzer Hintergrund, in der Mitte ein hochmotorisierter PS-Bolide in Silber-Metallic und an der Seite ein Spruch in weißen Lettern. Das reicht aus, um in mir den Wunsch zu wecken, auch ein paar Liter mehr an Kraftstoff, als die Vernunft mir raten würde, in die Atmosphäre zu blasen. Immerhin hat sich im letzten Monat eine Gruppe von Klimaktivist:innen und Organisationen vorgenommen, daran etwas zu ändern; wie die Reaktion der Medienhäuser ausfällt, kann man sicher bald auf fossilfreiemedien.de nachlesen. 
Bei anderen Dingen, die wir in die Luft blasen, herrschen bereits Werbeverbote. Ich erinnere mich gut an meine Kindheit im Kino. Da war der Marlboro-Cowboy allgegenwärtig. Alle meine Freunde wollten Cowboy werden. Erst seit 2002 durfte keine Tabakwerbung mehr vor 18:00 Uhr gezeigt werden. Da war es für uns schon zu spät. Wir wurden keine Cowboys. Wir wurden Raucher. Erst seit diesem Jahr ist Zigarettenwerbung im Kino nur noch für Filme ab 18 Jahren erlaubt. Eric Lawson, einer dieser Cowboys, half das nicht. Er starb 2014 an einer Raucherlunge. So wie hierzulande mehr als hunderttausend andere. Laut aktuellem Tabakatlas verstarben im Jahr 2018 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. 

Und an dieser Stelle spanne ich den Bogen zur Werbung für Unternehmen, die direkt oder indirekt an fossilen Brennstoffen verdienen. Laut einer Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie aus demselben Jahr kommen deutschlandweit rund 120.000 Menschen jährlich aufgrund von Feinstaub vorzeitig ums Leben. Über 40 Prozent des Feinstaubs entstehen im Verkehrssektor durch die Verbrennung und durch den Reifen-, Brems- und Asphaltabrieb. Nur zwei Prozentpunkte dieses Feinstaubs entstammen dem Schienenverkehr.

Was, wenn der Gesetzgeber bereits in meiner Kindheit erkannt hätte, dass einem Zwölfjährigen, der mit seinen Eltern im Kino „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ schaut, eine Prärie mit rauchenden Cowboys am Lagerfeuer zu zeigen, der Gesundheit nicht zuträglich ist? Was, wenn er damals auch erkannt hätte, dass die mit Autowerbung geweckten kindlichen Wünsche der Umwelt und der Gesundheit gleichermaßen nicht guttun? Man stelle sich vor, dass der Werbe-Cowboy Obst am Lagerfeuer gegessen hätte und der erfolgreiche Geschäftsmensch statt im Sportwagen in der Bahn seinen Armani-Anzug und seine Rolex präsentiert hätte.

Was könnten wir für eine Gegenwart haben? Eric Lawson würde heute in seinem achtzigsten Lebensjahr sein und die Geräusche, die er auf der Veranda seiner Ranch sitzend abgäbe, wären kein Lungenrasseln, sondern das Krachen beim Biss in einen Apfel. Es führen heute auch viel mehr Züge. In einem Youtube-Video zu einer Werbung für den BMW 316i aus dem Jahr 1988 schreibt der Nutzer Mike`s Modelshop: „Norbert Langer lieh in den 80ern seine Stimme der Marke BMW. Zugleich war er die Stimme von He-Man in den Europa Hörspielen von Masters of the Universe. Ich dachte mir damals als Kind, wenn He-Man BMW fährt mache ich das später auch! Ich fahre nun seit 21 Jahren BMW“ (sic!) Mike hätte heute eine Bahncard 100. 

So funktioniert Werbung und so denken Kinder. Jetzt muss nur es nur noch der Gesetzgeber.

Bildquelle: Cezary p at pl.wikipedia, CC BY-SA 3.0

Montag, 1. März 2021

Schwer zu verdauen - Die Krux mit der Mehrwertsteuer

Schwer zu verdauen - Die Krux mit der Mehrwertsteuer

Was ist der Unterschied zwischen Kartoffeln und Süßkartoffeln? Klar: Farbe, Größe, Geschmack, und auch botanisch gibt es Unterschiede. Ich präzisiere: Was ist der kulinarische Unterschied? Zumindest bei mir gibt es keine merklichen: Brat- und Backofenkartoffeln, Kartoffelstampf und -püree, Pommes Frites und natürlich gekocht. Beide sind in der Regel Beilagen und tatsächlich gut zu verdauen. Was ich als schlecht zu verdauen empfinde, ist, dass die Kartoffel, einst aus Südamerika zu uns gekommen, mit sieben Prozent besteuert wird und die Süßkartoffel, auch als Batate bekannt und ebenso aus Südamerika zu uns gekommen, mit 19 Prozent besteuert wird.

Dazu ein kleiner Steuerexkurs: Das Mehrwertsteuersystem, wie wir es kennen, gibt es seit 1968. Es löste das seit 1918 geltende Allphasen-Brutto-Umsatzsteuersystem ab. Das war zwar zuletzt mit nur vier Prozent bemessen, doch die galt für alle Phasen des Verkaufsprozesses vom Hersteller, über den Großhändler bis zum Händler, so dass der Endverbraucher alle Versteuerungsphasen indirekt mittrug - letztlich wird sie wohl faktisch eher bei sechs bis acht Prozent des Verbraucherpreises gelegen haben. Mit dem neuen Konzept führte der Gesetzgeber eine zehnprozentige Steuer mit Vorsteuerabzug für alle Ebenen ein. Das hätte jedoch den Endverbraucher und insbesondere finanziell weniger gut Gestellte benachteiligt, da ihnen der Vorsteuerabzug verwehrt ist. Also führte der Gesetzgeber den ermäßigten Steuersatz von damals fünf Prozent ein, der die Grundversorgung privilegierte. Warum wird also die Süßkartoffel mit 19 Prozent besteuert und nicht wie die Kartoffel mit sieben Prozent? Beide können doch unstrittig Teil der Grundversorgung sein. Ist es, weil die Kartoffel seit fast einem halben Jahrtausend hier heimisch ist und die Süßkartoffel ein Exot ist? Kennen Sie die Pitahaya? Weißes Fruchtfleisch, schmeckt etwas bananig und nach Vanille mit leicht nussigem Abgang? Dann vielleicht unter dem Namen Drachenfrucht? Dieser offensichtliche Exot wird mit dem ermäßigten Satz besteuert. Mit Exotentum hat es offenkundig nichts zu tun. 

Vielleicht, weil die Kartoffel hier mit einem Volumen von über zehn Millionen Tonnen geerntet wird und die deutsche Süßkartoffel mit nicht einmal einem halben Promille dessen ein Schattendasein fristet? Wohl kaum, denn Früchte wie Ananas und Papaya wachsen hier nicht einmal und werden dennoch ermäßigt besteuert. Dann vielleicht, weil die Süßkartoffel ein Luxusgut ist? Immerhin ist sie gut dreimal teurer als eine Kartoffel. Ich schätze, Sie kommen zum selben Schluss, wenn Sie jetzt lesen, dass der hundertmal teurere schwarze Trüffel mit sieben Prozent besteuert ist. Warum also? Ich ergänze ein paar weitere Fragen: Warum wird Kuhmilch mit sieben und Mandelmilch mit dem Regelsteuersatz belegt? Warum ist Ziegenkäse umsatzsteuerermäßigt und ein ebenso produzierter veganer Käse nicht? 

Die Antwort ist: Der Gesetzgeber braucht sehr lange, bis er erkennt, dass die Grundversorgung sich wandelt. Erst im letzten Jahr bemerkte er, dass es auch Frauen in Deutschland gibt und reduzierte die offensichtliche Grundversorgung mit Binden und Tampons auf sieben Prozent. Vielleicht erkennt er auch bald, dass es nicht wenige Menschen gibt, die sich gerne von mit veganem Käse überbackenen Süßkartoffeln grundversorgen, die ihren Kaffee mit Sojamilch trinken oder die ihre Trüffel über Süßkartoffelstampf geben wollen und es sich durch die überzogene Besteuerung der Letztgenannten kaum leisten können. Wird schon.

Bildrechte: CC BY-SA 4.0miya