Dienstag, 27. Oktober 2020

Klimakiller Heizpilz

Klimakiller Heizpilz

Im Januar des Jahres hatte ich gelesen, dass der Frankfurter Magistrat die Nutzung von Heizpilzen in der Gastronomie untersagen will. Ich hatte mir das extra notiert, um meine Gedanken dazu in der Kolumne zu vertiefen und bereits vorrecherchiert. Ein Gas-Heizpilz mit durchschnittlicher Leistung verursacht zwei bis drei Kilogramm CO2 pro Stunde, ein elektrisch betriebener bis zum Vierfachen dessen. Bei einer angenommenen täglichen Nutzung über zwölf Stunden auf insgesamt vier kalte Monate entspräche das dem CO2-Ausstoß eines mittelalten PKW einer Laufleistung von 20.000 Kilometern – selbst wenn Montag Ruhetag wäre. 

Ich finde das erschreckend, wenn man bedenkt, dass der Heizpilz in der Gastronomie des Rhein-Main-Gebiets zum Standard wurde, als vor 13 Jahren das hessische Rauchverbot in Kraft trat. Das ist dreifach tragisch. Die Gastronomen wollten die Raucher verständlicherweise nicht an die kleinen Lokale verlieren, in denen noch geraucht werden darf, erhöhen dadurch ihre Ausgaben – ein Heizpilz mit 12 Kilowatt verbraucht stündlich zirka 1.000 Gramm Gas; bei unserem Rechenbeispiel kommen da jährlich über 1.800 Euro Kosten zusammen –, schädigen als Nebeneffekt die Umwelt und erschweren ungewollt genau das, was mit dem Nichtraucherschutzgesetz auch erreicht werden kann: Menschen vom Rauchen abzubringen. Erfreulicherweise hat das insbesondere die regelmäßig erhöhte Tabaksteuer nicht abhalten können, den gewünschten Effekt zu erreichen. Gut 14 Milliarden Euro Steuereinnahmen durch Raucher stehen jedoch 80 Milliarden direkten und indirekten Kosten des Gesundheitssystems gegenüber, wie eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums 2015 vorgerechnet hatte. Heute kostet eine Schachtel mit 20 Zigaretten sieben Euro, gut 29 müsste sie kosten, wenn die verursachten Schäden ausgeglichen werden sollen. Aber ich schweife ab. Zurück zum Heizpilz. 

Als die Corona-Pandemie begann, geriet nicht nur mein Thema für die Kolumne, sondern auch der Plan zur Verbannung von Heizpilzen in der Gastronomie in den Hintergrund und die Eindämmung der Virusverbreitung rückte in den Fokus. Kürzlich stellte das Ordnungsdezernat klar, dass die Nutzung zur Unterstützung der Gastronomie auch weiter erlaubt bliebe. In Städten wie Nürnberg, Tübingen und Hannover war die Nutzung von Heizpilzen untersagt, in anderen wie München und Berlin galten zumindest Beschränkungen. Nürnberg hat das Verbot inzwischen ausgesetzt, und auch in den anderen Städten wird darüber diskutiert. 

Am Montag plane ich auf der Zeil zum Mittagessen zu gehen. Maskiert werde ich zum Restaurant gehen und im Freien sitzen, um möglichst wenig Aerosolen ausgesetzt zu sein. Welche Möglichkeiten hat eine Gastronomin oder ein Gastronom, mir den Aufenthalt möglichst warm zu machen? Eine Decke? Sie würde nach meiner Nutzung, um dem Hygienekonzept Folge zu leisten, keinem weiteren Gast gegeben werden können, sondern müsste gewaschen werden. Sicher keine Alternative in Anbetracht des Verbrauchs einer Waschmaschine. Also bleibt nur der Heizpilz, denn wer friert schon gerne. Wir sind in einer Ausnahmesituation. Wir müssen es der Gastronomie ermöglichen, trotz durch die Abstandsregelung verringerter Zahl an Plätzen ein Einkommen zu generieren, das die Betreiber vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch rettet. Gut eine halbe Million Menschen sind in Deutschland in der Gastronomie beschäftigt. Gingen zwanzig Prozent von ihnen in die Arbeitslosigkeit kostete das den Staat 1,2 Milliarden Euro im Jahr, vom durchschnittlichen Arbeitslosengeld von eintausend Euro monatlich ausgehend. Diese Summe beispielsweise bei https://www.iplantatree.org/ in das Pflanzen von Bäumen investiert, entspräche über 400 Millionen Bäumen. Was will ich damit sagen? Sollte ich Montag unter einem Heizpilz sitzen, lasse ich anderenorts einen Baum pflanzen. Die drei Euro sind mir der Gastronom und die Umwelt mindestens wert.

Bildrechte: Urban Explorer Hamburg - Heizpilz am Waldesrand auf flickr, CC BY 2.0

Dienstag, 13. Oktober 2020

Wasser im Schrank

Wasser im Schrank

Als ich vor sieben Jahren und damit hoch in meinen Dreißigern erstmals ernsthaften Gedanken über mich und meine Umwelt auch ernsthafte Taten folgen ließ, war mein Fokus rasch auf meinen Kleiderschrank gefallen. Mittlerweile legendär gewordene sieben Kleiderschranktüren hatte ich seinerzeit öffnen und ausschließlich meine Kleidungsstücke finden können. Wäre es nicht sinnvoller, das, was ich nicht trage, wegzugeben, damit es vielleicht wieder getragen wird?, war damals mein treibender Gedanke. Im Papier „Wegwerfware Kleidung“ hatte Greenpeace im November 2015 das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage präsentiert. Demnach wird jedes fünfte Kleidungsstück so gut wie nie getragen. Das sind eine Milliarde Kleidungsstücke, die ungenutzt in deutschen Schränken liegen. Ein überproportionaler Anteil war hinter meinen oben genannten Türen zu finden. Dann habe ich auszusortieren begonnen. Säckeweise besuchte ich den Kleiderladen des Deutschen Roten Kreuzes. Heute belagere ich nur noch zwei der sieben Türen, und die oberen zwei Fächer sind nicht einmal mit Kleidung belegt. Im Durchschnitt, weiß Greenpeace, besitzt jede erwachsene Person in Deutschland 95 Kleidungsstücke - ohne Unterwäsche und Socken. Dort bin ich seitdem auch angelangt – darunter allerdings Exoten wie eine Mittelaltermontur, ein Zaubererumhang und eine Schneehose. Dass ich im Schnitt bleibe, schaffe ich mit der Devise „Eins kommt, eins geht!“

Gerade auf Festivals ist es manchmal schwer, sich entweder kein Erinnerungsshirt mitzunehmen oder eines der daheimgebliebenen Shirts auszusortieren. Da die meisten Kleidungsstücke allerdings zehn Jahre und älter sind, macht der irreparable Verschleiß es mir manchmal einfach. Auf Festivals traf ich oft auf die Helferinnen und Helfer des Hamburger Vereins „Viva con Agua“, die Pfandbecher einsammeln und vom Erlös beispielsweise den Brunnenbau in Afrika unterstützen. Das ist ein tolles Projekt, dessen Verbindung zu den Festivalshirts, wie ich gleich zeige, weit über die augenscheinliche lokale Gemeinsamkeit hinausgeht. Ein weiterer Verein, der sich mit Wasser auseinandersetzt, ist „Drip by Drip“ aus Berlin. Hier steht im Fokus, welchen Wasserverbrauch die Textilindustrie verursacht. Allein eine Jeans kommt auf unglaubliche achttausend Liter für den Anbau der Baumwolle sowie die Wasch- und Färbeprozesse. Gerade in Anbaugebieten wie China und Indien oder Weiterverarbeitungsregionen wie Bangladesch hat das merkliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bevölkerung. Der hohe Wasserverbrauch beim Baumwollanbau führte unter anderem zum Austrocknen des Aralsees. Insgesamt 6.500 verschiedene Chemikalien sind bei der Textilveredelung im Einsatz und werden gerade in asiatischen Billiglohnländern größtenteils ungefiltert über Abwässer entsorgt. Im Waterplaybook (https://waterplaybook.net/) von „Drip by Drip“ kann man prüfen, wie viel Wasser in der Produktion des eigenen Kleiderbestandes steckt. 122.400 Liter sind für meinen Schrankinhalt geflossen, und das sind nur 60 Prozent des Inhalts, da einige Kleidungsstücke nicht aufgeführt sind. Wahrscheinlich sind es über 200.000. Davon könnten einhundert Menschen fast drei Jahre lang ihren Trinkwasserbedarf decken.

Was bedeutet das? Keine Kleidung mehr tragen und mehr trinken? Nein, aber vielleicht mehr Second Hand kaufen, öfter reparieren lassen und weniger auf kurzlebige Trends setzen. Ich schaue jetzt nochmal in meinen Schrank. Ich muss ein ernstes Gespräch mit meinem zerschlissenen Abi-Shirt von 1995 führen.

Bildrechte: AleXXwCC BY-SA 3.0 at
 

Sonntag, 11. Oktober 2020

Es werde Dunkel

Es werde Dunkel

Am 19. September war der Sprich-wie-ein-Pirat-Tag. Harr! Piraten orientierten sich bei der Seefahrt an den Sternen. Das hat mich bewogen, meine Dachterrasse zum Piratenschiff umzuwidmen und die Navigation durch Friedberg zu starten. Den Polarstern und die Venus konnte ich erkennen. Ein anderer vermeintlich entdeckter Stern hätte zu einer Fehlnavigation geführt. Er hatte plötzlich zu blinken begonnen und war in Richtung Frankfurt abgezogen. Dann hatte ich mir die „Verlust der Nacht“-App runtergeladen und mich auf die Suche gemacht. Tatsächlich ist das Firmament so von Straßen- Geschäfts- und Gebäudebeleuchtung überstrahlt, dass nur ein wenig beeindruckender Teil der eigentlich sichtbaren Sterne trotz klarem Nachthimmel erkennbar war. Das finde ich nicht nur als erster selbsternannter, aber pazifistischer Pirat Friedbergs mit glücklicherweise stationärem, nicht navigationspflichtigem Schiff schade. 

Als ich recherchierte, wie viel Energie wir für Beleuchtung aufwenden, stoße ich auf ein etwas älteres Papier des NABU, demnach in Deutschland jährlich bis zu 4 Mrd. kWh an Strom für die Beleuchtung von Straßen, Plätzen und Brücken verbraucht werden. Könnte man das reduzieren, ohne das Sicherheitsgefühl negativ zu beeinflussen? Aus meiner Schulzeit erinnere ich mich daran, dass mein Kunstlehrer gesagt hatte, dass die Restlichtverstärkung des menschlichen Auges nur wenig Zeit brauche, um im vermeintlich Dunklen nahezu taghell zu sehen. Eine halbe Stunde die Augen im Dunkel geöffnet, und ich erkenne zumindest alles, was mir zuvor noch verborgen geblieben war. Probiert es aus! Müsste es da nicht ausreichen, die Außenbeleuchtung mit nur halb so viel Lumen wirken zu lassen? Kuechly et al haben in der Studie „Changes in outdoor lighting in Germany from 2012-2016“ über Satelliten festgestellt, dass die wirtschaftsstarken Bundesländer jährlich um 3-4 Prozent heller wurden. Das liegt einerseits an den LED-Leuchten, die bei verringertem Stromverbrauch helleres Licht produzieren, aber auch am Rebound-Effekt: „Wenn wir mit LEDs Geld sparen und zudem ökologischer sind, dann können wir auch mehr Lampen einsetzen!“ 

Nicht nur Piraten haben es mit so viel Störlicht schwer. Insekten werden angezogen, und selbst wenn sie nicht an heißen Glühlampen verenden, dann kreisen sie solange um die LEDs, bis sie ihren eigentlichen Grund herumzufliegen vergessen haben: Für Nahrung zu sorgen. Auch das kann einer der Gründe sein, weshalb wir im Sommer kaum mehr Windschutzscheiben von Insekten befreien müssen. So lästig das vor Jahren auch war, aber mit den Augen zum Himmel fragen wir uns, ob wir alleine hier sind, während wir am Boden alles tun, dass wir es irgendwann sein werden. Auch Wirbeltiere beeinflusst das Licht. Nur bei Dunkelheit wird das schlafregulierende Hormon Melatonin ausgeschüttet. Beim Menschen liegt die Empfindlichkeitsschwelle bei sechs Lux. Mit einer Luxmeter-App auf dem Smartphone habe ich um zehn Uhr nachts den Test gemacht. Je nach Straße und Schaufenster waren auch in Friedberg Werte bis zu zehn Lux gegeben. Nicht von ungefähr boomt der Markt mit Melatonin- und anderen schlaffördernden Tabletten. Bei Nagern liegt die Schwelle übrigens schon bei 0,03, bei Fischen bei 0,01 Lux, und die können keine Apotheke aufsuchen. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind noch nicht hinreichend erforscht, doch ohne Fische keine Seefahrt und ohne Seefahrt keine Piraten – auch nicht in Friedberg. Das wäre nicht nur schade für Francis Drake, Jean Lafitte und Kollegen. Harr!