Das vegane Steak |
Rund sechzig Kilogramm Fleisch isst der Bundesbürger jährlich. Von daher bin ich mir sicher, dass meine Ernährung von damals mindestens einen Menschen in den Veganismus getrieben hat! Und dieser arme Zwangs-Pflanzenköstler wäre dann genötigt gewesen, Fleischersatzprodukte zu essen. „Warum lebst du vegan und legst dann nachgemachte Wurst auf dein Brötchen?“, würde er von seinen Freunden ertragen müssen. „Weil sie schmeckt!“, hätte ich ihm seiner Zeit gerne als Antwort soufflieren wollen, doch das wäre eine Lüge gewesen. Damals gab es für meinen Gaumen nur einzige Geschmacksrichtung: Bluthochdruck. Der Markt kannte nur traurige, überwürzte Surrogate von etwas, das nicht einmal ein verliebter Metzger in die Auslage gelegt hätte. „Vegan wäre mir zu extrem!“, habe ich tatsächlich vor vielen Jahren mal gesagt. Ich frühstücke morgens Brot mit Aufstrichen, Paprikastreifen und Tomaten darauf, mittags Haferflocken mit Nüssen, Samen und Obst und mache mir abends eine Gemüsepfanne mit Bohnen. Ob ich mir 2013 mein Leben als Extremist so vorgestellt hatte? Wahrscheinlich nicht! Ich dachte vielmehr, ein Veganer könne ja fast gar nichts mehr essen. Aber so denkt man halt, wenn man wie ich mit Fleisch zu allen Hauptmahlzeiten und gerne mal zwischendurch einer Salami auf die Hand großgeworden ist – und es hatte mir gemundet. Wenn mir Menschen erzählen, sie würden ja gerne weniger Fleisch essen – denn letztlich ist jedem klar, dass 60 Kilogramm Fleisch pro Jahr weder für das Klima, noch für die Tiere und am allerwenigsten für die Gesundheit gut sind –, aber es schmecke viel zu gut, dann kann ich das verstehen. Doch es ist nur Gewöhnung. Der Spruch „Du isst nicht, was dir schmeckt, sondern dir schmeckt, was du oft genug gegessen hast!“ greift.
Heute sieht es anders aus. Beyond Meat, Wiesenhof und seit letzten Monat sogar Aldi und Lidl führen pflanzliche Alternativen, die zumindest meiner vagen Erinnerung daran, wie Fleisch schmeckt, sehr nahe kommen. Doch die Zukunft wird eine andere sein. Das niederländische Startup Mosa Meat hat bereits 2013 den ersten Hamburger aus Stammzellen hergestellt. Drei Jahre später präsentierte das US-Unternehmen Memphis Meats ein Fleischbällchen aus Rinderstammzellen. Das israelische Unternehmen Aleph Farms arbeitet seit Anfang 2017 an einem in vitro produzierten Rindersteak samt Fettzellen, Blutgefäßen, Muskeln und Stützzellen. Potentaten wie Google-Mitbegründer Sergey Brin unterstützen die Projekte. In wenigen Jahren sind die Erzeugnisse marktreif, in Konsistenz, Geschmack und Bratgeruch von gewachsenem Fleisch kaum mehr zu unterschieden, und in zehn bis fünfzehn Jahren wird es nur diesen einen Unterschied mehr geben: Den niedrigeren Preis. Selbst Massentierhalter werden auf lange Sicht nicht konkurrieren können. Wenn Geschmack und Kosten dann keine Argumente mehr sind, wird es schwer, sich noch für „echtes“ Fleisch zu entscheiden. Ich bleibe allerdings bei Gemüse – Gewöhnung, ihr wisst ja!
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