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Sonntag, 6. Juni 2021
Und da war es nur noch eins
Und da war es nur noch eins
Seit einiger Zeit leben meine Freundin und ich nun in einer unfreiwillig verkleinerten Wohnung. Ein einziger Wasserschaden, und schon fehlt einem aus heiterem Himmel ein Raum, unsäglicher Weise ausgerechnet unsere Küche. Bevor der Küchenboden entfernte wurde, um den Raum zunächst zu trocknen und schließlich die Balken auszutauschen, machten wir uns Gedanken, welche Gegenstände wir dringend benötigen würden, haben alles Nötige in die Unterschränke geräumt und den Rest in die Oberschränke, die dort verbleiben konnten. Die Küchenzeile steht nun im angrenzenden Flur und ist nicht geeignet, ihren Funktionen wie dem Backen vollumfänglich nachzukommen, dafür bestens, um immer wieder dieselbe Stelle meiner Ellenbogen schmerzlich daran zu erinnern, dass er nun keine 1,20 Meter mehr breit ist. Inzwischen sehe ich aus, als hätte ich dort je zwei Gelenke. Da fast alle unsere haltbaren Lebensmittel wie Getreide, Nüsse, Trockenfrüchte und Sämereien in großen Gläsern auf den Küchenschränken gestanden hatten, mussten wir zwei Schränke im Wohnzimmer räumen, deren Inhalt sich nun in gestapelten Kisten befindet oder sich eng in andere Schränke hinzugesellen musste. Im Wohnzimmer steht nun unsere Kommode aus dem Flur und daneben eine elektrische Kühlbox. Die Tage laufen derzeit unter der Überschrift: Unser Leben in einem Gebrauchtmöbelkaufhaus.
Stören wir uns daran? Nein! Wir freuen uns zwar, wenn der Status Quo wieder hergestellt sein wird, aber wir sehen auch die Chancen und nutzen die Vorteile. Am Couchtisch zu essen, ist ungewohnt, dafür können wir anschließend unmittelbar von der sitzenden in die liegende Position wechseln und so den Verdauungsprozess von unnötiger Ablenkung wie Bewegung entlasten. Auf einer Kommode im Wohnzimmer Gemüse zu schneiden, erscheint ungewöhnlich, dafür ermöglicht es uns, währenddessen aus dem Fenster auf den Winterstein zu schauen. Ach, wie sehr der schöne Ausblick doch unseren Heftpflasterbedarf angehoben hat. Mit nur einer geliehenen Einzelkochplatte Essen zuzubereiten, mag sehr reduziert klingen, doch seitdem ist der Rohkostanteil in unserer Ernährung auffällig gestiegen. Ich könnte mir vorstellen, dass der nächste Gesundheitscheck zu traumhaften Ergebnissen führen wird. Keine Abzugshaube und nur ein Kippfenster über der Kochplatte zu haben, mag den einen oder anderen Lesenden befürchten lassen, dass der Flur tagelang nach dem Mittagessen riechen könnte. Weit gefehlt, er riecht nach allen dort zubereiteten Malzeiten. So viele schöne olfaktorische Erinnerungen an kulinarische Highlights auf der Couch.
Zu guter Letzt hat dieses Abenteuer bewirkt, dass wir über unseren Besitz nachdenken konnten und erstaunt sein durften, mit wie wenig wir tatsächlich auskommen, wenn es nötig ist. Durch das Zusammenrücken im Wohnzimmer sind mir viele Dinge in die Hände gefallen, die ich lange nicht mehr genutzt habe. Drei Kopfhörer, die eine Schublade belagerten, in der sich nun Besteck befindet, habe ich auf einen reduziert und zwei verschenkt. Das gleiche Schicksal traf Bücher aus einem Regal, in dem getrocknete Himbeeren, Feigen und Datteln ihr neues Zuhause gefunden haben. Wir leben nur mit der Hälfte dessen, was sich in unseren Küchenschränken befindet. Auch hier können wir jede Menge an Menschen verschenken, die es im Gegensatz zu uns brauchen. Das wird jedoch noch etwas auf sich warten lassen müssen. Uns fehlt der Küchenboden, um an die Oberschränke heranzukommen. Bis dahin genießen wir den Blick auf den Taunus und knabbern rohen Kohlrabi.
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