Charly saß in der Küche und mühte sich, seinen in die Jahre gekommenen Staubsauger mittels eines Branchenbuchs wieder fit zu machen. Es lag geöffnet vor ihm, während ihm sein Freund Maik in keiner Weise damit weiterhelfen konnte, welche Firma er am besten anrufen solle.
„Vielleicht irgendeine Firma, die Staubsauger repariert?“, sagte Maik.
„So eine Kategorie gibt es nicht im Branchenbuch“, sagte Charly.
„Wie soll man so eine Maschine denn auch reparieren“, sagte Maik, „wenn da nicht einmal irgendwelche Drähte zu sehen sind, die man verbinden könnte?“
„Nein, nur Platinen. Keine Drähte.“
„Vielleicht auch besser so“, sagte Maik, „dann riskiert man auch keine Risse in der Raum-Zeit.“
Charly, der heute Morgen die gleiche Kleidung trug wie Charlton Heston im Omega-Mann, was er jedoch nicht wusste, da er den Film nie gesehen hatte, ebenso wenig wie der Autor dieses Textes, der die Gelegenheit nutzt, seine Leser an dieser Stelle herzlich zu grüßen und allen ebenso wie sich selbst hiermit zu empfehlen, diesen Klassiker der Filmgeschichte endlich zu schauen, schaute skeptisch.
„Ob ich es wohl einfach mal mit Lötkolben, Schraubenzieher und Zange versuchen sollte?“, sagte Charly.
„Warte! Habe ein traditionelles Allheilmittel“, sagte Maik, holte mit dem Branchenbuch aus und schlug auf den Staubsauger ein. Im gleichen Moment tat sich ein Riss im Raum-Zeit-Kontinuum auf, dem es völlig gleich war, dass der Staubsauger nicht einmal unter Strom stand, riss Charly von seiner Küche in eine weit, weit entfernte Zukunft, der es völlig gleich war, von einem Staubsauger manipuliert worden zu sein, und ließ Maik alleine zurück, dem das völlig gleich war, da er sich noch im selben Moment in 83 Kilo Hausstaub verwandelte, den der Staubsauger sofort aufsaugte, wobei es dem Staubsauger analog des Raum-Zeit-Kontinuums ebenfalls gleich war, keinen Strom dafür gehabt zu haben und einen Beutel, der nur ein Kilo fasste.
Charly wurde langsam wach. Wind streichelte sanft seine Haare. Ein metallischer Geruch drang in seine Nase und reizte Charlys Magensäfte dazu, ihren angestammten Ort schleunigst zu verlassen und kollegial alles in dessen Umfeld auf dem Weg nach draußen mitzunehmen. Charly gab ihnen statt, drehte sich zur Seite und erbrach sich, um im nächsten Moment noch während des Erbrechens einen lauten Schreckensschrei auszustoßen. Er befand sich mitten auf dem Brandenburger Tor, saß bäuchlings auf dem dritten Pferd von rechts und kotzte Viktoria direkt in den kupfernen Ausschnitt. Charly klammerte sich an ihrem Stab fest, wie ein Lab-Dancer während eines vertiginösen Anfalls. 40 Meter in die Tiefe zu fallen und dabei sein eigenes Erbrochenes im Fall einzuholen, erschien ihm wenig erstrebenswert.
Charly drehte sich um.
„Oh, mein Gott“, entfuhr es ihm, als er nach unten schaute. Unter ihm gingen menschengroße Hausschweine in langen Abendkleidern und mit Frack und Zylinder spazieren. Am Brandenburger Tor selbst hingen tausende von frischen Blutwürsten in langen Ketten. Zahlreiche Schweine im Livree schichteten Feuerholz an einem monströsen Lagerfeuer auf, in dessen Rauch weitere Würste geräuchert wurden.
„Schlachtfest, Schlachtfest“, rief eine Gruppe von Schweinen in Abendgarderobe, als neben Charly eine Stimme ertönte.
„Na, auch entkommen“, sagte die flüsternde Stimme, die einen jungen Mann gehörte, der nackt und völlig kahl rasiert war sowie nach Pflanzenöl mit Rosmarin und Thymian roch.
„Wie? Entkommen?“, sagte Charly und erbrach sich dieses Mal über der Gruppe feuerholzschichtender Livrierter, womit er den kahlen Jüngling Lügen strafte, da durch deren Aufmerksamkeit nun von Entkommen-Sein keine Rede mehr sein konnte.
„Schlachtfest, Schlachtfest“, rief ein Chor von unzähligen Schweinen, die mit Messer und Gabel winkend auf sie zeigten. Einem Sternmarsch gleich zentrierte sich die rosafarbene Abendgesellschaft auf dem Pariser Platz. Lachen, Johlen und fröhliches Grölen war zu hören.
„Scheiße, Scheiße, Scheiße“, sagte der junge Mann zu sich selbst. „Arschloch!“, sagte er zu Charly. „Argh!“, sagte er zu dem Schwein, das ihn gerade mit einer Armbrust vom Brandenburger Tor geholt hatte.
Das Schwein befand sich mit einer Gruppe weiterer in grünem Samt Gekleideter in der Gondel eines vorbeifahrenden Fesselballons, dessen Ballon das Bild einer riesige Blutwurst zierte, auf der ein nackter Jüngling reitend, dem soeben vom Brandenburger Tor Gefallenen zum Verwechseln ähnlich, mittels Sprechblase „Yummi!“ in den Mund gelegt wurde. Lukullisch und nicht sexuell motiviert lief Charly beim Anblick das Wasser im Mund zusammen. Diese Schweine von der Werbebranche! Ein zweiter Pfeil landete wenige Zentimeter neben Charly Kopf und prallte von Viktorias Auge ab, die davon völlig unbeeindruckt blieb. Es war aus Kupfer und sie eine Göttin. Im Gegensatz zu Charly, der in den Augen der Umstehenden Blutwurstfüllsel war und darüber hinaus völlig beeindruckt. Das Schwein in der Gondel legte einen weiteren Pfeil auf seine Armbrust. Charly schwitzte, zitterte und übergab sich erneut. Das Schwein legte an und Charly sprang. Er holte sein Erbrochenes kurz vor dem Aufprall tatsächlich ein und landete weich in einer Masse aus wirklich fetten Schweinen, deren Abendgarderobe Millisekunden später unter großem Geschrei von Kotze besprenkelt wurde. Charly wand sich in einem Gewühl aus Schweinerüsseln. Den Erstbesten packte er sich, der sich jedoch als Schlauchende seines Staubsaugers herausstellte, das ihn unmittelbar zurück in seine Zeit und Küche saugte.
Ein Teil von Maik wartete auf einem Kehrblech auf ihn, das Charlys alte Mutter in der Hand hielt.
„Junge, wie sieht‘s denn hier nur aus, und warum hast du Charlton Hestons Klamotten aus dem Omega-Mann an?“, sagte sie.
Charly beschloss, von nun an kein Schwein mehr zu essen. Dafür nur noch Obst und Gemüse. Und er beschloss seiner Mutter den Wohnungstürschlüssel abzunehmen.
Verpassen Sie nicht die nächste Folge, wenn Charly beim Versuch, seinen Kühlschrank zu reparieren, wieder weit, weit in die Zukunft geschleudert wird, all seine Lebensmittel verderben und er auf dem „Planet oft the Vegetables“ landet.
Teil 1 - Planet of the Cows
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