Donnerstag, 24. März 2016

Fünfzigster Schritt: Angrillen ohne Herrn Weber

Juchee! Frühling! Zeit zum Angrillen. Was gibt es männlicheres für einem Mann bzw. fraulicheres für eine Frau als den rostigen Kugelgrill von den winterlichen Spinnweben bar zu machen und die herrlich frische Frühlingsluft mit den Aromen eines Waldbrandes zu begrüßen?
Ganz Mann, wie ich mich nun einmal wähne, stellte ich mich in die Balkontür und sagte: "Frau, der Lenz ist da! Wir grillen!"
Ganz Frau, wie meine Liebste nun einmal ist, ignorierte sie mich vollkommen und ließ mich solange in der Tür stehen, bis es mich fröstelte.
Jedenfalls wird morgen gegrillt. Der Steinzeitmensch in mit fordert ein Sojasteak mit Grillmuster - natürlich selbst erjagt, wie es für einen Mann seit ehedem Tradition ist. Vorab war der Gang in den Baumarkt nötig, um die nötige Kohle zu erwerben - Briketts natürlich, denn nur Anfänger grillen mit Holzkohle. Endlich eine Großpackung Bricketts, dachte ich mir, als ich den dicken Sack Weber-Grillbriketts von einem Rudel Artgenossen umgeben in seinem Gehege stehen sah. Dann hielt ich ihn in der Hand und dachte, dass sich die Verpackung doch merkwürdig glatt anfühle. Mit dem zweiten Blick erfasste ich den Zip-Beutel-Mechanismus, der den Sack wiederverschließbar macht. Grillkohle, die seit ich ein Kind war, schon immer im Papiersack zu erwerben war, in einem Plastikbeutel? Wiederverschließbar?
Der Öko in mir springt als kleiner geflügelter Kobold auf meine linke Schulter. Er trägt Birkenstock und ein gebatiktes, verwaschenes Hemd.
"Was soll denn das?", fragte er entsetzt. "Mit 11,7 Millionen Tonnen verbraucht in Europa kein anderes Land soviel Plastik im Jahr wie Deutschland. Bis zu 180 Tausend Tonnen Grillkohle wandert jährlich über die Ladentheke. Die gute Weber nun in Plastik? Wie viel Plastikmüll soll es noch werden, bis der Verstand selbst zu grillen beginnt?"
Der Steinzeitmensch in mit springt als geflügelter Kobold auf meine rechte Schulter. Im Gegensatz zum Öko trägt er nur einen langen zottigen Bart.
"Schon unsere Vorfahren grillten plastikfrei", konstatierte er entrüstet. "Was soll der Unsinn, Herr Weber? Und wiederverschließbar? Damit ich für den Fall, dass der Säbelzahntiger mich beim Grillen überrascht, meine Kohle wasserdicht verpackt durch den rettenden See ziehen kann, um am trockenen jenseitigen Ufer mein Sojasteak zuende zu grillen?"
Ich lasse die gute Weber stehen und nehme mir einen papierverpackten Kohlesack - in einem kleineren Gebinde zwar. dafür ist"ökologisch produziert" darauf zu lesen.
"So einig wart ihr euch noch nie!", sagte ich zu meinen Schultern, was die Kassiererin im Baumarkt mit einem verwirrten Brauenheber quittiert.
"Moment! Sojasteak?", hörte ich den Steinzeitkobold noch sagen, bevor er nebst Kollegen mit einem "Puff" auch für mich verschwand.
"Meine Alter Ego!", sagte ich zur Kassierin.
"Hatte ich auch mal", antwortete sie und wünschte mir schöne Ostern.
Ich freue mich auf das Angrillen. Und darüber, dass die meisten Köhler noch zu den Traditionen ihrer Väter stehen.

3 Kommentare:

  1. Diese Geschichte ist einfach köstlich. Danke für's Teilen! Macht nicht nur Spaß zu lesen, sondern man, also Frau, also ich, erkennt sich wieder, würde genauso mit fragendem Blick vor der Kohle stehen, allerdings haben wir noch welche aus 2015, da scheinbar noch in Papier, Glück gehabt, riesen Vorrat! Viele schöne plastikfreie Grüße, Doris

    AntwortenLöschen
  2. Hi Doris, danke :) Viel Spaß beim Grillen. LG Andy

    AntwortenLöschen
  3. Danke auch, ebenso! Ich war grad noch mal hier, musst's meinem Mann vorlesen :-)

    AntwortenLöschen