Donnerstag, 22. Dezember 2016

Sechzigster Schritt: Einfach mal abschalten

Seit sechs Wochen der sauberste Tiefkühler meines Lebens
In einem Minimalismusforum las ich den Satz: „Seit wann ist Geiz ein Synonym für Minimalismus?“ Es war die Antwort auf die Feststellung, dass der Verzicht auf die Nutzung eines Kühlschranks Strom spart. Ich denke, Geiz und Minimalismus schließen sich aus. Zumindest dann, wenn Minimalismus als Lebenseinstellung definiert wird, und diese Lebenseinstellung zum Inhalt hat, Besitz und Konsum so klein wie nötig zu halten, um sich und die Umwelt zu entlasten.
Geiz als Anlass für eine Konsumreduktion würde den dem Äußeren nach entstehenden Minimalismus den Bedürfnissen und Zwängen einer Charaktereigenschaft unterwerfen. Eine Lebenseinstellung setzt jedoch voraus, sich frei entscheiden zu können. Zu sparen, in diesem Fall das Geld für Strom, ist eine Begleiterscheinung, aber, ganz im Gegensatz zur geiz-induzierten Konsumeinschränkung, nicht Motivation des Minimalismus. Diese Begleiterscheinung ist allerdings durchaus nicht nebensächlich, da nach ausreichender Reduktion der Hauptkostenverursacher in der Lebensführung durchaus mehr Optionen der Freizeitgestaltung entstehen, was den persönlichen Nutzen der konsum- und besitzreduzierten einfachen Lebensführung steigert. Strom zu sparen, stellt eine Einschränkung im Konsum dar, entlastet die Umwelt und ist daher unstrittig, gemäß der Eingangsdefinition, minimalistisch.
Die Antwort auf die Eingangsfrage ist also schlichtweg: Geiz kann kein Synonym für Minimalismus sein. Geld zu sparen - als Nebeneffekt der einfachen Lebensführung -, ist ein erwünschter Nebeneffekt. Strom zu sparen, ist mit der richtigen Motivation eine Option des Minimalismus.

Seit sechs Wochen zieren mein CD-Spieler und vier Würfel
die Stelle, auf der der Flatscreen Platz gefunden hätte. Sie
sind gefallen ... die Würfel!
Und nach diesem kleinen pseudo-wissenschaftlichen Exkurs sind wir auch schon beim Thema: Ich habe schon wieder Strom und Geld gespart! Spaß beiseite. Vor einem halben Jahr war ich abends müde von der Arbeit nachhause gekommen. Was ich tat, war das, was vermutlich in hunderttausenden von Haushalten abendlich passiert. Reflexartig setzte ich mich nach dem Abendessen vor den Fernseher, um mich davor bis ein Uhr wach zu halten. Völlig übermüdet machte ich mir am nächsten Morgen Gedanken, was schief gelaufen war. Der Körper sagte mir: „Ich bin müde!“ Was ich daraus schloss, war: „Bitte unterhalte mich mit etwas, das mich nicht anstrengt!“, wobei die eigentliche Message doch war: „Bitte lege mich schlafen!“
Warum habe ich meinen Körper missverstanden? Ich befürchte, die Antwort heißt Gewohnheit und fehlendes Hinterfragen. Der Alltag lässt viele Gewohnheiten entstehen. Gewohnheiten geben dem Tag Struktur und vereinfachen ihn. Ich komme von der Arbeit nachhause, esse zu Abend und setzte mich vor den Fernseher. Manche Gewohnheit ist jedoch zu hinterfragen. Ist es sinnvoll nach der Arbeit zu Abend zu essen? Gewiss. Ist es sinnvoll, sich nach dem Essen vor den Fernseher zu setzen? Möglich. Vielleicht habe ich einen Film oder eine Serie vor zu schauen, die mich unterhält. Vielleicht habe ich eine Dokumentation vor zu schauen, die mich bereichert. Ist es sinnvoll, sich auch ohne ein Ziel vor den Fernseher zu setzen? Möglicherweise nicht. Oder sich vor den Fernseher zu setzen, obwohl ich müde bin? Ganz sicher nicht. Nach diesem Tag habe ich entschlossen, TV-Asket zu werden, und nur noch fern zu schauen, wenn ich tatsächlich Lust darauf habe. Bis Anfang November kam diese Lust nur ein einziges Mal: Ich brauchte eine Beschäftigung, während ich die Wäsche von drei Wochen bügeln musste. Ohne Liam Neesons Unterstützung wäre ich wahnsinnig geworden.
Mitte November habe ich meinen Fernseher verschenkt und es damit Dennis gleich getan. Im Ergebnis bin ich wesentlich kreativer und produktiver als je zuvor, ich nutze die Zeit mit anderen Menschen viel intensiver, ich habe mehr Achtsamkeit meinem Körper gegenüber entwickelt und - das ist das Wichtigste, aber auch das Allerwichtigste - die Geldersparnis für den durch Blueray-Player, Fernseher und Kabelreceiver nicht mehr verbrauchten Strom investiere ich in eine Wäscherei mit Bügelservice.

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