Freitag, 10. November 2017
Tausche Fernseher gegen Ackerland
„Guten Abend!“, wünsche ich, als ich mit einem Verlängerungskabel durch das Wohnzimmer meines Nachbarn gehe, seinen alten Röhrenfernseher vom Netz trenne und es an seiner Steckdose anschließe - meine sind leider alle belegt. Natürlich zahle ich gerne für den Strom – er ist nämlich bei keinem lokalen Anbieter, sondern bei einem dieser günstigen aus dem Internet. Währenddessen sitzt er mit kritischem Blick auf seiner Couch und schweigt. Klingt komisch? Würde ich auch sagen. Etwas Ähnliches passiert im Agrarsektor. Im Jahr 2010 lag die Menge an Land, die wir allein für unseren Konsum von landwirtschaftlichen Produkten und Dienstleistungen in Anspruch nahmen, laut einer Veröffentlichung der Friends of the Earth Europe vom Juli 2016 bei 269 Millionen Hektar – das sind 43 Prozent mehr landwirtschaftliche Flächen, als in der EU selbst zur Verfügung stehen. Der Pro-Kopf Fußabdruck der EU für Ackerland liegt im globalen Mittelfeld bei 0,31 Hektar, was bedeutend mehr ist als der globale Durchschnitt pro Kopf von 0,22 Hektar, der jedoch durch den unverhältnismäßig großen Verbrauch der meisten Industrieländer stark nach oben beeinflusst ist. Die Folgen sind Entwaldung, Bodendegenerierung, Artensterben, Wasserknappheit, Klimawandel und von sozialer Natur. Gerade in Afrika sind die Auswirkungen immens. Immerhin bauen wir dafür dort Brunnen. Das ist ein wenig wie meinem Nachbarn zwar die Steckdose für seinen Fernseher wegzunehmen, ihm aber dafür einen neuen hinzustellen. „Was will ich damit ohne Strom?“, fragt er dann, und meine Antwort ist: „Sei dankbar! Der ist nagelneu. Aber gut, hier hast du noch eine Fernsehzeitung.“ Die eine oder der andere mag jetzt sagen, dass er froh sein solle, immerhin habe er was lesen, und er könne den neuen Fernseher ja auch an einer anderen Steckdose betreiben. Leider ist der Fernseher ein ausländisches Fabrikat mit einem nicht kompatiblen Stecker. Bleibt ihm also die Fernsehzeitung, in der all die Sendungen verzeichnet sind, die er verpasst. Wäre es nicht besser, ein paar weniger Geräte zu nutzen? Immerhin stehen in den deutschen Haushalten nach einer Studie des GfK-Consumerpanels aus dem Jahr 2012 2,2 Fernseher. Ähnlich ist das mit unseren Agrarflächen. Dreiviertel unserer EU-eigenen Agrarflächen nutzen wir für die Produktion tierischer Erzeugnisse. Das spiegelt sich auch in unserem Flächenverbrauch außerhalb der EU wider: Fast drei Viertel des agrarischen Land-Fußabdrucks der EU werden durch den Konsum von tierischen Produkten verursacht. Wenn wir es etwas vereinfachen, könnte eine naheliegende Lösung sein, die ärztlich empfohlene Höchstmenge von 15 Kilogramm pro Jahr an Fleisch zu konsumieren statt des derzeit knapp vierfachen dessen. Die EU könnte ihre Landwirtschaft dann unabhängig von externen Landflächen betreiben, diese Landflächen stünden wieder für die Ernährung der dortigen Bevölkerung zur Verfügung und unsere Bauern hätten wieder mehr Absatz, wären unabhängiger von Subventionen. Natürlich wären die inländischen Erzeugnisse etwas teurer, aber dafür konsumierten wir einen höheren Anteil Nahrungsmittel, die grundsätzlich günstiger sind als Fleisch. Und letztlich sparten wir ja auch Geld, da wir nur noch einen Fernseher hätten. Gut, ich vermische die Aussage mit meinem Gleichnis, und vielleicht mag die Rechnung so vereinfacht sein, dass man „Milchmädchenrechnung“ rufen mag, doch denkt daran: Wenn wir unseren tierischen Konsum erst reduziert haben, geht auch die Milchmädchenrechnung zu Dreiviertel auf.
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