Dienstag, 1. Januar 2019

Nur noch schnell die Welt retten


Ein neues Jahr bringt gute Vorsätze! Ich möchte weniger Fleisch essen. Das ist als Veganer nicht einfach, aber irgendwie muss ich ja die Welt retten. Auch möchte ich weniger fliegen. Es ist erst neun Jahre her, dass ich zuletzt in den Urlaub flog. Das geht besser! Neujahr 2020 will ich das letzte Mal im Jahr 2010 geflogen sein. Weniger Plastikmüll produzieren will ich! Solange die Folie meines gelben Sacks noch leichter ist als der Inhalt, gebe ich mich nicht zufrieden. Dieses Jahr möchte ich ihn leer zur Abholung auf die Straße stellen können. Außerdem möchte ich ökologischer essen, lokaler einkaufen, regionaler sowieso – am besten nur noch Papaya und Ananas aus Ockstadt.

Das Öko-Leben ist gar nicht einfach. Es steckt Leidensdruck dahinter. Vielleicht ist es die Dichterseele, die neben meinem grünen Herzen in mir steckt, die den Weltschmerz à la Jean Paul auch auf mein nachhaltiges Leben überträgt. Das Wort gibt es übrigens nur in Deutschland. Wenn der Amerikaner das Gefühl beschreiben möchte, unzulänglich in Anbetracht der Probleme der Welt zu sein, benutzt er es ebenso. „I am suffering from Weltschmerz!“ So hört sich das dann wohl an. Obwohl er in Anbetracht des amerikanischen Beitrags zum globalen Umweltschutz nicht allzu groß sein kann. Nehmen wir lieber die Dänen. Die haben auch kein eigenes Wort dafür. „Jeg har Weltschmerz!“, sagt der Däne also. Man kann schon an ihnen verzweifeln, an den Problemen (nicht den Dänen), die sich der moderne Öko auf die Agenda geschrieben hat, allein durch sein eigenes Konsumverhalten ändern zu wollen. Wo anfangen? Wo enden? Inzwischen geistern Wörter wie Ökorexie durch die Arztpraxen der Nation: Das Krankheitsbild von Menschen, die so sehr darauf bedacht sind, das ökologisch Richtige zu tun, dass sie guten Gewissens kaum mehr etwas essen können. Menschen, die Krankenhauskost verweigern, weil alles in Plastik verpackt ist. Solche, die für ihr Silvesterdessert vorher errechnen, ob das Panna Cotta zum Dessert aus Rahm sein darf oder doch besser aus Cashew-Creme. Doch war da nicht was mit unmenschlichen Erntebedingungen? Sind Cashew-Kerne mit Fair-Trade-Label tragbar? Andererseits kommt die Milch von um die Ecke und verursacht weniger CO2 beim Transport als die Steinfrucht aus Vietnam. Jedoch emittiert die Milchkuh aus Bio-Wiesenhaltung mehr klimaschädliches Methan als die Stall-Kuh. Ist das dann besser als Freilandhaltung und tragbar, solange es ausreichend Auslauf gibt? Wer nicht fragt, bleibt dumm! Und wer keine Antwort hat, hungrig! Am Ende gibt es gar kein Panna Cotta! Sondern Eiswürfel! Aus lokalem Regenwasser. Nur leider nicht abgekocht – weil der Stromanbieter noch nicht auf Oköstrom umgestellt war. Nun gibt es Krankenhauskost zu Neujahr. Natürlich Panna Cotta. Aus konventioneller Milch! Im Plastikbecher!

Ich nehme meine persönliche Mission ernst. So sehr, dass ich weiß, dass etwas Gelassenheit die Weltrettung nicht korrumpiert. Askese ist selten von Dauer. Ich kann Veganer sein, auch wenn ich mal „nur“ vegetarisch esse. Ich bleibe Plastikmüllsparer, selbst wenn ich mir mal unterwegs ein Wasser in PET kaufen muss, weil ich Regenwasser eben blöd finde. Das nächste Mal bin ich halt wieder organisierter.
 Ein Christ hört schließlich auch nicht auf Christ zu sein, wenn er mal gegen das zehnte Gebot verstößt. Es sei denn vielleicht das Begehren konzentriert sich auf die Frau des Pfarrers, aber das ist ein anderes Thema.

Ein schönes neues Jahr! Genießt das Leben. Ihr habt nur das eine – und auch nur einen Planeten!

2 Kommentare:

  1. Sehr treffend, so geht es mir auch, ich kann es nur nicht so schön in Worte fassen. Danke und ein gutes neues Jahr!

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