Ein typisches Rendezvous: Restaurant, Kerzen, Abgeschiedenheit. „Ich bin sehr gerne mit dir zusammen“, flötet er. Und schaut auf das Handy. WhatsApp signalisiert. „Oh, ja!“, haucht sie, will beide Hände zärtlich herüberreichen, doch Donald Trump twittert. Der Weltfrieden ist in Gefahr. Zumindest die USA. In jedem Fall die Zweisamkeit.
Der Friedberger Dichter Thorsten Zeller lässt einen seiner Protagonisten genau zu diesem Thema sagen: „Lebe im Augenblick!“, doch das scheint nicht einfach. Vor kurzem habe ich eine Woche lang tagsüber die Datenverbindung des Smartphones gekappt und nur zu drei Tageszeiten aktiviert. Die Erkenntnis war: Die Zeit, in der ich mich mit WhatsApp, Facebook und Email band, reduzierte sich auf weniger als ein Fünftel. Blöd ist nur, dass ich dennoch zu spüren glaubte, Nachrichten zu bekommen. 31 Prozent der Handybesitzer haben manchmal das Gefühl, dass es klingelt oder vibriert, obwohl sie weder einen Anruf noch eine Nachricht erhalten haben. Das hat eine Umfrage im Auftrag des Branchenverbands Bitkom ergeben. Nicht mehr alles sofort zu erledigen, spart Zeit, denn zu einem späteren Zeitpunkt ist das meiste schon überholt. Das funktioniert in der Politik, mag man glauben, warum nicht auch in der Kommunikation? Gerade bei Email-Eingängen ist es effizienter, zehn Spam-Mails auf einmal zu löschen als zehnmal eine.
Der typische Verlauf: Nachricht geht ein, Smartphone wird rausgeholt, PIN eingegeben, nochmal richtig eingegeben, App geöffnet, geschlossen, nochmal geöffnet, weil der Arbeitsspeicher voll war, gelesen, geantwortet, nochmal geantwortet, sich entschuldigt, Missverstanden worden zu sein – eine Kommunikation, die telefonisch in einem Bruchteil der Zeit erledigt wäre. Schon einmal den Test gemacht, um zehn Uhr morgens, den Büroflur entlang zu gehen? Den meisten fällt nicht auf, dass man in der Bürotür steht, denn ihre Augen sind auf 6,1 Zoll konzentriert. In der Bahn ist das Buch verdrängt. Statt zwischen zwei Pappdeckeln gepresstes limitiertes Wissen strahlt uns das gesamte der Welt auf dem Display entgegen. Dennoch ist die PISA-Studie nicht unser bester Freund. Und es ist nicht nur die Bildung in Gefahr.
Als vor einigen Jahren ein Attentäter glücklicherweise in einem Zug überwältigt werden konnte, wurde anhand der Überwachungsvideos festgestellt, dass er mehrfach bewaffnet den Flur des Zuges auf und ab gegangen war, ohne bemerkt worden zu sein. Abgesehen von der Gefahr, im Zug erschossen zu werden, gibt es auch alltägliche. Kopfschmerzen bei Kindern, wie die Jugendgesundheitsstudie des Gesundheitsamtes Stuttgart festgestellt hat, Bandscheibenvorfälle im Halswirbelbereich, Augenerkrankungen, Konzentrationsschwäche. Die Dauerkommunikation um ihrer selbst willen, die das mobile Internet ausgelöst hat, ist offenbar nicht nur Zeiträuber.
Meine Vision des fast perfekten Abends ist die: Restaurant, Kerzen, ein Tisch für zwei. „Ich bin so gerne mit dir zusammen“, flötet sie. „Oh, ja!“, hauche ich. Wir zahlen, küssen uns im Taxi. Zuhause geht sie mit einem verheißungsvollen Lächeln ins Badezimmer. Ich warte aufgeregt. Die US-Marketing-Agentur 11mark hat übrigens schon vor einiger Zeit herausgefunden, dass drei von vier Usern ihr Smartphone auf der Toilette nutzen. Ich warte weiter. Dann landen wir im Bett. Und beantworten all die Nachrichten, die seit Mittag eingegangen waren. Mit Kuss-Emoji versichern wir einander unsere Zuneigung und lächeln ins Handy, bevor wir ... Wie geschrieben: Fast perfekt! Aber ich arbeite daran.
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