"Ein Car-to-throw, bitte!", sage ich, als ich in einem Friedberger Autohaus stehe. „Car-to-throw? Sehr wohl!“, sagt der freundliche Mitarbeiter, der mir dazu einen Kaffee im Einweg-Becher anbietet. „Danke!“, sage ich, kaufe das Auto, fahre damit nachhause und lasse es vom lokalen Schrotthändler unmittelbar nach dem Parken abholen ...
Das ist natürlich fiktiv, doch ist es auch undenkbar?
Ich bin Normalverdiener, und ich trinke gerne Kaffee. Möchte ich unterwegs einen Kaffee trinken, ist der übliche Weg der, in eine Bäckerei zu gehen, wo mir der Vollautomat frisch gebrüht jeden Wunsch erfüllt. Unser Bruttojahresgehalt lag letztes Jahr bei 41.000 Euro im Schnitt, während der Becher für meinen Kaffee unterwegs ca. vier Cent kostet, bei einem Coffee-to-go pro Arbeitstag 88 Cent im Monat. Lächerlich? Vielleicht nur eine Frage der Relation.
7,6 Millionen Euro verdiente beispielsweise der Daimler-Chef im letzten Jahr. Sicherlich trinkt er auch unterwegs mal einen Kaffee. Doch was wäre, wenn er mit Autos ebenso umginge, wie mit Kaffeebechern? Er könnte es sich zumindest leisten. Unglaublich? Stimmt! Doch sich zu jedem Geburtstag einen Bajaj Qute zu kaufen - das ist das günstigste Auto der Welt, sozusagen das automobile Pendant eines Pappbechers -, um ihn nach dem Parken wegzu¬werfen, kostete ihn in Relation ebenso lächerlich wenig wie uns Normalverdiener die Menge monatlicher Einmalbecher. Es gäbe vermutlich einen Aufschrei, würde bekannt, dass er sich regelmäßig ein Car-to-throw gönnte. Selbst unter Mercedes-Fahrern. Natürlich käme kein Top-Manager auf diese Idee, doch, so absurd sie uns allen auch erscheinen mag, relativ gesehen ist sie nicht weniger undenkbar, wie täglich Kaffeebecher wegzuwerfen.
Der Aufschrei bei dem astronomischen bundesweiten Verbrauch von Coffee-to-go-Bechern ist derzeit noch leise – die täglich in Deutschland weggeworfene Becherzahl entspricht übrigens zufälligerweise dem oben genannten Managergehalt in Euro -, und das obwohl die ökologischen Kosten pro Becher weit höher liegen als bei 4 Cent. Nicht eingerechnet sind beispielsweise die klimatischen Folgen der CO2-Emissionen bei Herstellung und Entsorgung und die Ressourcenverluste, da die Becher in der Regel im öffentlichen Restmüll landen und verbrannt statt recycelt werden. Die Kosten sind kaum bezifferbar, doch augenscheinlich sind sie so viel höher, dass es sich ein Topmanager vermutlich sogar leisten könnte, einen Mercedes Benz nach der ersten Fahrt wegzuwerfen. Einen kleinen zumindest.
Auch Bioplastik-Recyclingbecher anzubieten, hilft nichts, denn zur Herstellung des Bioplastik der Innenbeschichtung und des Deckels wird Mais verwandt, dessen Anbau weitere Umweltkosten mit sich bringt, beispielsweise durch die zusätzliche Einbringung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln in die Natur und durch den Landraub zur Neugewinnung von Anbauflächen. Ganz davon abgesehen, dass ein Nahrungsmittel für einen Wegwerfartikel mit 15 Minuten Nutzungszeit verschwendet wird. Mit anderen Worten: Ob das Car-to-throw eine Mercedes Benz B-Klasse mit Diesel- oder Erdgasantrieb ist, ist dem Schrotthändler egal!
Natürlich würde der Daimler-Chef nie einen Mercedes wegwerfen und hoffentlich auch keinen Bajaj Qute. Doch sollte die Fiktion eines Tages Realität werden, habe ich einen Vorschlag: Wir treffen uns in von den Schrottpressen der Welt geretteten Car-to-throws im Autokino und prosten uns mit unseren zuhause zubereiteten Kaffees aus Mehrweg-Edelstahlbechern zu. Prost! Kaffee macht wach!
Bildquelle: motopage.ru
Dieser Beitrag steht als Podcast zur Verfügung.
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