Donnerstag, 18. Mai 2017
Im Plastik ist der Wurm drinnen
Demletzt war es in fast überall zu lesen: Eine kleine gefräßige Raupe frisst Plastik. Es sind die Larven der Großen Wachsmotte. „Die Entdeckung“, sagten die Wissenschaftler, „könnte ein wichtiges Mittel sein, um Polyethylen-Plastikmüll in Deponien und Ozeanen loszuwerden.“ Da fragt sich der geneigte Leser natürlich, ob wir künftig ein Raupenproblem haben werden. Vielleicht titeln die Medien in einigen Jahren: „Plastikstrudel in den Weltmeeren abgebaut - Wer rettet unsere Plastikboote vor den Raupen“ oder „Wieder ein Boot während der Überfahrt gefressen - Gibt uns unser Plastik zurück, Merkel!“ Natürlich wird die Kanzlerin, so sie denn im September an der Macht bleiben darf, wahrscheinlich nichts zur Entwicklung beigetragen haben, doch das hält ja auch heute schon niemand von einem abfälligen „Danke, Merkel!“ ab. Vermutlich werden die News zukünftig, wie auch heute, nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden - immerhin bestehen Boote für gewöhnlich nicht aus Polyethylen -, aber dennoch: Danke, Merkel! Die Frage, die sich im Kern stellt, ist natürlich, ob Wachsmotten schwimmen können und, falls sie es nicht können, aus welchem Material die Schwimmwesten sein werden, um sie aufs Meer und zum Plastikmüll zu bringen, ohne dass sie vorher absaufen. Ich hoffe nicht aus Kunststoff. Um den Fragenkern herum wickelt sich noch eine ganz andere Frage: Fressen sie es, weil es lecker ist oder nur weil sie nichts anderes haben. Im Experiment fütterten die Wissenschaftler sie ausschließlich damit. Zur Not frisst die Raupe Plastik, der Teufel Fliegen und selbst der Veganer, wenn er auf einer einsamen Insel leben muss, auf der es weder einen Veganz-Supermarkt, noch mit Gemüse- oder Obstpflanzen bestückte fruchtbare Böden, sondern nur einen Speer zur Fischjagd gibt, eben Seetang. Was ist aber, wenn die Raupen in Massen - nach Schwimmkursen oder eben in Mini-Schwimmwesten aus Kork gekleidet – auf dem Meer ausgesetzt werden und sie dann feststellen: „Oh, Freiheit! Endlich kein blödes Plastik mehr! Lasst uns Honig essen!“, denn das ist die natürliche Nahrung der possierlichen kleinen Tierchen. Nun mag die eine oder der andere in Umweltthemen Interessierte beruhigt abwinken und sagen, dass aufgrund des Bienensterbens bis dahin ohnehin nichts mehr da ist, was die Raupen fressen können. Aber wer sagt denn, dass sie dann den Veganern nicht den Agavendicksaft wegmümmeln? Alternativ könnten die Larven von Anglern eingefangen werden, denn immerhin werden sie normalerweise als Fischköder gezüchtet. Doch was wollen die Angler mit den Ködern denn fangen, wenn die Larven gar nicht im Meer fressen waren? Plastikfische? 100 Raupen fraßen im Experiment binnen zwölf Stunden 92 Milligramm Plastik. 80 Millionen Tonnen Polyethylen werden jährlich weltweit produziert. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, dann braucht es 119 Billionen Raupen, um die Jahresproduktion zu fressen. Haben wir im Zweifelsfall so viele Angler? Natürlich kann man das Enzym, das das Plastik zersetzt, auch aus den Raupen extrahieren und sich dadurch sowohl die Ausbildung von Raupenschwimmlehrern als auch die Förderung von Angelsportvereinen aus Steuergeldern ersparen, doch ist das Plastik auch wirklich weg? Oder nur so weit zersetzt, dass wir es nicht mehr sehen? Ich weiß es nicht. Es muss noch geforscht werden. Bis dahin können wir uns ja bemühen, zukünftig keine 80 Millionen Tonnen mehr jährlich produzieren zu müssen. Und vielleicht schaffen es auch die Bienen. Danke, Merkel!!!1!
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