Donnerstag, 24. August 2017
Noch was Süßes für unterwegs?
Ich gestehe: Ich liebe es, mehrmals täglich zu frühstücken. Brote zuhause, unterwegs ein Stück Kuchen, vielleicht zwei, und dann später einen Obstteller - für die nötige Energie, um die noch folgenden Genusspausen im Büro nachzuarbeiten. Ich treffe die unterschiedlichsten Menschen: Solche, die sich ihr Brötchen verpackt geben lassen, um es dann im Café sitzend zu verzehren, jene, die sich einen einzelnen Apfel in der Obsttüte kaufen, um dann eine Minute später an der Bushaltestelle hineinzubeißen, und letztlich allzu oft auch Menschen, die ihren Coffee-to-go im Café-to-stay trinken. Ich suche gerne das Gespräch. Der Herr, der regelmäßig am Nachbartisch sein Brötchen aus der Papiertüte verzehrt, schaute mich lächelnd an und sagt, er nutze sie zuhause für seinen Kompost. Die Dame mit dem Pappbecher sagt, sie schaffe den Kaffee hier nur halb zu trinken, müsse dann aber ihre U-Bahn bekommen, bis sie lächelt und von ihrem vergessenen Mehrwegbecher zuhause spricht. Der Geschäftsmann im Anzug, der gerade vom Entsorgen seines Hemdchenbeutels zum Wartehäuschen zurückkehrt, sagt, dass er da gar nicht darüber nachgedacht hat. Irgendwie sei das anerzogen, meint er, und ich glaube, er hat Recht. Wir müssen uns alle umerziehen, bevor es die Natur macht, und damit hat sie leider schon begonnen. Ein Grad Celsius beträgt die menschgemachte Erderwärmung bereits – ganz gleich, was Herr Trump darüber denkt. Wäre es nicht schön, wenn wir nicht nur Einkaufspreise vergleichen könnten, sondern auch den Preis, den die nachfolgenden Generationen für unser Kaufverhalten zahlen? Ich sehe immer wieder Menschen, die mit mehreren Wurstpackungen jonglierend Fettwerte vergleichen. Wäre es nicht schön, wenn neben „Ist das gut für mich?“ auch „Ist es gut für die Welt meiner Nachkommen?“ auf der Verpackung beantwortet würde? Was ist besser für die Umwelt? Der plastikverpackte Schnittkäse, die in Wachspapier geschlagene Wurst vom Metzger oder die unverpackten Jumbo-Erdnüsse aus Israel? Ich weiß es nicht! Ein Umwelt-Siegel analog der Nährwertangaben könnte da helfen. Bereits im Jahr 2007 ergab die SEMPORA-Studie, dass die Einführung eines unabhängigen CO2-Siegels von den Konsumenten als sehr wichtig empfunden wird. 81% der Befragten gaben an, dass sie beim Kauf CO2-reduzierte Produkte vorziehen würden. Seitdem ist nicht viel passiert. Es gibt nur ein einziges unabhängiges Siegel, das „Stop Climate Change“-Umweltzeichen. Von einer gesetzlichen Verpflichtung sind wir jedoch weit entfernt. Weshalb? Ein Zuviel an Fett und Salz für meine Gesundheit kann ich von Gesetz wegen mit einem Blick auf das Etikett identifizieren. Warum kein Zuviel an Kohlendioxyd für die unserer Enkelinnen und Enkel? Industrieverbände, wie der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, lehnen entgegen dem Willen der Verbraucher ein gesetzliches Label ab. Sind ja schon gestraft genug, die Nährstoffangaben aufdrucken zu müssen. Immerhin können sie dadurch mit „0%-Fett“ auf Gummibärchenpackungen angeben - da lässt man die fette Salami schon mal im Regal liegen. Aber, liebe Bündnis 90/Die Grünen, 51 Prozent eurer potentiellen Wähler, die im Diskontmarkt Billigfleisch kaufen, sind gegen Massentierhaltung, heißt es in einer Studie der Rheingold-Marktforschung aus dem Jahr 2015, und ihr wollt ein Label zur Kennzeichnung von Industriefleisch einführen. Das ist schön! Wenn 81 Prozent ein CO2-Label wünschen, wäre es nicht noch schöner, auch das in euer Wahlprogramm aufzunehmen. Na? Wählerauftrag angekommen, Frau Roth?
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