Ich bin Minimalist. Zumindest entwickele ich mich dahin. Ich reduziere Elektrogeräte, Kleidung, Bücher, CDs und DVDs, um nicht, dem Drachen Smaug auf seinem Goldschatz gleich, ungenutzte Dinge zu horten, sondern die Ressourcen lieber freizugeben. Das ist sinnvoll, auch meiner selbst wegen. Was ich nicht besitze, verbraucht keine Fläche und muss nicht verwaltet, gepflegt, repariert und ersetzt werden. Ich mache mich unabhängig und gewinne Zeit und Geld. Selbst meinen Energieverbrauch reduziere ich, und gerade die letzten beiden Punkte – Medien und Energie – scheinen allzu leichtfertig unabhängig voneinander bewerten zu werden.
Oft lese ich die Empfehlung, Bücher, Musik- und Videospeichermedien aufzugeben und alles elektronisch zu speichern, über Clowd-Computing – also auf einem zentralen Server gespeichert, der jederorts für mich über das Internet verfügbar ist – oder noch besser über Streaming-Dienste. Natürlich sind die Medien, die ich immer wieder gerne nutze, auf einem Rechner gut aufgehoben. Sie binden weder Papier noch Polycarbonat, die recycelt werden könnten, und ich kann hunderte bis tausende von ihnen archivieren, ohne viel Platz zu benötigen. Der Nachteil: Ich benötige plötzlich sogar Energie, um ein Buch zu lesen. Bislang kosteten mich Bücher keine Energie. Mit einer Ausnahme vielleicht: Ich hatte mal die Biographie von Stefan Effenberg in einem Preisausschreiben gewonnen.
Auf dem E-Book gilt aber selbst für die Bio von Edson Arantes do Nascimento, besser bekannt als Pele: Kein Strom, kein Lesevergnügen. Wie schaut es im direkten Vergleich aus? Die Herstellung eines Buchs verursacht rund ein Kilogramm CO2 pro Stück, die Digitalisierung einmalig nur etwa 100 Gramm. Allerdings setzt die Herstellung des E-Book-Readers selbst rund acht Kilogramm CO2 frei. Habe ich schon einen zuhause? Bestens! Muss ich mir extra einen zulegen, wird es knapp.
80 Millionen Bücher werden jährlich in Deutschland verkauft, also nicht einmal eins pro Bürger, für den sich ein E-Book demnach erst nach knapp neun Jahren ökologisch auszuzahlen begänne. Ich zweifele daran, dass ein E-Book-Reader so lange hält. Bei Musik und Filmen ist es etwas anderes, denn der Verbrauch einer HiFi- oder DVD-Heimkino-Anlage ist vergleichbar mit der eines PCs. Ein Pro-Argument für die heimische Speicherung von Musik- und Filmdaten. Kritisch wird es aber dann, wenn ich den Zugriff vollständig auslagere und über Clowd-Computing oder Streaming-Dienste zugreifen möchte. Dann verbrauche ich nicht nur Energie während der Nutzung, sondern permanent. Meine Daten stehen mir 24 Stunden am Tag zur Verfügung, selbst Filme oder Musik, die ich jahrelang nicht gehört habe, die ihr Dasein im Schrank still, ungehört und ohne Energieverbrauch fristeten. Ja, ich habe eine Modern-Talking-CD – eine Jugendsünde –, und allein die Vorstellung, ich könnte mich verklicken und Geronimos Cadillac plötzlich durch mein Wohnzimmer fahren hören, versetzt mich in Angst und Schrecken. Nicht nur die permanente Verfügbarkeit des Caddys kostet Energie, gerade die Kühlung der Großrechenzentren führt dazu, dass sie jeweils die Energie einer Kleinstadt verbrauchen. Über 60 Prozent des Internetdatenverkehrs ist jetzt schon durch Streaming verursacht, und Netflix, Amazon und Co. investieren viel, um das noch zu steigern.
Ich denke, ich bleibe bei meinen lokalen Speichermedien, und ab und an kann ich ja bei öffentlichen Bücherschränken oder in der Stadtbücherei vorbeischauen. Nicht nur Effenberg und Geronimo wegen.