Der
leider viel zu früh verstorbene Terry Pratchett hat geschrieben, die Menschheit
sei nur 24 Stunden und eine Mahlzeit von der Barbarei entfernt. Stimmt das?
Jüngst wies das Oberlandesgericht
Stuttgart die Revision eines Tierschützers zurück, der sich zur
Videodokumentation unhaltbarer Zustände unberechtigt Zutritt zu einer
Mastanlage verschaffen hatte. Er muss sich nun wegen Hausfriedensbruch
verantworten. Dass die Nothilfe, auf die er sich stützte, nicht auf Tiere in
Massentierhaltung anzuwenden sei, ist bereits eine fragwürdige Entscheidung, da
sie nicht zeitgemäßt ist. Wer die Scheibe eines Autos im Sommer einschlägt, um
einen Hund vor dem Hitzetot zu retten, wird nicht wegen Sachbeschädigung
belangt. Regelmäßig urteilen die Gerichte auf rechtfertigenden Notstand, um
eine fahrlässige
Tierquälerei zu unterbrechen, wie es bereits 1995 vom Bayerischen
Oberlandesgericht festgestellt wurde. Eine Massentierhaltung, bei der der
später Verurteilte qualvoll verendete Tiere dokumentierte, begründet offenbar
keine fahrlässige Tierquälerei.
Wem das nicht schon barbarisch genug ist, der
sollte sich die Argumentation gegen den rechtfertigenden Notstand auf den
Geschmacksknospen der Zunge zergehen lassen. Nach Ansicht des Heilbronner Landgerichts,
gegen dessen Urteil der Tierrechtsaktivist Revision eingelegt hatte, liege
schon deshalb kein rechtswidriger Angriff auf die Tiere vor, da es „allgemein
anerkannt [sei], dass die Mast in Massentierhaltungen nicht artgerecht erfolgen
kann“ und dass Tieren dabei „auch Schmerzen und Unwohlsein zugefügt“ werde.
Massentierhaltung sei „sozial adäquat“, denn es sei „von der Mehrheit
gesellschaftlich erwünscht, dass große Mengen an Fleisch günstig angeboten
werden“. Das Tierschutzgesetz erlaubt unter anderem, Tieren Schmerzen, Leiden
oder Schäden zuzufügen, wenn ein „vernünftiger Grund“ vorliegt. Der Wunsch nach
günstigem Fleisch sei ein solcher. Für mich schmeckt das bereits stark nach
Barbarei. Wir sind keine 24 Stunden mehr entfernt.
Wenn wir es als vernünftig
ansehen, dass Geld Schmerzen, Leiden und Schäden verursacht, dann sind wir
mitten drinnen. Und jene Malzeit, von der Pratchett spricht, besteht offenbar
aus günstigstem Fleisch, dessen ehemalige Eigner wir bereitwillig opfern. Die tatsächlichen
Kosten tragen die Tiere, nicht wir. Knapp 60 Kilo Fleisch essen wir im Durchschnitt
jährlich. Das sind eine Menge Tiere, die da in einem Menschenleben leiden
dürfen, damit nur nicht der Geldbeutel leidet. In einer im Juni
veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts
Emnid begrüßten 82,5 Prozent der Befragten solche Geheimaufnahmen. Muss das
nicht auch berücksichtigt werden, wenn der vermeintliche Volkswille, günstiges
Fleisch kaufen zu wollen, in das Urteil einbezogen wird? Immerhin 27 Prozent
der Deutschen würde mehr Fleisch und Wurst essen, die aus artgerechter Haltung
stammen, lautet das Ergebnis einer Umfrage des Marktforschungsunternehmen
You-Gov aus dem letzten Jahr. Dennoch liegt der Anteil an Bio-Fleisch, das
immerhin im Vergleich zur billigen Massentierhaltung ein Schritt nach vorne
wäre, bei unter
zwei Prozent Marktanteil. Finde den Fehler!
Möglicherweise müssen wir
beginnen, Hundefleisch zu verzehren, damit sich etwas ändert, oder einfach nur
riesige Autos bauen, in denen zehntausend
Tiere Platz haben, damit wir straffrei Autoscheiben einschlagen und Tiere retten
dürfen. Aber immer schön im Geheimen dokumentieren – nicht, dass wir Wunsch und
Willen der Mehrheit widersprechen.
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