Dienstag, 25. Juni 2019

Vegan ist ungesund


VEGAN IST UNGESUND!

Diesen Satz liest man immer häufiger. Der Headline zugrunde liegt dann meist eine Studie zu auf Herz und Nieren geprüfte Veggie-Bratwürste und Konsorten, wenn man das bei veganer Kost überhaupt so sagen darf. Zu viel Salz, zu viele Bindemittel und obendrein Geschmacksverstärker. Leider ist die Überschrift irreführend, denn es wird ja nicht die vegane Ernährung mit einer anderen verglichen, sondern schlicht ein hochverarbeitetes Lebensmittel herausgepickt. Ebenso wenig jedoch wie sich der durchschnittliche Bundesbürger nur von Nürnbergern mit Senf ernährt, isst der Veganer tagein tagaus nur Sojaweißwurschterl. Das ist ein wenig so, als würde man bei einem Crashtest mit einem Elektromobil und einem Diesel feststellen, dass beide Autos danach kaputt sind. Der Satz müsste also heißen: „Die getesteten Fertigprodukte sind ungesund!“ 
Die Schlagzeile wäre dann aber nicht so bewegend. Letztlich ist ihr Zweck nur, Emotionen zu wecken, die zum Weiterlesen bewegen. Habe ich auch gemacht, und wenn Sie bis hierhin gelesen haben, hatte ich bereits einen Teilerfolg.

Diese Veganer, die selbst dann scheinbar missionieren und versuchen, einem die Wurst unschmackhaft zu machen, wenn sie den Mund bloß zum Essen aufmachen, erhitzen die Gemüter. Wer liest denn da nicht gerne, dass deren Ernährung trotz dieses über uns allen geschwungenen Damoklesschwerts, geschmiedet aus Tierwohl und sozialer sowie ökologischer Überlegenheit, zumindest nicht gesund ist. Es beruhigt doch zu erfahren, dass man, wenn man schon nicht alles richtig, dann doch zumindest nicht alles falsch macht. „Ja, ihr Veganer, ihr schwingt zwar die moralische Keule, aber eure Keule besteht aus Salz und Chemie!“ Es ist ein wenig Schützenhilfe im permanenten Drang des Normalköstlers, sich verteidigen zu müssen, sobald ein Veganer Teil der Gruppe ist. Dieser alte Witz: „Woran erkennt man einen Veganer? Keine Angst, er wird es dir sagen!“ ist jedoch schon lange nicht mehr real. Vegan ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. An kaum einer Tafel findet sich nicht mindestens einer, der  auf Tierisches verzichtet, viele Restaurants bieten Veganes an, und die Supermärkte haben inzwischen ein so großes veganes Programm, dass Ketten wie die rein veganen Veganz-Märkte mancherorts Filialen schließen mussten. 

Der Veganer muss sich inzwischen nicht mehr outen. Er kann an der Tafel essen, wie jeder andere, bestellt im Restaurant einfach, ohne sich erklären zu müssen, und kauft im Supermarkt ein, als wäre er ein ganz normaler Kunde - nur halt offensichtlich ein ungesunder. Den Einkaufswagen voller veganer Würstchen, fleischfreier Schnitzel und versalzener Veggi-„Fleisch“-Bällchen steht er kränkelnd und verschämt an der Kasse unter den mitleidigen Blicken der übrigen kränklichen Schlangesteher, die das Förderband mit Rindswurst, Bratwurst und Fertigfrikadellen vollgeladen haben. In der Realität kommt auf beiden Seiten zur Wurst, gleich ob fleischlich oder fleischlos, Gemüse auf den Teller und vielleicht ein paar Kartöffelchen. Das gleicht den Fettgehalt genauso wie den Salzgehalt auf beiden Seiten aus – wenn auch auf der veganen in der Regel etwas stärker. Und schon sind beide nicht mehr ganz so ungesund. Was also bleibt, sind Tierwohl und die soziale wie ökologische Seite.

Kann man nur hoffen, dass niemand auf die Idee kommt, die gesundheitsfördernden Aspekte von Pfefferbeißern und Möhren zu vergleichen. Denn diese Headline wäre dann auch wieder emotionalisierend. Schön, dass Sie zu Ende gelesen haben.

Bildrechte: Randal B, under Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

Dienstag, 11. Juni 2019

Der Umwelt-Killer E-Auto



Die Klimadebatte ist aufgeheizt – ganz passend zum Klima. Immer öfter sieht man Fotos von chilenischen Bauern vor leeren Brunnen, Videos von verheerten Landstrichen in Argentinien und bekommt chinesische Minenarbeiter im Kindesalter präsentiert. Es geht um den Lithium-Abbau, und über den Bildern steht sinngemäß dieselbe Überschrift: „Das Elektro-Auto zerstört die Umwelt!“ Schließlich werden für den Betrieb Akkus benötigt, in denen Lithium enthalten ist. 
Ganz fair ist das natürlich nicht, denn es erweckt den Anschein, als hätte ein pseudo-grüner Ökoteufel den Abbau für sein diabolisches Gefährt überhaupt erst in Gang gesetzt. Tatsächlich werden nur gut 37 Prozent für Akkumulatoren genutzt, der Rest für zahlreiche andere Zwecke, von der Produktion von Glas und Keramik bis hin zum Einsatz in Antidepressiva. Auch werden die Akkumulatoren nicht zur Gänze von der Autoindustrie genutzt. Tablets, Smartphones, PCs, Akkuschrauber bis hin zur E-Zigarette nutzen Lithium-Ionen-Akkus. Gerade die drei Erstgenannten muss man natürlich im Bildtext ausklammern, denn wie soll man dann noch mit gutem Gewissen ein Like für das Lithium-Abbau-Bashing vergeben. Der kleine Exkurs soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bedarf für Fahrzeugakkus steigt. 2008 lag deren Anteil am Lithium-Abbau noch bei unter 20 Prozent. Das wird die eingangs geschilderten Phänomene noch verstärken, und das finde ich schrecklich. 

Doch wer glaubt, dass die alternative Überschrift „Der Otto-Motor rettet unsere Umwelt!“ zutreffend wäre, irrt. Da muss man sich nur die zahlreichen Ölunfälle in Erinnerung rufen, die ganze Meeresregionen und Landstriche verheert haben. Wer glaubt, dass die Einflüsse der Erdölnutzung auf die Umwelt nur bei Katastrophen auftreten, sollte nach Nigeria in Verbindung mit dem Suchbegriff Erdöl googeln, um einen Eindruck zu gewinnen. Allein die vor über 15 Jahren gebaute Kamerun-Tschad-Ölpipeline hat so viel unberührte Waldregionen und Wasserquellen der ansässigen Bevölkerung zerstört und beeinflusst sie noch immer, dass das durchaus ein paar Videos und Bilder parallel zu denen des Lithium-Abbaus wert wäre. Was ist das Fazit aus allem? Es ist nicht das E-Auto, das die Umwelt zerstört. Es ist auch nicht der Benziner oder Diesel. Es sind unser Konsumverhalten und die Verwechselung von Fahrzeugbesitz mit Freiheit. 64,8 Millionen Fahrzeuge sind allein in Deutschland zugelassen. Das sind 692 Kfz je 1.000 Einwohner. Vor zehn Jahren waren es noch 55,4 Millionen, und die Fahrzeugdichte lag bei 503. Ich sage nicht, dass der Besitz eines Fahrzeuges abzulehnen ist. Ich habe selbst viele Jahre auf dem Land gelebt, und auch vom Städtchen Friedberg ins Land zu kommen, ist manchmal ohne Auto ein Abenteuer. 

Im Durchschnitt steht ein Fahrzeug jedoch 95% der Zeit, das sind 23 Stunden am Tag. Es ist an der Zeit, das zu überdenken! Die Förderung von Carsharing-Systemen mit Keyless Vehicle Entry kann die Lösung sein. Fahrzeuge, die per App lokalisiert, schlüssellos mit einem Code geöffnet und genutzt und dann einfach am Zielort abgestellt werden können, wo sie anderen zur Verfügung stehen. Kein persönlicher Besitz, nur bedarfsgerechte Nutzung. Das würde den privaten Fahrzeugbestand massiv reduzieren, ohne Freiheiten einzuschränken. Ressourcenschonung ohne Mobilitätseinschränkung. Dann wäre es auch gleich, ob ich einen Otto- oder einen E-Motor im Fahrzeug habe. Und keine Sorge: Das Smartphone zur Buchung zu nutzen, fällt nicht ins Gewicht. Von denen gibt es fast so viele wie Autos.

Bildquelle: Von Nissan_LEAF_got_thirsty.jpg: evgonetwork (eVgo Network). Original image was trimmed and retouched (lighting and color tones) by User:Mariordoderivative work: Mariordo (talk) - Diese Datei wurde von diesem Werk abgeleitet: Nissan LEAF got thirsty.jpg:, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18091826