Ich bin sicher, dass manches nur deshalb nicht optimal läuft, weil die mit den besten Ideen nur in den seltensten Fällen auch die mit dem meisten Geld oder der erfolgreichsten Lobby-Arbeit sind. Wie damals bei der VHS-Kassette – die vor 1995 geborenen werden sich erinnern. Betamax hatte die bessere Qualität, Video 2000 ein Vielfaches an Aufzeichnungskapazität und dennoch setzte sich JVCs Video Home System (VHS) durch. Warum? JVC hatte mit Geld gelockt – in Form günstigerer Lizenzgebühren – und sofort mit der Pornofilmindustrie geliebäugelt. „Geiz ist geil“ bekommt da eine ganz andere Konnotation und ist offenbar ein Erfolgsrezept. Ähnlich läuft es bei mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeugen. Bereits 1804 hatte Isaac de Rivaz den ersten Wagen mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor entwickelt, doch selbst das 35 Jahre später entwickelte erste Elektrofahrzeug von Robert Anderson konnte nicht verhindern, dass sich der ein viertel Jahrhundert später patentierte Ottomotor durchsetzte. Weil Carl Benz‘ Patent-Motorwagen Nummer 1 damals diese Technik gewählt hatte.
Wie könnte die Welt heute sein, wenn der erfolgreiche Badener auf Wasserstofftechnologie gesetzt und diese sich dadurch kontinuierlich weiterentwickelt hätte? Möglicherweise wäre der überwiegende Großteil des Verkehrs nahezu emissionsfrei, und wir hätten nicht in den Jahren seit der Erfindung des Automobils allein in Deutschland bis zu 30 Tonnen Kohlendioxid in die Luft geblasen. Vielleicht wären Wasser-, Windkraft- und Solaranlagen heute durchgängig fähig, ihre überschüssige Energie durch die Gewinnung des energiereichen Gases aus Wasser zu speichern, statt sie einfach ungenutzt verpuffen zu lassen. Ganz gewiss wäre heute das wasserstoffbetriebene Fahrzeug günstiger als das Benzin- oder Dieselfahrzeug, und einen Sportwagen emissionsfrei zu fahren, würde von der Scham, die Umwelt damit zu schädigen, befreit sein. Selbst einen Begriff wie Flugscham würde man in dieser Welt umsonst im Duden suchen. Denn während in unserer das erste Wasserstoffflugzeug im Jahr 2016 testweise in Deutschland mit Erfolg abgehoben war – die Hy4 des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt –, wären in meiner Wasserstoffutopie Linienmaschinen unterwegs. Die gesamte Energiegewinnung würde sich auf Wasserstoff konzentrieren: Industrie, Haushalte, Handel und Gewerbe – sie alle würden nicht mit fossilen Brennstoffen arbeiten. Erneuerbare Energiequellen würden den nötigen Strom erzeugen, um Wasserstoff zu gewinnen, mit dem die Elektromotoren der Welt betrieben würden. Das würde zwangsläufig dazu führen, dass der Mensch in meiner Utopie nur den Kopf darüber schütteln würde, wie ineffizient die Elektromotoren und wie riesig die Akkus in unserer aus dessen Sicht dystopischen Spiegelwelt doch sind. In Saudi-Arabien würde kein Öl gefördert, sondern von Solarmodulen, soweit das Auge reicht, dominiert sein. Der Ruhrpott wäre nicht für seine kohlegeschwärzten Kumpels bekannt, sondern für die Rhein-Ruhr-Wassergas AG. „Hambi bleibt!“ wäre kein Slogan. Greta Thunberg hätte früher Abitur gemacht, denn das Wort Klimakrise würde in der Weltpolitik unbekannt sein. Ich selbst würde jährlich zahlreiche Fernreisen unternehmen – natürlich mit dem Flugzeug, und Eisbären in ihren unendlichen Jagdgründen beim Robbenfang zuschauen, derweil mein flotter Sportwagen ganz sexy in der Garage auf mich wartet.
Was mache ich stattdessen? Ich trauere der Videokassette nach, während ich bei 30 Grad in meinem Dachgeschoss Texte für Kolumnen schreibe.
Ist das mit dem Wasserstoff Satire oder so?
AntwortenLöschenAnsonsten: Wasserstoff gibts so nicht, er muss erst mit viel Energie hergestellt werden, jedenfalls v i e l mehr, als nachher beim Verbrauchen wieder nutzbar ist. Erdöl braucht halt nur bearbeitet zu werden - und zur Not brennts (unter Energieabgabe) auch so. Von daher ist der Ottomotor natürlich viel ökonomischer als ein Wasserstoff betriebener - erst mit dem was hinten rauskommt, kommt das Problem.