Die viertgrößte Nation: Hundland |
Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, der stets mehr Tieren als Menschen ein Heim war. Nicht anzahlmäßig, jedoch von der Gesamtmasse her waren Hunde die Majoritätshalter unter den nicht-menschlichen Wirbeltieren des Arnoldschen Hauses. Meine Mutter war und ist noch immer begeisterte Hundetrainerin. Ihre Begeisterung ging so weit, dass nicht selten der eine oder andere Hundename vorausging, wenn ich als Kind gerufen wurde. Meist kam der richtige, also mein eigener Name an dritter Stelle. Es sei denn natürlich, wir hatten zu diesem Zeitpunkt mehr als zwei Hunde. Ich liebe die Hunde meiner Mutter, die ich trotz Wissens um die tatsächlichen Zugehörigkeitsverhältnisse dennoch stets als unsere Hunde bezeichne. Besuche ich mein Elternhaus, überschlagen sich die beiden Hündinnen vor Freude, und auch mich erfüllt es, sie sodann so lange zu knuddeln, bis sie meiner überdrüssig sind. Dieser Zeitpunkt ist meist gekommen, sobald ihnen meine Mutter ein Mohrrübchen zu knabbern gegeben hat. Für die Skeptiker unter den Leserinnen und Lesern: Nein, ihre Freude ist kein Pawlowscher Reflex auf die Erwartung eines Snacks, es ist Liebe!
Weltweit gibt es knapp unter 300 Millionen Haushunde – 9,4 Millionen allein in Deutschland. Gäbe man ihnen ein eigenes Land, wäre Hundland nach den USA das viertbevölkerungsstärkste der Welt, und wie auch dort äßen alle Hundländer täglich Fleisch mit entsprechenden Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Reizthema! Hundefreunde und vermutlich auch meine Mutter, von der ich weiß, dass sie meine Kolumne liest, rufen jetzt vermutlich: „Was erlaubt der Arnold sich? Hunde sind Fleischfresser! Tierquälerei!“ Zugegeben, meine Mutter riefe nicht Arnold, sondern Andreas, aber zuvor zwei Hundenamen, dennoch wäre die Entgegnung inhaltlich vermutlich sehr ähnlich. Es ist jedoch ein naturalistischer Fehlschluss, dass die Ernährung unserer Vorfahren, also etwa der des Wolfes beim Hund und der von Ötzi beim Menschen, die beste für uns Haushunde und -menschen sei. Die carnivoren Hundejahre sind ebenso vorbei wie das Leben eines Höhlenmenschen für uns. Gut 15.000 Jahre mag es her sein, seit die Domestizierung ihren Anfang genommen hatte. Hunde begannen von dem zu leben, was Menschen ihnen übriggelassen hatten. Mit dem Übergang von Jägern und Sammlern zu sesshafen Ackerbauern haben sich zudem zahlreiche genetische Veränderungen im Laufe der Generationen ergeben, die die neue Nahrung mit jeder evolutionären Entwicklung immer besser nutzbar gemacht hatten – für Mensch und Hund. Heute können beide problemfrei ohne Fleisch artgerecht ernährt werden, denn beide sind omnivor, können pflanzliche und tierische Lebensmittel gleichermaßen gut verdauen. Einer gut geplanten veganen Ernährung steht weder beim Menschen noch beim Hund etwas entgegen.
Die Tierschutzorganisation PETA hatte im Jahr 2013 in einer Längsschnittstudie insgesamt 300 Hunde über ein Jahr hinweg untersucht. Eine geringere Anfälligkeit für Infektionskrankheiten, Krebserkrankungen und Schilddrüsenunterfunktionen bei vegan ernährten Hunden war festzustellen. Natürlich gab es auch beachtenswerte Punkte. Bei manchen Tieren scheint beispielsweise eine Zufütterung mit L-Carnitin und Taurin sinnvoll. Wie jede Ernährung ist auch die vegane nicht frei von Hürden – weder beim Menschen noch beim Hund. Aber sie ist möglich, ganz und gar nicht unnatürlich und trägt, wenn mangelfrei geplant, offenbar zur Gesunderhaltung bei. Heute Abend besuche ich meine Hunde wieder. Vielleicht bringe ich Möhrchen mit.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen