Klimakiller Heizpilz |
Im Januar des Jahres hatte ich gelesen, dass der Frankfurter Magistrat die Nutzung von Heizpilzen in der Gastronomie untersagen will. Ich hatte mir das extra notiert, um meine Gedanken dazu in der Kolumne zu vertiefen und bereits vorrecherchiert. Ein Gas-Heizpilz mit durchschnittlicher Leistung verursacht zwei bis drei Kilogramm CO2 pro Stunde, ein elektrisch betriebener bis zum Vierfachen dessen. Bei einer angenommenen täglichen Nutzung über zwölf Stunden auf insgesamt vier kalte Monate entspräche das dem CO2-Ausstoß eines mittelalten PKW einer Laufleistung von 20.000 Kilometern – selbst wenn Montag Ruhetag wäre.
Ich finde das erschreckend, wenn man bedenkt, dass der Heizpilz in der Gastronomie des Rhein-Main-Gebiets zum Standard wurde, als vor 13 Jahren das hessische Rauchverbot in Kraft trat. Das ist dreifach tragisch. Die Gastronomen wollten die Raucher verständlicherweise nicht an die kleinen Lokale verlieren, in denen noch geraucht werden darf, erhöhen dadurch ihre Ausgaben – ein Heizpilz mit 12 Kilowatt verbraucht stündlich zirka 1.000 Gramm Gas; bei unserem Rechenbeispiel kommen da jährlich über 1.800 Euro Kosten zusammen –, schädigen als Nebeneffekt die Umwelt und erschweren ungewollt genau das, was mit dem Nichtraucherschutzgesetz auch erreicht werden kann: Menschen vom Rauchen abzubringen. Erfreulicherweise hat das insbesondere die regelmäßig erhöhte Tabaksteuer nicht abhalten können, den gewünschten Effekt zu erreichen. Gut 14 Milliarden Euro Steuereinnahmen durch Raucher stehen jedoch 80 Milliarden direkten und indirekten Kosten des Gesundheitssystems gegenüber, wie eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums 2015 vorgerechnet hatte. Heute kostet eine Schachtel mit 20 Zigaretten sieben Euro, gut 29 müsste sie kosten, wenn die verursachten Schäden ausgeglichen werden sollen. Aber ich schweife ab. Zurück zum Heizpilz.
Als die Corona-Pandemie begann, geriet nicht nur mein Thema für die Kolumne, sondern auch der Plan zur Verbannung von Heizpilzen in der Gastronomie in den Hintergrund und die Eindämmung der Virusverbreitung rückte in den Fokus. Kürzlich stellte das Ordnungsdezernat klar, dass die Nutzung zur Unterstützung der Gastronomie auch weiter erlaubt bliebe. In Städten wie Nürnberg, Tübingen und Hannover war die Nutzung von Heizpilzen untersagt, in anderen wie München und Berlin galten zumindest Beschränkungen. Nürnberg hat das Verbot inzwischen ausgesetzt, und auch in den anderen Städten wird darüber diskutiert.
Am Montag plane ich auf der Zeil zum Mittagessen zu gehen. Maskiert werde ich zum Restaurant gehen und im Freien sitzen, um möglichst wenig Aerosolen ausgesetzt zu sein. Welche Möglichkeiten hat eine Gastronomin oder ein Gastronom, mir den Aufenthalt möglichst warm zu machen? Eine Decke? Sie würde nach meiner Nutzung, um dem Hygienekonzept Folge zu leisten, keinem weiteren Gast gegeben werden können, sondern müsste gewaschen werden. Sicher keine Alternative in Anbetracht des Verbrauchs einer Waschmaschine. Also bleibt nur der Heizpilz, denn wer friert schon gerne. Wir sind in einer Ausnahmesituation. Wir müssen es der Gastronomie ermöglichen, trotz durch die Abstandsregelung verringerter Zahl an Plätzen ein Einkommen zu generieren, das die Betreiber vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch rettet. Gut eine halbe Million Menschen sind in Deutschland in der Gastronomie beschäftigt. Gingen zwanzig Prozent von ihnen in die Arbeitslosigkeit kostete das den Staat 1,2 Milliarden Euro im Jahr, vom durchschnittlichen Arbeitslosengeld von eintausend Euro monatlich ausgehend. Diese Summe beispielsweise bei https://www.iplantatree.org/ in das Pflanzen von Bäumen investiert, entspräche über 400 Millionen Bäumen. Was will ich damit sagen? Sollte ich Montag unter einem Heizpilz sitzen, lasse ich anderenorts einen Baum pflanzen. Die drei Euro sind mir der Gastronom und die Umwelt mindestens wert.
Bildrechte: Urban Explorer Hamburg - Heizpilz am Waldesrand auf flickr, CC BY 2.0