Mit weit geöffneten Augen liege ich auf der Couch der runtergekommenen Bude, die sich mein Büro nennt. In meinem Körper ein Gefühl als würden Ameisenarmeen meine Magenwände rauf und runter schwadronieren. Sollen sie nur. Doch mein Mund ist so trocken, dass ich die Sahara auslecken könnte, ohne durstiger zu werden. Neben mir eine Flasche Jack. Was sonst? Ich greife ihren Hals und schnippe lässig den Deckel vom Verschluss. Er segelt wie eine Frisbee durch den Raum und landet bei den anderen Deckeln auf dem Boden. Ich setze die Pulle an und lasse das rauchige Destillat meinen Hals hinunterströmen. Die Hälfte läuft an meinen
unrasierten Wangen entlang und vermischt sich mit den anderen Flecken meiner Besuchercouch zu einem Muster, das vermutlich selbst Kandinski zum Schwärmen gebracht hätte. In meinem Bauch kommt es zu einer mittleren Katastrophe. Ich höre noch den einen oder anderen Ameisengeneral Kommandos brüllen. Dann ist Ruhe. Der Whiskey ist wie eine lodernde Sintflut über sie gekommen. Das verschafft mir etwas Zeit, den Weg zu diesem Ungetüm von Kühlschrank zu wagen, der, laut brummend, in meinem Büro steht. Es ist drückend heiß. Ich wische meinen Tennessee-Whiskey-getränkten Dreitagebart mit meinem schweißnassen Handrücken sauber und setze mich auf. Mein Gehirn ist so schwer wie eine Schüssel voll Polenta und dreht sich wieder zur Seite, kaum dass ich sitze. Ich folge ihm gehorsam und lande wieder im Kopfkissen. Mitten in der feuchten Stelle. Das Pech habe ich immer.
unrasierten Wangen entlang und vermischt sich mit den anderen Flecken meiner Besuchercouch zu einem Muster, das vermutlich selbst Kandinski zum Schwärmen gebracht hätte. In meinem Bauch kommt es zu einer mittleren Katastrophe. Ich höre noch den einen oder anderen Ameisengeneral Kommandos brüllen. Dann ist Ruhe. Der Whiskey ist wie eine lodernde Sintflut über sie gekommen. Das verschafft mir etwas Zeit, den Weg zu diesem Ungetüm von Kühlschrank zu wagen, der, laut brummend, in meinem Büro steht. Es ist drückend heiß. Ich wische meinen Tennessee-Whiskey-getränkten Dreitagebart mit meinem schweißnassen Handrücken sauber und setze mich auf. Mein Gehirn ist so schwer wie eine Schüssel voll Polenta und dreht sich wieder zur Seite, kaum dass ich sitze. Ich folge ihm gehorsam und lande wieder im Kopfkissen. Mitten in der feuchten Stelle. Das Pech habe ich immer.
Nachdem ich es dann doch geschafft habe, die Schritte zum Kühlschrank hinter mich zu bringen, frühstücke ich. Mein Frühstück begrüßt mich mit einem freundlichen Zischen und schäumt mir entgegen. Ich lehre die Dose Bud mit zwei großen Schlucken und halte sie anschließend an meine heiße Stirn. Die Polenta wandelt sich langsam zu etwas breiigerem und weniger schwerem. Ich stelle den Kühlschrank auf die höchste Stufe und lasse die Tür auf. Die Klimaanlage ist wieder mal kaputt. Jemand klopft an der Tür, an der „Jack Eagle - Private Investigations“ steht. Durch das eingesetzte Milchglas zeichnet sich die Silhouette einer blonden Schönheit ab. Jedenfalls hätte ich gerne, dass sie blond ist. Ich kämme mir mit den Fingern rasch meine grauer und lichter werdenden Haare nach hinten, überprüfe meinen Atem mit dem bekannten Hauch in die hohle Hand - eine mehr hoffnungs- als aussichtsvolle Geste, denn von meinem Atem könnte ich eine vollgestopfte Bahhofsmission voller Landstreicher über den Winter bringen - und stolpere hinter meinen Schreibtisch. Auf dem Weg dorthin schnicke ich einen Großteil der Jack Daniel‘s Deckel unter den alten Läufer, der auf dem Holzparkett vor meinem Schreibtisch liegt. Ich lehne mich lässig in meinen großen Bürostuhl, packe meine Füße auf den Schreibtisch, zünde mir eine Laramie an und, gerade als die Lady sich abwendet, rufe ich: „Ja, bitte! Es ist offen.“ Meine Stimme klingt dunkel und rauchig. Wie immer kurz nach dem Frühstück. Die Tür öffnet sich, und mir verschlägt es den Atem. Blondes, leicht gewelltes Haar. Blaue Augen, die zu sagen scheinen: „Hey, hier bin ich!“ und einen Mann nie wieder wegschauen lassen. Und ein Körper für den ich morden würde. Sie tritt mit schwingenden Hüften ein und lässt mich dabei keine Sekunde aus den Augen. Mit einem Knirschen bleibt sie auf dem Läufer stehen und schaut sich mit hochgezogenen Augenbrauen in meinem Büro um. Das Kühlschranklicht lässt die Lady wie ein Model in einem dieser Kunstfotografiebände erscheinen. Nicht, dass ich je einen besessen hätte, doch den würde ich ganz bestimmt kaufen. Und zwar alle Auflagen.
„Und Sie sollen der Beste sein?“, sagt die Schönheit und fängt mich wieder mit ihren traumhaften Augen ein.
„Wer auch immer Ihnen das gesagt hat, Lady. Er hat recht“, sage ich, nehme die Beine etwas ungeschickter als beabsichtigt vom Tisch und reiche ihr meine Hand.
„Jack Eagle. Privatdetektiv“, stelle ich mich vor und komme mir im gleichen Moment noch ungeschickter vor. Ihre schwarz behandschuhte Hand bleibt mir verwehrt. Wortlos legt sie einen braunen Umschlag zwischen die zwei Pizzadeckel und den vollen Aschenbecher, die einen Großteil meines Arbeitsplatzes bedecken, nickt mir zu und verlässt mein Büro. Der Umschlag segelt auf eine Spur Olivenöl, der die Pizzadeckel zu einer nahrhaften Verpackung gemacht hatten, auf den Boden. Ich bleibe mit ausgestrecktem Arm stehen und komme mir vor wie ein Schuljunge, dem man sein Pausenbrot weggenommen hat. Ich wische meine Hand an meinem zerknitterten Trenchcoat trocken, hebe den Umschlag auf und lege ihn auf eine ölfreie Stelle zurück. Er wirkt auf meinem Desk wie ein Diamant in einem Kohlefeld. Auf ihm klitzert eine Büroklammer mit einer Visitenkarte. Miss Juniper Eleonore Vanderbilt, Kunstsachverständige, Vanderbilt Museum of Arts, 555-583484. Ich schaue durch die Lamellen meiner Fensterjalousie und sehe die junge Miss Vanderbilt in einem schwarzen 62er Cadi Cabrio davon fahren. Der Lack glänzt in der Mittagssonne und ihr Haar weht im Wind einen letzten Gruß. Mein Herz trommelt, als jamme ein Jazz-Drummer auf Koks mit Balu, dem Bären, um die Wette, und auch die Ameisengeneräle formieren ihre Truppen neu. Ihr Gesicht will einfach nicht mehr aus meinen Augen verschwinden. Ich bin immer noch im Bann ihrer tiefen blauen Augen. Grinsend wie ein Unterzuckerter in einem Honigtopf lasse ich mich in den Sessel zurück fallen und öffne den Umschlag. Jack ist back on stage, ladies and gentleman.
Kapitel II
Kapitel II
Oh, wie bin ich gespannt, mehr davon zu lesen! Spannender Anfang, passendes Setting und ein genremäßig wahnsinnig guter Stil. Voller Stereotype und das auf die bestdenkliche Weise.
AntwortenLöschenEinzig "Speichel des Sofakissens" ist mir als unpassend aufgefallen. Aber das hat den Lesegenuß nicht im geringsten geschmählert. Mehr davon bitte =)
Hallo, liebe Citara,
AntwortenLöschendanke für diesen tollen ersten Kommentar. Genau das war, was ich erreichen wollte: Eine Film-Noir-Atmosphäre, die sich aller Klischees bedienen darf, ohne sich zu schämen.
Und vielen Dank besonders für den Speichel-Hinweis. Nach nochmaligem Lesen - mit ein paar Stunden Abstand - empfand ich es als nicht verständlich genug, und es hatte mich tatsächlich auch etwas aus der Szenerie zu bringen vermocht. Was denkst du über die jetzige Form?
Lieben Gruß,
der Lichtträger
Vermutlich lag es einfach an dem nicht passenden Grammatikbezug, denn eigentlich hat man ja verstanden, was du meinst. Deine neue Fassung allerdings ist sogar noch besser.
AntwortenLöschenDie Atmosphäre hat mich wirklich gefangen genommen. Ich weiß, die Textlänge (im Sinne von Kürze) ist dem Medium geschuldet, dennoch würde ich mich über längere Parts freuen.
Hah, sehr schön, Herr Lichtträger. Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht, was sich in dem Umschlag befindet, und ob er wirklich der Beste ist, wie er - und der Empfehlende - behauptet. ;)
AntwortenLöschenund dann???? jetzt bin ich neugierig und will die Fortsetzung!! :)
AntwortenLöschenhallo erzengel,
AntwortenLöschenich mag noir, ein detektiv als held, trenchcoats, hüte, zigaretten, whisky, eine femme fatale...
sehe das alles bildlich in s/w vor mir und muss an die vielen schönen noir filme denken.... 30er jahre, us- großstadt, prasselnder regen, korrupte polizisten...
herrlich... ich freu mich auf mehr!
lieben gruss
@Citara
AntwortenLöschenFreut mich, dass dir die zweite Version sogar noch besser gefällt. Und die Länge, tja, du kennst ja meine Meinung, doch ich gebe mir Mühe ;-)
@Meise
Ja, liebe Frau Meise, gespannt dürfen Sie sehr wohl sein, sollen sie auch. Ich wäre enttäuscht, wären Sie es nicht ;-)
@Juli
Nicht immer bekommt man was man will. In diesem Fall jedoch ganz bestimmt, liebe Juli ;-)
@joal
Ja, all die abgewrackten Anti-Helden - versoffen, verlebt - die es dann doch irgendwie - durch pure und ehrliche Authentizität vermutlich - schaffen, alle Herzen zu gewinnen und ganz nebenbei den Fall, mit ein paar gebrochenen Nasen und dem einen oder anderen gebrochenen Herzen zu lösen. Ich freue mich schon, weiter zu schreiben. Schön, deinen Kommentar zu lesen. Don't forget to follow my tweet ^^
Es grüßt
der Lichtträger
So, nun habe ich die Zeit gefunden, um den ersten Teil deiner story zu lesen - von der ich bereits wusste, dass es richtig wäre, sie erst dann zu lesen, wenn ich die angemessene Zeit dazu finden würde.
AntwortenLöschenErinnert mich an crime time kurz Mitternacht im Radio - und jetzt will ich natürlich mehr wissen: Was will die Lady? Wie wird es dem versoffenen und abgewrackten Jack Eagle gelingen, sie am Ende doch noch für sich einzunehmen? Und wann, wo und wie werden sie miteinander im Bett landen? Oder meinetwegen auf Eagles Schreibtisch? Also, ich reihe mich ein in die Warteschlange deiner noir Leser, lieber Lichtträger, schon gespannt auf den zweiten Teil der crime time!
Vielen, vielen Dank. Und, oh, ja, ich freue mich schon, Jack weiter Leben einzuhauchen ... und Franceso, und dem Marquis, und Magnus ;-)
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