Einen Tag vor dem Slam sah ich erst, dass tatsächlich noch ein Platz frei war. Nach anfänglichem Zögern, ob ich so kurz nach dem ersten Slam mit noch so frischen Eindrücken gleich am nächsten teilnehmen sollte, überzeugte mich meine Freundin teilzunehmen. Dafür musste ich ihre Einladung zu ihrem „Home made and finger licking good“-Abendessen am selben Abend ausschlagen. Das tat mir so leid. Danke für dein Verständnis. Du bist die Beste.
Um 18:00 Uhr sollten sich die Slammer beim Sommerwerftfestival im Beduinenzelt einfinden. Da meine beiden Supporter, die mich zum Slam begleiteten – danke Flo und Hagen für dir Spontanität -, und ich bis dahin gerade erst mit unseren Burgern im Yours in der Schillerpassage fertig geworden waren, kam ich eine Viertel Stunde später, aber nicht zu spät.
Im Backstage-Zelt traf ich dann auch gleich meine Mit-Slammerin vom Freitag, Julia Balzer, wieder, mit der ich mich bis zum Start um sieben prächtig unterhielt. Die Atmosphäre auf dem Sommerwerftfestival war grandios. Alles sehr familiär und man fühlte sich im Beduinenzelt tatsächlich wie ein solcher. Pünktlich um sieben ging es los. Mit gut 150 Leuten im Publikum und nur dreien darunter, die mich kannten – schön, dass du auch dabei warst, Kris – war es in jeder Hinsicht eine Herausforderung. Fünf Leute im Publikum wurden zu Juroren erwählt und konnten je 0-10 Punkte für die Slammer vergeben. Die Null-Wertung gab es bei meinem ersten Slam am Freitag nicht und wurde von Dirk, der neben Jürgen durch den Abend moderierte, wie folgt belegt: „Null Punkte heißt: Hätte besser nicht auf die Bühne gehen sollen!“ Zum Glück sollte sie den Abend nicht vergeben werden. Es wurde in zwei Vorrunden angetreten. Die Zweitplatzierten der Vorrunden sollten im kleinen Finale um den Dritten und die Erstplatzierten im großen Finale um den ersten Platz slammen. Wie üblich würde dann der Publikumapplaus den Sieger bestimmen. Es sollte in vielerlei Hinsicht anders kommen.
In der ersten Runde traten Peter P. Peters, Sandra Stelzenmüller, Julia und Tilman Döring an, in der zweiten Runde Odin Stiura, Carsten Nagels, dann ich und zuletzt Peter Brylka. Peter startete den Slam mit einem Vortrag, dessen Wörter nur den Buchstaben U enthielten. Das Publikum reagierte etwas verhalten und bewertete in den Zwanzigern. Dann kam Sandra mit einem ebenso kurzen wie schönen Gedicht, auf das das Publikum überrascht und ebenso verhalten reagierte. Die Bewertung lag auch in den Zwanzigern, so dass unter den Teilnehmern erstes Staunen zu vernehmen war, wie kritisch das Publikum doch sei. Julia startete anschließend mit dem gleichen Text wie Freitag und ließ das Publikum das erste Mal des Abends vor Begeisterung aufbrausen, was mich sehr freute. Zu Recht startet sie beim Hessenslam in Eschwege für Frankfurt. 46 Punkte wurden ihr zugemessen. Dann kam Tilman mit einem ebenfalls frei und sehr routiniert vorgetragenen Text, bei dem ich echt ein paar Mal Tränen lachen musste. Leider weiß ich nicht mehr, um was es ging. Dafür waren es einfach zu viele Eindrücke an diesem Abend. Jedenfalls bekam auch Tilmann verdienten Riesenapplaus und ebenfalls 46 Punkte, so dass es schon in der ersten Vorrunde zu einem Applausentscheid kommen sollte. Sollte … denn das Publikum verweigerte sich, für einen von beiden auch nur einen Klatscher weniger auf die Bühne zu schleudern. Nach mehreren Versuchen gaben Dirk und Jürgen auf und entschieden kurzweg, das Finale an die neuen Bedingungen anzupassen. Julia und Tilman würden im großen Finale auf den Sieger der zweiten Vorrunde stoßen und das kleine Finale damit um den vierten Platz ausgetragen.
Die zweite Vorrunde startete Odin. Er schraubte das Mikro ganz nach unten und hockte sich im Schneidersitz auf die Bühne. Die Idee hatten Odin, Sandra, Julia und ich, die wir von Anfang an hinten links auf der Bühne saßen, und Odin machte es dann tatsächlich. Sehr cool, Odin. Sein Text war klasse performt, kam aber leider nicht so an. Carsten versuchte sich mit Aphorismen auf der Bühne, etwas das, wie Dirk später sagte, selten bei Slams klappt, doch viele waren richtig gut, so dass Carsten nicht schlechter als die anderen bewertet wurden. Im Anschluss kam ich wieder mit meinem Text „Auf den Spuren Descartes“ und traf wohl den Publikumsgeschmack. Mit 42 Punkten kam ich ins große Finale. Danke, Publikum. Ich merkte aber auch, dass meine Textsicherheit im Vergleich zum Freitag größer war. Ich sprach langsamer, betonte besser und konnte die Pointen besser zur Geltung bringen. Es war also die richtige Entscheidung, so kurz nach dem ersten Slam gleich wieder anzutreten. Den letzten Vortrag hatte Peter Brylka alias Ivan, der seinen polnischen Akzent zum russischen wandelte und gekonnt mit Klischees über Russen und Russlanddeutsche jonglierte, ohne dabei rassistisch zu wirken. Es war sehr authentisch, und die Mischung aus Lachen und nachdenklich Werden war gut gelungen, weshalb Peter auch ins kleine Finale gevotet wurde. Und das obwohl er erst kurz vor seinem Auftritt den Weg von Mannheim zu uns geschafft hatte und während seines Auftritts das Mikro ausgefallen war.
Im Anschluss wurde eine viertel Stunde pausiert. Zum Finale füllte sich das Zelt bis zum Bersten. Jetzt waren gut 200 Leute im Zelt. Und mit diesen kam auch eine vierte hinzu, die mich kannte. Sehr schön, Hannah. War schön, dich überraschend mal wieder zu sehen. Im kleinen Finale traten die beiden Peters gegeneinander an. Peter P. Peters trug diesmal einen Text vor, der mittels Wörtern, die nur das Diphthong AU enthielten, eine komplette Beziehungsgeschichte erzählte. Das war sehr beeindruckend. Peter aka Ivan setze seinen ersten Vortrag fort, wurde aber deutlich sozial-kritischer und sprach auch Themen an, die ich in meinem Text „Windkrafträder“ anprangern wollte. Der Vortrag gefiel mir ebenfalls sehr gut, und ließ mich leider schwanken, ob ich nicht einen anderen Text als Finaltext nehmen sollte. Ich hatte ja noch zwei im Gepäck. Das Publikum entschied sich für Peter P. Peters, der damit den vierten Platz belegt.
Das Finale ist schnell erzählt. Julia und Tilman mit zwei frei vorgetragenen, sensationellen Texten. Der eine philosophisch und gefühlvoll, der andere humoristisch und energisch. Ich trat als letztes dann doch mit meinem Text „Windkrafträder“ an. Auch hier empfand ich meine Vortragsweise als deutlich besser als noch am Freitag. Mein Vortrag konnte überraschenderweise mithalten, was ich in Anbetracht der Erfahrung meiner beiden Mitfinalisten nicht geglaubt hatte. Auch nach mehreren Versuchen wollte sich das Publikum nicht für einen von uns entscheiden, so dass Dirk und Jürgen drei erste Plätze vergaben. Wow, das hätte ich nie gedacht. Danke, Dirk, danke, Jürgen, und nochmals vielen, vielen Dank, Publikum. Ihr ward richtig mit uns …
So, bei all dem Erfolg will ich den Text aber nun auch kennen *maul* =)
AntwortenLöschenDein Text und die Bilder bringen etwas von der Atmosphäre des Slams rüber, schön. Und zum Erfolg kann ich nur gratulkieren!
AntwortenLöschenZum Text-Kennenlernen bleibt derzeit nur, einen Slam zu besuchen, an dem ich teilnehme ;-)
AntwortenLöschenIst allerdings derzeit keiner geplant :-( Das Theater vereinnahmt mich jetzt wieder etwas mehr.
Freut mich, lieber mkh, das ich ein bisschen von der Atmosphäre rüber bringen konnte. Und vielen Dank für die Gratulkation ;-) (schönes Wort übrigens)
Keine Urksache! ;-)
AntwortenLöschenSo ein Abräumer wie du bist, weiß ich gar nicht, ob ich noch mit dir auf der Bühne stehen möchte.
AntwortenLöschenIch gratuliere dir natürlich zu diesem zweiten Erfolg. Vorallem aber auc dazu, das es so eine schöne Veranstaltung war.
So was belohnt einen für die Schreiberei.
Ach, Jay, den nächsten verliere ich absichtlich, um unsere Zusammenkunft nicht zu gefährden (Verdammt, was für ein cleverer Schachzug, in jeder Hinsicht).
AntwortenLöschenDer Applaus ist des Künstlers Lohn ... Danke :-))