Freitag, 12. August 2011

Stumm vor deinem Grabe

Ich stehe stumm vor deinem Grabe.
Dein Leib wird leis hinabgesenkt.
Was mir bleibt, was ich noch habe,
seit du genommen, kaum geschenkt,

ist schnell gesagt und schon erlitten:
Ich bin allein in dieser Welt
und muss den Weg, den wir beschritten,
die Felder, die durch uns bestellt,

nun einsam und allein beschreiten,
denn du, die stets die Hand mir hielt,
du wirst mich niemals mehr begleiten
und, wenn das Schicksal auf mich zielt,

mir Schutz und Rat und Hoffnung geben.
Ich stehe stumm vor deinem Grab
und wünsche mir, dass sich das Leben,
das ich nun zu erleiden hab,

hier und jetzt und rasch beenden mag. 
Ich stürbe sonst nicht schnell genug,
stürb nur ein Bisschen - Tag für Tag
und litt zu lange den Betrug,

dass diese Welt dich mir versprochen,
und doch so schnell genommen hat.
Lass mir, im Wall aus Erd verkrochen,
geteilt sein deine Ruhestatt,

denn hier will ich getrost verweilen,
bis du, wenn Ende dieser Welt
die Toten ihres Grabs enteilen,
mir wieder bist zur Seit gestellt.


7 Kommentare:

  1. Ein sprachlich sehr schönes und ihnhaltlich sehr bedrückendes Gedicht. Aber es gefällt mir.
    Was bedeuten denn die unterstrichenen Wörter?

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  2. Das freut mich sehr. Ich empfinde es als eines meiner gelungensten bislang. Danke.

    Die unterstrichenen Wörter sind eine Hilfe, um auf Anhieb die gewünschte Betonung zu finden. Was unterstrichen ist, wird betont gelesen.

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  3. Die Zeile "... denn du, der stets die Hand mir hielt ..." bringt mich bei der Interpretation auf die Fährte, dass es sich bei dem (fiktiv oder real) Verstorbenen um einen männlichen Nahestehenden handelt. Da ich aus deinen anderen Posts lese, dass du wohl nicht die gleichgeschlechtliche Bindung bevorzugst, muss ich fragen: Ist das so gedacht, oder sollte es besser "die mir ..." lauten?

    Eine derartige Weltabkehr nach dem tragischen Tode eines geliebten Menschen ist, aus der Ferne betrachtet, schwer vorstellbar. Und doch, wenn ich mich tiefer einfühle, so könnte ich mir diese brutalst denkbare Trauer für den "Fall" ausmalen, dass ich die Liebe, die mich mit diesem Menschen verbindet, als einzigartig empfände, als vollkommen unersetzlich.

    Auch der Verlust eines Kindes oder gar mehrerer Kinder kann sich schrecklich auswirken.

    Es muss wohl eine ungeheure Entwicklung sein, bei einem derart tiefgreifenden Todeserlebnis, wie du es anklingen lässt, überhaupt wieder ins Leben zurückzufinden.

    Ein Glaube, sei es eine der Weltreligionen oder ein spirituelles Empfinden, kann sicher sehr dabei helfen, den Überlebenswillen zu stärken, wieder zu Tatkraft zu finden, verbunden mit der Perspektive auf ein nicht-irdisches Weiterleben, eine Reinkarnation o.ä.

    Dein Vortrag erscheint mir eher berichtartig und kommt - für mein Empfinden - der Tiefe des erschütternden Trauergefühls nicht so ganz nahe. Vielleicht aber auch bewusst von dir so gewählt, so wie man im Leben manchmal das, was erschüttern kann, auf eine sachliche Ebene bringt, wenn man darüber spricht, weil man die Tiefe des Schmerzes ohnehin nicht "besprechen" kann. Dennoch würde mir ein Vortrag, der den unglaublichen Verlust und den Schmerz darüber spiegelt, besser gefallen, um ehrlich zu sein

    Der Text ist sehr gut gelungen - und scheint mir tief empfunden.

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  4. Ich hatte Anfangs des Gedichts eine andere Person im Kopf als es später werden sollte. Nunmehr erkenne ich, dass ich es dahingehend noch etwas überarbeiten muss. Anfangs dachte ich an eine Liebe, intensiv und tief, die der Tod dem LI nahm, später dachte ich an den Vater, der dem LI viel zu früh entrissen wurde. Ich überarbeite in Kürze und entscheide mich. Es ist widersprüchlich, wie ich jetzt erkennen muss.
    Technisch empfinde ich es aber als nahezu perfekt ;-)

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  5. So, ich habe mich nun für die erste Variante entschieden. Jetzt muss ich allerdings auch die Vertonung aktualisieren. Dann kommt mein Mikroständer, den ich mir Samstag gekauft hatte, auch endlich zu seinem ersten Einsatz ;-)

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  6. Technisch ein wunderbares Gedicht, ich bin grade per Zufall darauf gestoßen und bin recht deutlich beeindruckt.
    Ich bin aber auch über die gehaltene Hand gestolpert, und obwohl ich mir unsicher bin, wage ich mal zu posten was mir durch den Kopf geht. "du, die stets die Hand mir hielt" - müsste es grammatikalisch korrekt nicht hieltst / hieltest heißen? ich hielt, du hieltst, er sie es hielt? Kann ja auch künstlerische Freiheit sein, oder mein verniederländischtes Sprachempfinden, aber irgendwie bin ich an dieser Stelle arg gestolpert ...
    Von dem Stolperer abgesehen, wie gesagt, ein stilistisch/ technisch sehr gutes Gedicht!

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  7. Vielen lieben Dank für den schönen Kommentar. Das freut mich sehr. Du hast natürlich recht, dass es korrekt "hieltest" heißen müsste. Es ist schlicht dem Reim geschuldet. Ich gehe nochmal in mich. Vielleicht finde ich eine Lösung. Danke.

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