Donnerstag, 5. Oktober 2017
¡Ay, ay, ay, no me gusta!
Das sagt der Bienenmann in der Zeichentrickserie “The Simpsons”, und ich muss ihm zustimmen. Ich weiß zwar nicht, ob es dasselbe ist, was ihm nicht gefällt, aber wenn ich Ziel und Wirkung des Bepflanzens meiner Dachterrasse vergleiche, kann ich nur zum selben Ergebnis kommen wie er. Ich hatte mir eine Schmetterlingswiese-Saat-Mischung geholt, zwei wundervolle Lavendel hatte ich in Töpfen zu herrlicher Pracht gebracht. Ich saß den gesamten Sommer in einem Meer unzähliger bunter Blüten und wartete. Ich warte und warte, las noch einmal auf der Rückseite der Saatgut-Verpackung: „Schmetterlingswiese“. Ich hatte mich nicht verlesen. Mein Blick schwenkte unzählige Male zum Lavendel. Bald wurde ich auch mit ihm skeptisch und prüfte im Gartenbuch nach. Ja, auch da stand: „Zieht Schmetterlinge und Bienen an“. Vielleicht, dachte ich mir, ist der Weg zu weit. Immerhin wohne ich ja mitten in Friedberg. Bestimmt sind die Schmetterlinge und Bienen Berufspendler. Wer kann sich denn als Arbeiterbiene überhaupt noch bezahlbaren und angemessenen Wohnraum in der Stadt leisten!, dachte ich mir. Bestimmt wohnen die am Ortsrand, und ein Pendeln zwischen dort und hier ist unwirtschaftlich. Immerhin wollen die ja auch mal Feierabend haben und zuhause die neuen Folgen der Biene Maya schauen. Also habe ich ein Insektenhotel angebracht. Mietfrei sogar! Ich möchte mich ja nicht an ihnen bereichern, und eine Gentrifizierung möchte ich tunlichst vermeiden. Das passiert anderenorts oft genug. Ich wartete erneut. Dann kamen sie. Schwarz-Gelb gestreift ließen sie sich zu Hauf auf dem Lavendel nieder: Wespen! Ich schaute wieder in mein Gartenbuch. „Lavendel hält Wespen fern“, steht da. Ich hielt die betreffende Seite den Wespen entgegen. Eine sah ich mit den Schultern zucken. Ein paar Hummeln flogen vorbei, nickten mir zu und schienen sich gestisch für die ungebildeten Wespen zu entschuldigen, bevor auch sie sich über die Blüten hermachten. Von Schmetterlingen und Bienen war weiter nichts zu sehen. „Jetzt komm schon, Willi!“, wünschte ich mir, Biene Maya sprechen zu hören. Der Sommer ist jetzt endgültig zuende. Statt der Bienen wohnen Wespen im Hotel. Immerhin! Warum das so ist, steht leider fest. Eine Forschergruppe am Zentrum für Ökologie und Hydrologie im britischen Wallingford hat bereits im letzten Jahr den Zusammenhang zwischen Neonikontinoiden, also einem Pestizid, und dem Wildbienensterben festgestellt. Dass es inzwischen so weit gekommen ist, fiel mir erst diesen Sommer richtig auf. Irgendwie sehne ich mich sogar der Zeiten zurück, als die Windschutzscheibe meines Autos ein Insektenfriedhof war. Immerhin bedeutete das, dass es welche in der Luft gegeben hatte. Geplagt von Visionen – meinem Enkel werde ich erklären müssen, was eine Biene ist, nie wird er morgens mit Vogelgezwitscher erwachen können, denn ein Großteil der Populationen wird schlichtweg nicht mehr genug Nahrung finden, und als Erwachsener wird er den Beruf des Blütenbestäubers annehmen müssen – suche ich nach Biene-Maja-Folgen im Internet und esse dabei ein Bio-Marmeladenbrot. Mehr aus ökologischem Landbau zu essen, ist der einzige Weg für uns. Ja, es ist etwas teurer. Viel teurer wird es jedoch für unsere noch ungeborenen Nachkommen, wenn wir es nicht tun. „In einem unbekannten Land…“, beginnt Karel Gott währenddessen zu trällern. Ich hoffe nicht, denke ich, und ein Schmetterling auf dem Weg zum Winterquartier fliegt an meinem Wohnzimmerfenster vorbei. Nicht die Bienen, die Hoffnung stirbt zuletzt.
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