Dienstag, 24. November 2020

Wir sind alle dumme Hunde

Wir sind alle dumme Hunde

Wie schnell fällt ein böses Wort: Dreckschwein! Blöde Kuh! Warum eigentlich Tiernamen? Würden Drecksmensch oder blöder Mensch nicht auch funktionieren? Der zu Beleidigende wäre dann aber noch immer gleich hoch auf der Darwin’schen Erfolgsleiter, das Tier in unseren Augen nicht. Also: „Dreckschwein!“ Dass dies nicht der Realität entspricht, stört wenig. Gibt man Schweinen ausreichend Platz, so richten sie sich sogar eine Toilettenecke ein. Sie können nicht minder stubenrein werden wie Katzen. Also „Blöde Kuh“? Jeder Landwirt kann bestätigen, dass Rinder nicht nur Hebel betätigen können, um Wasser in einen Trog laufen zu lassen, sondern auch Öffnungsmechanismen von Stalltüren recht schnell verstehen. Mehr noch: Im Journal „Animal Behavior and Cognition“ wurde 2017 das Paper „The Psychology of Cows“ veröffentlicht, das Rindern sogar „Heureka“-Momente bescheinigt, wenn kniffelige Aufgaben gelöst werden. Das ist alles andere als dumm. 

Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt, denken Sie jetzt vielleicht. Dieser Ausdruck ist übrigens einem Abenteuer Till Eulenspiegels entsprungen. Till hatte Arbeit bei einem Bierbrauer, dessen Hund den Namen "Hopf" trug. Als der Braumeister ihn anwies, sorgfältig den Hopfen zu sieden, landete der Hund in der Braupfanne. Eulenspiegel verlor daraufhin seinen Job und der Hund gewann die kurze Erkenntnis, dass er nicht gleichwertig ist. Dummer Hund? Würde eine wertschätzende Sprache zu einem veränderten Tierwert führen? Hier landen Schweine und Kühe in Pfannen. Würden wir sie besser behandeln oder den Konsum einschränken, wenn es die „schlaue Kuh“ oder das „saubere Schwein“ in unsere Sprache schaffen würden? Die Forschung im Bereich der gendergerechten Sprache legt das nahe. In der Studie „Yes I can! Effects of gender fair job descriptions on children’s perceptions of job status, job difficulty, and vocational self-efficacy“, veröffentlich 2015 im Journal Social Psychology, wurden Kindern überwiegend männlich konnotierte Berufsbezeichnungen wie Maurer, typisch weibliche wie Kosmetikerin und neutrale wie Sänger vorgestellt. Eine Gruppe wurde mit dem Maskulinum („Ärzte heilen Krankheiten“) konfrontiert, die andere mit der Paarform („Ärzte und Ärztinnen heilen Krankheiten“). Im Ergebnis trauten sich Mädchen die Berufe eher zu, die auch die weibliche Form benannt hatten. 

Dass Sprache nicht nur Unterschiede schafft, sondern auch Gewalt, legt eine weitere Studie nahe. In der 2011 in Public Library of Science (PLOS ONE) publizierten Studie „Metaphors We Think With: The Role of Metaphor in Reasoning“ wurden Probanden zwei Versionen eines Textes vorgelegt, in der das Kriminalitätsproblem einer fiktiven Stadt beschrieben wurde. Sie unterschieden sich nur darin, dass die Kriminalität in der einen als "wildes Tier" und in der anderen als "Virus" bezeichnet wurde. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten Vorschläge zur Verbrechensreduzierung machen. Die Wildes-Tier-Gruppe plädierte eher dafür, Verbrecher hartnäckig zu jagen und strengere Gesetze zu erlassen, die Virus-Gruppe mehr dafür, die Ursachen zu erforschen sowie Armut zu bekämpfen und Bildung zu verbessern. Erstaunlich ist, dass beide Gruppen die Kriminalstatistik als Grund für ihre Entscheidung anführten; die war jedoch in beiden Texten gleich hoch. Wenn Ihnen das nun spanisch vorkommt oder sie die Studien gar für getürkt halten, haben Sie, so hoffe ich, kaum ausgesprochen, erkannt, dass „dummer Hund“ nicht das einzige Problem unserer Sprache ist. Schwein gehabt!

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