„Wärst Du doch stets so liebevoll zu mir!“, sprach ich, während ich über die Klippen hinaus auf Meer schaute. So einen strahlend blauen Himmel hatte ich nur selten gesehen. Ein paar Möwen tanzten ihren Reigen mit einer leichten Brise. Die Sonne stand rotgelb über mir. Ansonsten durchbrach nichts das reine, unschuldige Blau in das der Himmel getaucht war.
Ich verschränkte meine Arme vor meinem Körper - ganz so als würde ich mich selbst umarmen - und ließ meinen Blick weit hinaus gegen den Horizont gleiten.
Der Wellengang war so gleichmäßig, so harmonisch, dass jeder wohl eine Träne darauf vergießen könnte. Die Wellen umflossen sanft die ersten Felsenausläufer des klippenbewehrten Eilands. Gicht schäumt die Felsenfinger hoch wie ein immer und immer wiederholter Liebesakt.
„Wie gerne wäre ich wieder in Deinem feuchten Schoß und ließe mich wiegen.“
Ich hörte das leichte Donnern, das Stöhnen der an den Klippen brandenden Wellen. Versöhnendes Wehklagen meiner Liebsten.
Es herrschte der gleiche Seegang wie bei meiner ersten Fahrt. Ich erinnerte mich, als wäre es erst gestern gewesen. Ich war noch ein junger Maat. Noch grün hinter den Ohren. Doch kaum hatte ich die Planken des Schoners betreten und das sanfte Schaukeln des Meeres unter meinen Füßen gespürt, war es um mich geschehen. Ich konnte mir keinen schöneren Platz mehr vorstellen, als an Bord eines großen Seglers zu sein. Meine Begeisterung von der Seefahrt und meine Liebe zur See blieben nicht unbemerkt und ich stieg schnell zum Steuermann auf. Es dauerte nur wenige Jahre und ich bekam das erste Kommando. Es war eine Handelschiff. Ein dreimastiger Logger. Wie stolz ich damals war. Meine Besatzung war die beste, die man sich wünschen konnte. Seemänner mit denen ich seit vielen Jahren gemeinsam zur See gefahren war. Treue Kameraden. Freunde. Wir wurden berühmt. Das schnellste Küstenfrachtschiff, das man chartern konnte. Tee, Stoffe, welche Ladung auch immer, wir waren stets vor den Terminen bereit zu löschen. Wir waren die Schnellsten. Wir waren die Besten der ganzen See, die uns liebte. Die wir liebten.
Ein salziger Windhauch wehte mir eine Locke auf die Stirn und ich musste unwillkürlich lächeln ob dieser Liebkosung meiner einzig wahren Liebe über all die Jahre.
Der Horizont schien endlos. Ein nie enden wollender Pinselstreich geführt von Poseidon selbst. Die Luft war so kühl und wohltuend. Ich schloss meine Augen und atmete tief ein. Die Sonnenstrahlen ließen meine Lider erröten und wärmten mich, als umrahmte meine Liebste mein Gesicht mit Ihren lieblichen Händen. Die See, meine liebe, wundervolle See.
Ich öffne die Augen wieder und ein leichter Schwindel überkam mich.
„Nicht so stürmisch, Liebste!“, flüstere ich leise. Ich wusste, wie sie sein konnte, wenn sie vor Lust Ihre Begierden nicht mehr bremsen kann. Sie liebt mich so sehr. Ich blickte nach unten. Dorthin zu den Klippen, wo meine stolze Logge, mein Herz, aufgespießt inmitten der zärtlichen Wellen lag. Dorthin, wo meine gesamte Mannschaft in dieser stürmischen Nacht vor fünf Jahren ertrank. Dorthin, wo ich mein rechtes Bein ließ. Eine Träne verließ mein Auge und rann meine Wange herab.
„Sie liebt mich so sehr“, sprach ich mit ratlos schüttelndem Kopf, „wollte mich nie teilen. Doch eines Tages, meine Liebste. Eines Tages sind wir wieder vereint.“
Ich hauchte zärtlich einen Handkuss und kehrte, wie jeden Tag seit jener Nacht, mit hölzernen Schritten zurück zum Dorf.
„Eines Tages, meine Liebste, sind wir wieder vereint.“
Yeah! Super Geschichte. Ich liebe deinen Schreibstil, alles ist so schön beschrieben und so viele Asjektive.^^ Klasse!
AntwortenLöschenAaaah, Seefahrerromantik!
AntwortenLöschenSehr schön! :-)
Das ist dann vielleicht auch was für Sie:
http://haderling.blogspot.com/2007_05_01_archive.html
Geschrieben von dem verehrten mkh:
Haderlings Irrfahrt
(im unteren Drittel auf besagter Seite)
Wie die Weite der See, ist auch die Liebe unergründlich... das wird dieser Seemann auch noch erfahren!!!!
AntwortenLöschen@ marco
AntwortenLöschenVielen Dnak. Freu mich, dass Dir mein Schreibstil gefällt. Dann kann ich ja so weiter machen. Mir auch übrigens ;-)
@ meise
Vielen Dank. Auch für den Link. Habe die Geschichte natürlich sofort gelesen. Ein schönes, geheimnisvolles Ende.
@ NW
Liebe ist etwas wundervolles und manchmal lässt man viel Schmerz zu, nur um weiter Liebe zu erfahren. Wie unser Seemann an eigener Seele und am eigenen Leib erfahren musste ...
Gerne. :-)
AntwortenLöschen@Lichtlord
AntwortenLöschenIch bin begeistert. Nicht nur, weil ich diese metaphorische Verknüpfung von Seelen- und Seefahrstmotiven ebenso schätze: Starke Motive!!! Auch Sturm und Klippen... - gewaltig!
Darüber hinaus hat es die ganze kleine, große story schwer in sich! Super, Klasse, weiter...Meer!
Erinnert mich ach ein klein bisschen an Dylan Thomas, Under the milkwood. Und der gute alte Schimmelreiter kam mir in den Sinn...
Herr Lichtträger, ich schätze das, was Sie schreiben resp. was du schreibst!
***
@Meise
Ui, Danke, Danke! So eine nette Referenz... ;-)
Wow. Was für eine Rezension. Wenn meine Kurzgeschichte, und sei es auch nur ein kleines Bischen, an Thomas und Storm zu erinnern vermag, welche Kritik könnte da mehr Ansporn geben? Ganz vielen Dank.
AntwortenLöschenSehr gerne.
AntwortenLöschenIch hab mir erlaubt, auf haderling.blogspot.com eine neue Link-Rubrik unter dem Titel "Glanzvolle Fremde" in der Menüleiste zu eröffnen. - Ziel: nach und nach einige (mich) besonders begeisternde Geschichten aus den Bloggereien verlinken, natürlich mit Nennung der Autoren!
Nicht, dass "Haderling" besonders frequentiert wäre, aber wenn, dann gehören genau dort solche Glanzpunkte hin.
Herzlichen Dnak. So will ich versucht sein, dem Glanz weiterhin gerecht zu werden. Im Gegenzug, jedoch tatsächlich unabhängig davon, werde ich meinen Blog als Startbahn zur Wortlandung zur Verfügung stellen. Alles Gute und machen Sie weiter so.
AntwortenLöschenDanke ebenfalls. Die Startbahn zum Lichtträger hatte ich gerade auch auf meiner Wortlandebahn aufgenommen!
AntwortenLöschenDem Glanz gerecht werden Sie bestimmt, auch ohne explizites Versuchtsein. Das kommt bei Lichtträgern bekanntlich von allein, mal mehr Licht, mal weniger.
@mkh & Lichtträger:
AntwortenLöschenFreut mich, dass sich hier zwei gefunden haben! :)