Donnerstag, 14. Dezember 2017
The World is [gestrichen: not] enuff!
Es war nicht einfach, einen reißerischen Anglizismus zu finden, der das Thema abbildet und keine Rechte verletzt. Immerhin klingen ein Album des Rappers Tela und ein Bondfilm so ähnlich. Zudem ist Sonntag Heiligabend, und das bedeutet, Geschenke zu besorgen. Da bleibt kein Geld für Copyright-Verletzungen. Jedes Jahr muss es etwas Neues sein. Für alle Familienmitglieder. Nicht zu vergessen, dass wir ebenso viele Fragen beantworten müssen, wie es Beschenkte gibt, was wir uns denn selbst wünschen. Als wäre es nicht schwer genug, ein Geschenk für den Großonkel und den neuen Freund der Cousine zu finden. Schließlich kennt man beide nicht gut genug, um etwas Individuelles und Persönliches zu schenken, will sich aber auch nicht die Blöße geben, einen Gutschein von einem bekannten Internetversandhändler zu kredenzen. So war es zumindest bis vor wenigen Jahren noch bei mir. Tatsächlich hatte ich schon als Kind im inneren Disput in Frage gestellt, weshalb eigentlich nicht Jesus an dessen Geburtstag Geschenke bekommt, sondern wir. „Nun, was will er auch mit einer Playmobilburg?“, wischte ich den Gedanken damals beiseite, und Jahr für Jahr wuchs die Anzahl Geschenke, die ich bekam. Irgendwann hatte ich deutlich mehr Spielsachen als selbst all meine Freunde Hände beizusteuern in der Lage gewesen wären, um zeitgleich damit spielen zu können. Weihnachten überforderte mich. An mindestens zwei Festen nahm ich auch persönlichen Schaden. Einmal, als die drei Lego-Raumstationen vom gleichen Typ, die meine Omas und Tanten versehentlich unabhängig voneinander geschenkt hatten, über mir zusammenbrachen, weil ich dachte, eine Riesenraumstation daraus bauen zu können. Was musste ich damals schon über Statik! Das andere Mal nahm ich Schaden, weil ich einige Duplo-Steine meines Cousins feindlich übernehmen wollte. Schließlich war es mein Weihnachtsfest und nicht seins. Leider hatte ich etwas Wichtiges übersehen: Das funktioniert nur vonseiten des Stärkeren. Was musste ich damals schon über Kapitalismus? Heute ist vieles anders. Ich wünsche mir und verschenke nur noch gemeinsame Zeit zu Weihnachten. „Ladet mich gerne zum Essen ein“, sage ich stets zu meinen Eltern, bei denen ich mich ohnehin einmal die Woche zum Essen einlade. Das erspart mir zumindest einmal pro Jahr, mich selbst einladen zu müssen. Ich selbst schenke stets dasselbe: Karten fürs Varieté. Im niedrigen zweistelligen Bereich besetzen dann Arnolds am ausgewählten Tag die Plätze im Theater. Das fühlt sich fast wie eine Privatvorstellung an, wenn man die anderen 600 Gäste ausblendet. Gemeinsame Zeit ist ein wichtiges Gut und viel haltbarer als Materielles. Wenn meiner Tochter das geschenkte Smartphone, für dessen Coltan ein Kongolese, der nur halb so alt ist wie sie, stundenlang in einer Mine schwitzen musste, runterwirft, ist es futsch. Bis die Erinnerung an die vielen Varieté-Besuche kaputt gehen, muss sie schon deutlich öfter auf den Kopf fallen. Das mache ich jetzt schon seit drei Jahren. Also nicht auf den Kopf fallen, sondern gemeinsame Erlebnisse schenken. Inzwischen bekomme ich auch immer öfter selbst eben solche: von Theaterbesuchen über Besuche von Kletterparks bis hin zu Städtereisen. Die Welt will erkundet werden und ist groß. Zumindest dann, wenn wir nicht immer und immer mehr schenken, was Ressourcen erschöpft, die wir sinnvoller einsetzen könnten. Und ich freue mich auf den Tag, an dem ich von meinem Großonkel endlich keine DVDs mehr geschenkt bekomme. Ohne Fernseher ist das nämlich blöd.
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