BBQ mit zwei Sorten Rind |
Charly saß in der Küche und mühte sich, seinen in die Jahre gekommene Mixer mittels Hammer, Meißel und Kaugummi wieder fit zu machen. Er lag geöffnet vor ihm, während ihm sein Freund Maik keinerlei Tipps gab, was er tun oder bleiben lassen sollte.
„Soll ich den grünen und den roten Draht verbinden?“, fragte Charly.
Maik zuckte mit den Schultern und biss in einen in Zucker gewälzten Butterblock, den er mit einer Gabel aufgespießt hatte.
„Oder besser den grünen mit dem blauen?“
„Da ist kein blauer“, sagte Maik, trank einen Schluck Berliner Kindl und griff in den geöffneten Mixer. „Das ist ein Tamponfaden“, konnte er gerade noch sagen, bevor er binnen einer Millisekunde völlig dehydrierte und ein völlig unerwarteter Riss im Raum-Zeit-Kontinuum Charly fortriss in eine weit, weit in der Zukunft liegende Zeit.
Als Charly wach wurde, umgab ihn völlige Finsternis.
„Warum hatte mich bloß keiner vor der Gefahr eines Risses im Raum-Zeit-Kontinuum gewarnt?“, fragte er sich. Er fühlte sich wie von Gelatine umgeben - eine Erfahrung, die er den sexuellen Vorlieben einer ehemaligen Freundin zu verdanken hatte. Charly öffnete den Mund, um einen Ausdruck des Erstaunens zu verbalisieren. Seinem Mund gelang jedoch nur ein Blubbern, gefolgt von Erstickungsgeräuschen, gefolgt vom Versuch eines panischen Schreis, der jedoch auch nur ein Blubbern wurde und von dem ersten kaum zu unterscheiden war. Charly befand sich unter Wasser. Etwas berührte seine Flanke. Etwas Großes. Er bekam Auftrieb. Ein heller und größer werdender Punkt begann die Oberfläche zu verraten. Luft, Luft, sprachen Charlys Gedanken, die sein Verstand anstelle des Mundes nun aktiviert hatte. Der Drang einzuatmen wurde unwiderstehlich. Charlys Lungen pulsierten, wollten beatmet werden, um jeden Preis, selbst wenn der Preis das Leben selbst wäre. Der Druck in seine Flanken und sein Auftrieb beschleunigten sich. Weiße Punkte, wie Bourbon-Vanille-Stückchen im Vanillepudding, nur farblich umgekehrt, begannen die in Charlys Augen einkehrende Schwärze zu durchbrechen. Ohnmacht umfing ihn.
Als Charly erwachte, war ihm unerträglich warm. In seinem Mund ein saurer Geschmack. Das offenkundige Knistern eines Lagerfeuers und dessen trockene, rauchige Wärme rangen um die Aufmerksamkeit seiner Sinne. Charly fand sich eingewickelt in mehrere Decken vor einem monströsen Lagerfeuer liegen. Neben dem Lager befand sich ein ebenso gigantischer Drehspieß. Zwei aufrecht sitzende Stiere drehten ihn, tranken dabei aus zwei Totenschädeln, lachten, scherzten und zechten, was das Zeug hielt. Charly richtete sich auf. Er war nur noch mit seiner Unterhose und nassen Filzpantoffeln bekleidet. Warum hatte er sich nur von Maik überreden lassen, sie anzuziehen?
„Oh, you’re awaken!“, sagte der linke Stier, der lange gerade Hörner hatte, tief-graues Fell und einen dunkelroten Lendenschurz trug. Aus unerfindlichen Gründen wunderte sich Charly nicht, dass er englisch mit amerikanischem Einschlag sprach. Im Fortfolgenden hören wir die Gespräche der drei der Einfachheit halber übersetzt.
„Was ist passiert? Wo bin ich?“, fragte Charly den Stier, den er in Gedanken „Longhorn“ nannte, womit er letztlich sogar recht hatte, obwohl er in keiner Weise ein Experte für texanische Rinder war. Charly arbeitete bei der Bahn.
„Ein Delphin wollte dich fressen“, sagte Longhorn.
„Ja, das hat er jetzt davon“, sagte der zweite Stier und deutete mit dem Schädel in Richtung des Grillguts. Also mit seinem eigenem, nicht mit dem Trinkgefäß. Der zweite Stier hatte glänzendes schwarzes Fell und stolz gewundene Hörner. Charly nannte ihn in Gedanken „Gordito“, obwohl er, wie gesagt, bei der Bahn arbeitete, am Servicepoint des Berliner Hauptbahnhofs seinen Arbeitsplatz hatte und weder je in Spanien war noch Ahnung von berühmten spanischen Kampfstieren hatte.
„Wir wären beinahe zu spät gekommen“, sagte „Longhorn“, und schon wieder musste Charly an die Bahn denken.
„Ihr könnt sprechen?“, sagte Charly.
Die Rinder schauten sich verwirrt an.
„Also, wo ich herkomme, können Rinder nicht sprechen“, sagte Charly.
Frank, so hieß das „Longhorn“ mit bürgerlichem Namen, erklärte, dass noch vor wenigen hundert Jahren Menschen nicht sprechen konnten. Dann habe man sie mit Gentechnik verbessern wollen, und als Nebenwirkung habe sich deren Sprachzentrum plötzlich rasant entwickelt. Sie seien zwar auch sehr viel proteinreicher geworden, aber keiner habe sie mehr gewollt. Deshalb äßen sie jetzt mehr Fisch.
„Wie? Proteinreich?“, fragte Charly, und Frank und „Gordito“, der zu stolz war, einem Menschen seinen bürgerlichen Namen zu verraten, zufälligerweise jedoch tatsächlich Gordito hieß, schauten beschämt zum Delphin.
„Wir essen jetzt den Fisch!“, sagten Sie unisono. Der Fisch sagte nichts, hätte aber noch vor nicht allzu langer Zeit schärfstens insistiert, dass er weder ein Fisch sein noch Charly habe fressen wollen. Da er jedoch bereits mariniert war, war ein Insistieren nicht mehr hilfreich.
Sie gaben Charly ein riesiges Stück Delphinfleisch in der Größe eines Kalbsbratens, wobei es sich Charly angesichts der Spezies seiner Lagerfeuergenossen verkniff, diesen Vergleich zu eröffnen. Er biss hinein, und seine Zähne zersplitterten beinahe an einem Stück Plastik. Es stammte von Charlys Mixer, der sich unmittelbar an seine temporale Heimat entsann und Charly zurück in seine heimatliche Zeit und unaufgeräumte Küche schleuderte. Maik saß mumifizierte am Tisch. Geschmolzene Butter glänzte auf seiner knochigen Hand. An den Fingerkuppen war ein Zuckerrand. Charly beschloss, von nun an keinen Fisch mehr zu essen. Dafür mehr Schwein.
Verpassen Sie nicht die nächste Folge, wenn Charly beim Versuch, seinen Staubsauger zu reparieren, wieder weit, weit in die Zukunft katapultiert wird, eine unheimliche Schweinerei in dessen Küche passiert und er hier landet, auf dem „Planet oft the Pigs“.
Teil 1 - Planet of the Cows
Teil 1 - Planet of the Cows
Na, das ist mal eine kuriose Geschichte. Aber sehr unterhaltsam geschrieben.
AntwortenLöschenSchön, dass du deinen Blog immer mal wieder belebst. Ich vermisse die lebhafte Blognachbarschaft von früher.
Nicht nur du, Jay! Nicht nur du!
AntwortenLöschen@Lichtträger
Kurrios und sehr unterhaltsam. Gerne öfter mehr davon. :)
Lieber Jay, lieber Imperator,
AntwortenLöschendanke sehr, auch für das Vermissen :)
Ich belebe weiter, bis es mich auch wieder in die Nachbarschaft führt, worauf ich mich freue.