Andreas Arnold (li.), Thomas Zebunke (C) Dominik Rinkart |
Andreas: Hallo, Thomas. Du kandidierst für die Grünen für das Amt des Landrates hier im Wetteraukreis. Derzeit ist man im Netz und in den Zeitungen von lauter Kandidatinnen und Kandidaten umgeben, die Feierlichkeiten des Kleingärtnervereins, Ehrungen der Metzger-Innung und Schiffstaufen der örtlichen DLRG besuchen. Schön, dass du dir die Zeit für ein Interview mit einem Blogger nimmst.
Thomas: Solche Termine mache ich eher selten, und wenn dann rede ich lieber Klartext als hübsche Bilder mit „alles ist gut“ zu posten.
Andreas: Mal ganz ehrlich! Willst du wirklich Landrat im Wetteraukreis werden?
Thomas: Ja, weil das eine Position ist, in der man viel gestalten kann – und weil hier in der Wetterau noch Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Und weil ich nicht will, dass es politisch so weitergeht wie in den letzten zwei Jahren Großer Koalition. In der Kreisverwaltung gibt es sehr gute Leute, aber in die politische Führung muss neue Dynamik reinkommen. Mir ist es wichtig, Themen nach vorne zu bringen, die die anderen KandidatInnen nicht besetzen können. Ich denke da vor allem an Umwelt und Natur, an soziale Gerechtigkeit und an eine andere Wirtschaftspolitik. Es gibt zunehmend Menschen in der Wetterau, die das mehr interessiert als der reine Konsum.
Andreas: Du bist seit über 30 Jahren bei den Grünen und wohnst über die Hälfte der Zeit schon in Friedberg, konnte man in der Wetterauer Zeitung lesen. Die Wetterau ist die Herz- und Kornkammer Hessens, hast Du mal gesagt. Sieht man davon ab, dass die REWE-Versiegelung von 40 ha guten Ackerlands in Berstadt wohl nahen wird, wie grün ist die Wetterau in 20 Jahren noch?
Thomas: Es geht nicht nur um die 40 ha des REWE-Projektes bei Berstadt, sondern um eine ganze Reihe von solchen Projekten, die nichts mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Darauf haben die Gegner immer hingewiesen, und ich selbst habe auch immer gesagt, dass ich ein anderes, eher gemeinwohlorientiertes Wirtschaften in der Wetterau fördern will. Die Wetterau ist eine der wenigen Regionen in Europa, die sich selbst ernähren könnte. Durch den extremen Flächenverbrauch der letzten Jahre wird es damit schon vorbei sein - mit der Folge von noch mehr Lebensmittelimporten.
Der Wetteraukreis braucht ein Leitbild und eine eigenständige Entwicklung, die sich nicht den Einzelinteressen von Investoren unterwirft. Ich glaube nicht, dass die Leute hier nur Schlafstadt und Lagerplatz von Frankfurt sein wollen. Und ich glaube, dass wir auch Vorbild für andere Regionen in Ballungsraumnähe sein können. Die Aktionen der Ökolandbaumodellregion zeigt uns ja, dass es geht.
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Andreas: Und ganz privat? Das Äußere ist grün – wie sieht die Innenwelt aus? Wie ökologisch ist dein Leben. Müll trennen wir per leges alle, doch wieviel Müll produziert dein Haushalt?
Thomas: Grün vor allem von innen heraus und das schon seit der Schulzeit. Nach außen pragmatisch und sorry – [lacht] nobody is perfect - durchaus auch mit Schwächen in der persönlichen Performance. Unsere kleine Restmülltonne war noch nie voll und der gelbe Sack genauso. Verpackungen sind mir ein Graus, ich kaufe nur langlebige Produkte und ich muss auch nicht alles haben. Den Anteil an Ökoprodukten in meiner Küche schätze ich auf 60%, Kräuter haben wir im Hausgarten, und seit drei Jahren haben wir einen Saisongarten.
Andreas: Über 600 Kilo Siedlungsabfälle fallen pro Kopf in Deutschland an. Damit sind wir im europäischen Spitzenbereich. Das passt dazu, dass wir auch eine der führenden plastikproduzierenden Nationen der Welt sind. Unverpacktläden sind ein erster Schritt, die unglaublichen Müllmengen, die in Privathaushalten anfallen, zu reduzieren. Angenommen, es würde ein solcher Laden im Kreis eröffnen wollen, wie könnte die Politik unterstützen – speziell der Kreis?
Thomas: Das würde ich sehr begrüßen, am besten ein ganzes Kaufhaus. „JOH 2.0 – unverpackt“ in Friedberg wäre schon ein starkes Signal. An den Standort Elvis-Platz gehören sowieso mehr öffentliche, kulturelle und beispielhafte Angebote. Eine Mehrheit ist für die Förderung eines solchen Projektes derzeit im Kreistag nicht zu gewinnen.
Aber so ein Landrat könnte hier wie auch bei anderen zukunftsweisenden Projekten schon durch die persönliche Unterstützung und die der Verwaltung helfen und Räumlichkeiten für Initiativen anbieten.
Andreas: In Anbetracht der Empfehlungen der Böll-Stiftung im Fleisch-Atlas 2018 stellt sich natürlich die Frage, wie der Haushalt Zebunke lebt.
Thomas: Fleischarm, aber nicht fleischlos, und wenn Fleisch, dann eher von Wiederkäuern, also Rind und Schaf, weil die wenigstens Gras fressen, damit die Landschaft pflegen und nicht mit dem Menschen konkurrieren. Natürlich auch viel Käse, Obst, Gemüse. Da ich beruflich bedingt viel außer Haus esse, habe ich nicht immer die Wahl.
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Andreas: Die Grünen verloren vermutlich Stimmen bei der im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 geführten Veggie-Tag-Diskussion. Gleichwohl haben zahlreiche Stadträte, gerade in studentischen Großstädten, fleischfreie Tage in kommunalen Kantinen und Mensen erfolgreich eingeführt. Wenn jede Wetterauerin und jeder Wetterauer nur einen Tag pro Woche auf Fleisch verzichtete, könnte das CO2-Äquivalent von 22.500 Autos pro Jahr eingespart werden. Wie würde ein Landrat an die Sache herangehen?
Thomas: Im Konrad-Adenauer-Haus, also der Parteizentrale der CDU gibt es freitags kein Fleisch, und da macht niemand so einen Hype draus wie aus dem „Veggieday“! Eines meiner Hauptziele ist es, Projekte wie sie in den Großstädten in den letzten Jahren gewachsen sind, in die Wetterau zu holen. Es kommen ja auch viele Menschen, gerade jüngere und Familien aus den Städten, zu uns, und die vermissen sowas.
Auch hier gilt: Die Person des Landrates kann auch Vorbild sein und die Aufmerksamkeit auf dies Themen lenken, und das tue ich auch bei jeder Gelegenheit. So etwas würde mehr Raum in der Öffentlichkeitsarbeit der Kreisverwaltung bekommen.
Andreas: Auto ist ein gutes Stichwort. Die Straßen sind voll damit. Einige Städte der Wetterau bieten immerhin Car-Sharing an. Das öffentliche Nahverkehrsnetz ist in einigen Gegenden gut ausgebaut. Folgendes Szenario: Sagen wir mal, der künftige Landrat heißt Thomas Zebunke, und Wiesbaden ruft zur Besprechung. Welche Fortbewegungsmittel ist das deiner Wahl?
Thomas: Zunächst mal was Überregionales: Was sich die Autoindustrie und die bundesweite Verkehrspolitik in den letzten Jahren geleistet haben, finde ich kaum noch erträglich. Wir brauchen gerade im Ballungsraum und in der Wetterau einen anderen Umgang mit der Automobilität.
Fahrten nach Wiesbaden, Gießen, Fulda, Kassel usw. kommen heute bei mir schon oft vor. Zuerst wähle ich immer die Bahn oder Fahrgemeinschaft. In Sachen Auto fahre ich schon lange keinen Diesel mehr, sondern Hybrid und demnächst vielleicht elektrisch. Das ÖPNV-Netz in der Wetterau muss besser werden, gerade auch im Ostkreis. Dazu mehr Car-Sharing und Ladestationen.
Andreas: Was für einen Dienstwagen hätte ein grüner Landrat?
Thomas: Vielleicht gar keinen, sondern Teilnahme an einem Car-Sharing-Pool zusammen mit den MitarbeiterInnen und Anwohnern der Kreisverwaltung in Friedberg. Ansonsten kleiner und elektrischer.
Andreas: Und was, wenn Berlin zur Besprechung ruft?
Thomas: Ich bin jetzt schon ein- bis zweimal im Monat in Berlin, Brüssel oder ähnlich weit weg und fahre weiter Bahn. Bei noch größeren Distanzen bin ich auch schon geflogen.
Andreas: Die Bahn hat inzwischen auch ein veganes Speisenangebot. Kennst du es?
Thomas: Natürlich, letzte Woche noch den Gerstensalat im ICE nach Berlin gegessen und genossen.
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Thomas: Wir haben zuhause drei Geräte, ein iPhone, ein Samsung und ein Fairphone. Dienstlich muss ich ein Blackberry nutzen. In den Schubladen liegt sonst nichts. Ist ja auch kein Problem, die Altgeräte in eine ordentliche Sammlung zu geben. Ich habe nicht vor, in näherer Zeit ein neues Gerät zu kaufen und auch keinen Vertrag mit regelmäßiger Nachlieferung.
Andreas: Ich bin natürlich nicht nur an ökologischen Dingen interessiert. Mein zweites Standbein ist die Kultur. Welche Kulturveranstaltungen besucht Thomas Zebunke?
Thomas: Regelmäßig das Theater Altes Hallenbad in Friedberg, gerne auch mal Theater und Konzerte in Frankfurt. Im Sommer bin ich gerne open-air und ich liebe das CopaKabaNoga in Friedberg, weniger die großen Stadionevents. Musikalisch war ich selbst lange Jahre als Saxofonist aktiv und habe nach einigen bewusstseinserweiternden Experimenten im Free Jazz in einer Street Band gespielt. Dafür ist heute kaum noch Zeit, aber ich mache zusammen mit Kollegen von früher, denen es ähnlich geht, immer noch gerne Garagen- und Gartenkonzerte für meine Nachbarn und Freunde. Meistens geht es dabei um Soul und Funk, Elektronisches und Deine Poetry-Slam-Kollegen haben auch schon mitgemacht.
Andreas: Die Kreisstadt und weitere zwölf Kommunen der Wetterau gehören zur Tourismusregion Wetterau. Zum Tourismus gehört nicht nur, schöne Landschaften vorweisen zu können, um attraktiv für Natur-Urlauber zu sein, auch ein potentes Vereinsleben gehört dazu. Immerhin wird ein Großteil des Kulturangebotes nicht kommerziell oder von den Kulturämtern präsentiert, sondern von Ehrenamtlichen.
Gibt es bei Dir Ideen, deren Bedeutung der ehrenamtlichen Kulturarbeit in der Wahrnehmung zu steigern?
Thomas: Die Menschen in der Wetterau und gerade die, die aus der Großstadt zu uns kommen, brauchen ein hochwertiges kulturelles Angebot. Da fehlt es der Wetterau an Vielfalt. Es ist ein Skandal, dass eine Spielstätte wie der Brettl-Palast in Ortenberg aufgeben musste. Im Westkreis gibt es immerhin große Spielstätten z. B. in Bad Nauheim und Bad Vilbel. Das ist aber nicht für alle Angebote die richtige Umgebung. Eine Neugründung wie das Theater Altes Hallenbad mit dem „Kulturtaucher“-Programm in Friedberg - eine großartige bürgerschaftliche Leistung –, zeigt, wie es auch woanders gehen könnte.
Der Wetteraukreis muss nicht nur seinen eigenen Kulturetat deutlich vergrößern, sondern braucht ein kulturpolitisches Leitbild und eine Kulturförderrichtlinie! Damit können dann die Kommunen in Ihrer Kulturarbeit unterstützt werden, und vor allem müssen die Kulturschaffenden eingebunden werden und eine gemeinsame Informationsplattform bekommen.
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Thomas: Schon als Student habe ich mich für Ökologie und Bürgerrechte engagiert, soziale Ungerechtigkeit und Rechtsradikalismus machen mich auch schon mal wütend. Ich leide, wenn ich Naturzerstörung oder Tierquälerei erleben muss. Ich genieße es, in schönen Landschaften unterwegs zu sein, manchmal auch in Großstadtschluchten, mache viel Sport und esse gerne gut.
Ich liebe Kommunikation, habe viel Spaß in meiner Community, bei der Musik oder beim Sport, und im Straßenwahlkampf funktioniert das auch ganz gut.
Andreas: Lieber Tomas, danke für deine Zeit. Am 27. Februar, 19:00 Uhr, wird im Theater Altes Hallenbad eine Podiumsdiskussion mit den Kandidaten der SPD und der CDU und dir stattfinden. Dazu wünsche ich dir, deiner Mitbewerberin und deinen Mitbewerbern viel Erfolg.
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