Als das Fraunhofer-Institut kürzlich seine Studie „Kunststoffe
in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik“ publizierte, ging mir der Spruch
„Das wird man ja wohl noch fahren dürfen!“ durch den Kopf, denn in ihr war zu
lesen, dass der größte Verursacher von Mikroplastik-Emmissionen in die Umwelt
der Straßenverkehr ist. Zu einem Viertel trägt er zu den Gesamtemmissionen bei,
die immerhin bei 446.000 Tonnen jährlich liegen. Und das ist nur die Zahl für
Deutschland. Wir sind zwar Erstligist im Mülltrennen, aber eben leider auch im
Produzieren. Nur dachte ich ganz blauäugig, wir kontrollierten das ganz gut durch
stoffliche oder thermische Verwertung – immerhin
verwenden wir 45 Prozent des Plastikmülls für neue Produkte und gewinnen aus 53
% Energie. Tatsächlich entziehen sich zahlreiche Emmissionsverursacher
unserem Zugriff – wir nehmen sie nicht einmal als Müll wahr.
Ganz vorne ist der
Reifenabrieb im Straßenverkehr. Selbst der Abrieb von Schuhsohlen liegt weit
vorne, ganze zehn Plätze vor der Einbringung von Mikroplastik aus der Kosmetik
in die Umwelt, das Platz 17 belegt. Dieses Ranking hat mich neben dem
Gesamtvolumen dann doch sehr schockiert, obwohl ich mich seit fünf Jahren intensiv
mit der Materie beschäftige. Das Automobil also mal wieder, genauer: der PKW,
trägt das meiste Mikroplastik ein – über 80 Prozent des emittierten Gesamtreifenabriebs.
Als wenn es nicht schon reichen würde, dass der Straßenverkehr für gut 18
Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich ist, jetzt
muss er auch noch für die Mikroplastikvermüllung der Meere herhalten. „Ich habe
doch kein Amphibienfahrzeug!“, rufen Sie jetzt vermutlich erleichtert. Leider
ist das unerheblich. Das Mikroplastik wird vom Regen in unsere Gewässer
geschwemmt oder gelangt in die Kanalisation, von wo es in die Kläranlagen geleitet
und zwar ausgefiltert wird, dann aber mit dem Klärschlamm zur Düngung auf
unseren Feldern landet. Wollen Sie raten, wohin das Mikroplastik beim nächsten
Regen gerät? Richtig! Ganz ohne Amphibienfahrzeug über unsere Gewässer ins
Meer.
Weltweit gelangen jährlich gut 30
Millionen Tonnen Plastik in die Weltmeere – darunter auch der Abrieb meines
kleinen Kia Picanto. Mein Kia, der immer so lieb lächelt, wenn ich ihn auf dem
Parkplatz besuche, hat es offenbar faustdick hinter den Ohren. Da steht er nun,
brummt in freudiger Erwartung einer gemeinsamen Reise, und ich weiß nicht, wie
ich ihm erklären soll, dass seinetwegen Fische Mikroplastik statt Plankton
fressen, das wie ein Magnet mit Giften aus dem Meer behaftet ist. Dass
seinetwegen Fische mit vollem Magen verhungern oder, aus menschlicher Sicht
noch schlimmer, dass eine
Portion Muscheln ganze 90 Mikroplastikpartikel gratis mit auf den Teller
bringt.
„Was kann man denn überhaupt noch … essen? Fahren?“, rufe ich
verzweifelt, und mein Kia hupt traurig, ohne das Problem zu verstehen. Manchmal
brauche ich ein Auto, und es geht nicht mit Bus und Bahn. Ich werde auch
weiterhin zum Teil für Plastikmalzeiten von Fisch und Mensch verantwortlich
sein. Beim nächsten Reifenkauf werde ich in jedem Fall einen hochwertigen
kaufen, der sich nur langsam abnutzt - vielleicht kommt es ja bis dahin, das
Reifen-Label, das auch den Abrieb betrachtet. Natürlich werde ich weiterhin so
oft den ÖPNV nehmen, wie es mir möglich ist, und wenn das alles nicht reicht,
gehe ich eben nicht nur im Sommer, sondern zu allen Jahreszeiten barfuß.
Mikroplastik in Kosmetik ist da leichter zu vermeiden. Und ohne dass man dabei
friert.
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