Corona-Baisse – Investieren in Kalorien |
Die Bouillabaisse, das provenzalische Fischgericht, und keine mexikanische Biersuppe stand Pate für meine Namenskreation. Sie besteht aus den provenzalischen Wortteilen bouli und abaissà, also „koche und setze dich“, da die Marseiller Suppe einige Minuten stark gekocht und dann abgeschreckt wird. Das passiert derzeit auch an der Börse. Das Coronavirus wirkt wie ein Tauchsieder, der insbesondere Kleinanleger verschreckt die Hände aus dem sprudelnden Wasser ziehen lässt, das hier sinnbildlich für das Börsenparkett steht. Noch bis Mitte Februar hatte sich der Aktienmarkt in der Hausse befunden, in einem Aufwärtstrend. Da hatte der Stier der beginnenden Coronakrise noch seine Hörner gezeigt. Seitdem befindet er sich auf Talfahrt, der Bärenmarkt hat sich entwickelt, stärker denn je. Noch nie war der DAX, also die Heimat der 30 größten deutschen börsennotierten Unternehmen, in so kurzer Zeit so stark gefallen: Von fast 13.500 Punkten auf zeitweise unter 9.000.
Warum schreibe ich das in einer Kolumne über Nachhaltigkeit? Seit ich vor eineinhalb Jahren zwei Frugalistinnen kennengelernt hatte, also zwei Anhängerinnen jener Szene, die sich zum Ziel gesetzt hat, durch ein möglichst sparsames Leben und Anlegen des Ersparten früh ein genügsames Dasein als Privatier zu führen, habe ich vieles von ihnen übernommen. Ich habe begonnen, meine Ausgaben mit einer Exceltabelle zu monitoren, um unnötige Ausgabenherde zu identifizieren, habe ein Depot eröffnet und bereits im ersten Monat des Kennenlernens mit dem Investieren gestartet. Ich bin nicht so sparsam wie Oliver Nolte oder Florian Wagner, die beiden wohl bekanntesten Frugalisten Deutschlands, die Sparraten von 60 Prozent und mehr erreichen, komme aber immerhin auf fast 22 Prozent. Geschafft habe ich das, indem ich meine Ausgaben immer wieder im Hinblick auf die Suffiziens überprüft habe. Welche Ausgaben tätige ich nur, weil es scheinbar ein gesellschaftlicher Konsens ist, sie zu tätigen? Welche Kosten habe ich, die wirklich nötig sind? Welche dieser Kosten kann ich reduzieren, indem ich zu günstigeren Alternativen wechsele, ohne an Nachhaltigkeit oder Qualität zu verlieren? Meine durchschnittlichen monatlichen Ausgaben habe ich so um ein Viertel reduzieren können – immer unter der Maßgabe, meine Lebenszufriedenheit aufrechtzuerhalten.
Bis Mitte Februar hatte ich meine Depotwerte, die durch nachhaltige Fonds und ETFs sowie Einzelaktien von ökologischen Unternehmen bestimmt sind, noch gerne abgerufen. Derzeit verweigere ich mich, die betreffenden Aktienkurse in meiner Homebankingsoftware zu aktualisieren. Denn als die Corona-Baisse aufkochte, hatte ich stark an den Verlusten zu kauen gehabt, bis ich realisierte, dass es nur virtuelles Geld ist, dessen vermeintlichen Verlust ich bedauerte. Mein Einkommen ist weiterhin nahezu stabil, und weder an meinem vergleichsweise sparsamen Leben, noch an meiner Sparrate hat sich etwas geändert. Die Kurse werden irgendwann wieder steigen, und ich bin fern von Existenzangst. Ganz im Gegensatz beispielsweise zu vielen Gastronomen, die wirtschaftlich wirklich bedroht sind.
Ich habe mich entschlossen, wieder zu investieren. Ich stecke den durch mein sparsames Leben erwirtschafteten Überschuss in Gutscheine bei der Pizzeria, in Bestellungen beim Burgerladen und in Anteile an diversen Speisekarten. Schon jetzt bin ich im Plus. Das Ergebnis lässt sich auf der Waage messen. Es sind bereits einige Prozent, und die nimmt mir keiner so schnell.
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