Sonntag, 20. Juli 2008

Francesco Fontanello
Kapitel I

Als Francesco Fontanello diesen Morgen aufgestanden war, merkte er sofort, dass es sein linker Fuß war, den er dazu genommen hatte, denn er war damit in eine Haarbürste getreten, die vor seinem Bett lag. Also verbrachte er die ersten zwanzig Sekunden des Morgens damit, wie ein Derwisch auf einem Bein hüpfend Ahhhhhhh zu schreien, bis er abrupt aufhörte. Nicht nur, da er merkte, dass es eigentlich gar nicht so weh getan hatte, sondern auch, da ihm einfiel, gar keine Bürste zu besitzen. Was er vor seinem Bett getrieben hatte, wusste er nicht und fragen konnte er ihn auch nicht mehr, da der Igel in diesem Moment beleidigt durch die offene Schlafzimmertür in den Garten getrippelt war.

Francesco wohnte im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in einem Vorort von Chicago. Er hatte Glück, die Erdgeschosswohnung bekommen zu haben. So konnte er direkt vom Schlafzimmer in den Garten. Und auch die Igel. In beide Richtungen. Im Grunde wusste er gar nicht, weshalb es Glück war, die Erdgeschosswohnung mit all den blühenden Blumen dahinter bekommen zu haben. Doch es waren die Worte des Maklers. Und auch die von Mrs. Zuckerman, der Hausmeisterin, die die andere Erdgeschosswohnung des Hauses bewohnte. Doch die waren vermutlich beide keine Allergiker. Also rieb sich Francesco erstmal seine zu gequollenen Augen und putzte sich geräuschvoll die Nase. Und konnte zumindest durch letzteres sicher sein, dass Mrs. Zuckerman nun auch wach war. Seine tägliche Art der Rache für all die Blumen, die sie vor seiner Terrasse gepflanzt hatte.

Im Badezimmer angekommen, nickte sich Francesco erst einmal anerkennend zu. Also nicht sich selbst. Er war ja nicht schizophren. Seinem Spiegelbild natürlich, denn was er sah, war ein durchtrainierter italienischer Premiumkörper im leistungsfähigsten Alter. Auch wenn er ihn etwas verschwommen sah. Der verquollenen Augen wegen. Er sprang unter die Dusche und säuberte sich singend. Zu den schönen Klängen von Nessun Dorma. Wie das Italiener nun mal machen. Zwar nicht wirklich schön, wie auch, schließlich war seine Familie schon die vierte Generation nicht mehr im Land der schönen Klänge beheimatet, aber immerhin laut. Vielleicht ein weiterer Grund, weshalb Mrs. Zuckerman vornehmlich Blumen pflanzte, gegen die er allergisch war.

Heute war sein großer Tag. Der erste Auftrag würde erfolgen. Er war aufgeregt, doch seiner Fähigkeiten sicher. Es musste also ein kräftiges Frühstück her. Mit allem drum und dran. Also machte er sich ein Meal Replacement Shake mit einem Extraschuß Whey Protein Powder. Einen solchen Körper bekam man schließlich nicht von Eiern mit Speck. Wieder nickte er sich anerkennend zu. Diesesmal jedoch ohne Spiegel. Wer hatte sowas auch schon in der Küche? Doch er war nicht auf den Kopf gefallen und ging wieder ins Badezimmer, vor dessen Spiegel er nochmal nickte und sich anerkennend mit dem Shaker zuprostete. Opa wäre stolz auf ihn gewesen. War er aber nicht. Denn er wusste von all dem nichts. Er war tot. Vor ein paar Jahren an Herzversagen gestorben. Jeder reagiert halt auf seine Weise, wenn er morgens erwacht und in die toten Augen eines Pferdekopfes blickt.

Francesco zog sich seine schwarze Anzugsjacke über, steckte seine Pistole in das Schulterholster und nickte sich im Garderobenspiegel nochmal anerkennend zu. Sicher ist sicher. Dann schloss er die Wohnungstür hinter sich und stellte sich breitbeinig mit den Händen an den Hüften und hoch erhobenen Kinn demonstrativ auf. Anschließend raufte er sich die Haare. Oder hätte es jedenfalls getan, wenn ihm etwas mehr als er schwarze Haarkranz geblieben wäre. Also klatschte er sich nur auf die bis zum Hinterkopf reichende Stirn. Er hatte sein Magazin auf der Garderobe liegen gelassen, als er sich anerkennend zugenickt hatte. Neben dem Wohnungstürschlüssel im übrigen, weshalb es ein zweites mal klatschte.

Mrs. Zuckerman machte ihm natürlich gerne mit ihrem Zweitschlüssel auf. Sie hatte dabei ein diabolisches Grinsen aufgesetzt. Nicht, dass die alte Mrs. Zuckerman je anders als diabolisch grinste, doch dieses mal war es außerordentlich diabolisch. Vermutlich hatte sie Samen besonders allergener Pflanzen in den weiten Taschen ihres rosa, mit Plüsch besetzten Morgenrockes und sah die jungen Pflanzen bereits sprießen. Direkt in Francescos Kopfkissenbezug.
„Danke, Mrs. Zuckerman“, sagte Fransesco, als Mrs. Zuckerman ihm aufgeschlossen hatte und sich wortlos wieder durch ihre offene Wohnungstür begeben hatte. „Sie sind ein Engel.“
„Ach, lecken sie mich doch am Arsch“, sagte sie höflich, aber bestimmt. Vier Uhr morgens schien nicht ihre Zeit zu sein.

Doch Francesco war bereit. Er lud seine Waffe durch und verstaute sie dort, wo er sie zuvor bereits ohne Magazin verstaut hatte. Das anerkennende Zunicken musste ausfallen, denn er war inzwischen nicht mehr in seiner Wohnung, sondern auf dem Weg zum Auto, einem schwarzen Lincoln mit extra großen Kofferraum.

Rückspiegel und erster Auftrag, ich komme.

Kapitel II

12 Kommentare:

  1. "Nessun dorma"--- Prust.

    Und woher kenne ich die Episode mit dem Pferdekopf? Aus dem Paten, oder?

    grübelt
    Lily

    Wow. Eine Wortbestätigung mit zwei y. Und zwei q.

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  2. Meine Wortbestätigung ist ja: znznsc
    Höhö.^^

    Mal ne Frage: Gehts nochmal weiter mit der Geschichte um den Typen, der den Nazis den Arsch versohlt hat?

    Zur Geschichte: Liest sich schön, ist auch lustig. Wobei man erst am Ende Lust auf mehr kriegt. Ist er Auftragskiller oder Privatdetektiv...? *g*

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  3. @Lily
    Yep. Ist aus dem Paten. Gut erkannt ;-)

    @marco
    Yep. Diese Geschichte geht ebenso weiter wie die soeben gelesene.

    Danke euch beiden für's lesen.

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  4. Ich wollt auch schon nach der von Marco angesprochenen Geschichte fragen, bin aber auch hier bei dieser gespannt, wie's weitergeht!
    :)

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  5. Bin schon am Schreiben, Frau Meise. Morgen ist's so weit ;-)

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  6. ..bin auch gespannt.. bei den vielen langen entspannenden zugfahrten haben sie jetzt ja viel zeit.... *g*

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  7. Und auch bei meinen S-Bahnfahrten von A nach B, mittlerweile ;-)

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  8. Ich hoffe doch das Mrs Zuckerman die Hauptdarstellerin der Geschichte wird!

    Denn "Francesco" sehe ich jeden Tag im Spiegel!^^

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  9. Subtitle: "The Italian Stallion Gets Sugar" ;-)

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  10. So, lieber Marco, liebe Frau Meise, hier wäre dann der versprochene dritte Teil. Der vierte ist auch schon fertig ;-)

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  11. Eine ganz neue Facette Humor, die ich da entdecke. Francesco Fontanellos schusselige Eitelkeit kommt voll durch. Und von der fiesdiabolischen Mrs. Zuckerman (was für ein Name!!!) werde ich mir mal ein Scheibchen abschneiden...

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  12. Meric. Von Frau Zuckermann, im übrigen, können Sie sich nicht nur gerne ein Scheibchen abschneiden, sondern auch gefasst sein, wieder zu lesen. Kapitel zwei ist schon geschrieben und kommt morgen ;-)

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