Dienstag, 14. Mai 2019

Besitz und Glück - Macht Konsum glücklicher?


„Wie kommst du mit dem Verzicht zurecht?“, wurde ich gefragt und konnte erst gar nicht antworten. Nicht, weil ich nicht gewusst hätte, wie ich zurechtkomme, sondern weil ich zunächst einmal den Verzicht suchen musste. Ich versuchte es mit einer Gegenfrage: „Ist es Verzicht oder einfach nur Rückbau von Überfluss?“ Wohlstand hat sicherlich individuelle Definitionen. Ein hoher Lebensstandard mag für jemanden mit niedrigem Einkommen vielleicht schon mit dem Besitz eines Autos beginnen, während ein Top-Manager ihn möglicherweise erst dann gekommen sieht, wenn sich noch ein Cabriolet für das Wochenende geleistet werden kann. Deutschland ist immerhin weltweit auf Platz 18 der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen. 

Natürlich hilft es den vielen Geringverdienern nicht, dass das Bruttoinlandsprodukt durch wenige Bestverdiener lediglich rechnerisch auf gut 45.000 Euro pro Kopf und Jahr gehoben wird, aber die Frage ist eine andere: Brauche ich diesen Konsum? Bin ich dann zufriedener? Ist das Leben mit dem Erst- oder gar Zweitauto ein glücklicheres? Die Glücksforschung ist eine noch sehr junge Disziplin, doch die Empirie ist eindeutig: Sobald die Grundbedarfsdeckung überschritten ist, steigt die Lebenszufriedenheit nicht mehr parallel zu Einkommen und Besitz an. Wer auf dem Land lebt, eine schlechte Anbindung und keine örtliche Einkaufsmöglichkeit hat, wird mit einem eigenen Auto glücklicher sein. Ich selbst wohne zentral, habe eine gute Anbindung an Bus und Bahn und den Marktplatz direkt vor der Haustür. Ein Auto steigert meine Zufriedenheit nicht. 

Steigert das Freizeitauto das Lebensglück eines Managers? Die Glücksforschung sagt Nein. Der Kauf wird zwar Glückshormone ausschütten, auch der Geruch des neuen Fahrzeugs, das erste Mal den Motor zu starten oder durch die Landschaft zu cruisen. Nach wenigen Wochen ist das jedoch verflogen, und es ist auch nur noch ein Auto wie das erste. Allerdings verschlingt es Geld: Steuer, Versicherung, Serviceintervalle, und es braucht einen zweiten Stellplatz, vielleicht sogar eine zweite Garage, die Kosten verursachen. Noch schlimmer: Es verschlingt Zeit, denn ich muss es pflegen, mich um die Instandhaltung kümmern. Um auch nach dem Fahrzeugkauf noch denselben Standard zu leben, muss ich mehr arbeiten, obwohl ich bereits durch die Anschaffung weniger Zeit zur Verfügung habe. In einer repräsentativen Umfrage für die Bertelsmann-Stiftung gaben die Befragten im Jahr 2010 an, dass Gesundheit (80 %) sowie eine intakte Familie und Partnerschaft (72 %) für sie die wichtigsten Quellen für Lebensqualität sind; „Geld und Besitz zu mehren“ nannten nur zwölf Prozent als Quelle. Hier klaffen, was wir uns wünschen und was wir leben, auseinander. Während wir uns durch Konsum und Besitzmehrung in immer mehr Arbeit zwängen, fehlt uns die Zeit, unsere zwei höchsten Güter für unser Lebensglück zu pflegen. 

Bevor mir jetzt jemand vorwirft, Top-Verdiener belehren zu wollen, zurück zu Menschen wie Sie und ich. Bei uns ist es nicht das Freizeitauto, aber vielleicht das nächste Smartphone, eine andere Spielekonsole oder ein weiteres Kleidungsstück. Ich selbst versuche, mich dem Konsum zu enthalten, und ich nutze absichtlich nicht das Wort „Verzicht“. Mit weniger Konsum und dafür mehr Zeit für einen gesunden Lebensstil und die Pflege meiner sozialen Kontakte komme ich gut zurecht. „Zurechtkommen“ nutze ich im Gegensatz zu „Verzicht“ absichtlich, den so kommen die wichtigen Dinge des Lebens zu ihrem Recht, und das war auch meine Antwort.

Bildquelle: de:Benutzer:Igelball - Image copied and source information extracted from de:Bild:Smart fortwo.jpg, uploaded to commons: Milkmandan 15:07, 21 Apr 2005 (UTC), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=115439

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