Mittwoch, 22. April 2015

Planet oft the Vegetables (Teil 5, Finale)

Gemüse macht stark, ist aber schwach!
Charly stand auf seinem Küchentisch und schlug mit einem Telefonbuch auf seinen mannshohen Kühlschrank ein. Der Kühlschrank quittierte die Schläge mit völliger Coolness, während er sich jedoch nicht beeinflussen ließ, seinen Inhalt dennoch ungekühlt zu lassen. Neben Charly stand Maik. Maik stand wie immer hauptsächlich neben sich und darüber hinaus an den Kühlschrank gelehnt. Er kaute, ganz wie Bugs Bunny an der Möhre, an einer monströsen Salatgurke und sagte: „Ich ess was, Doc!“ Der Kühlschrank brummte mit jedem Telefonbuchschlag, setzte aus, brummte, und Charly schrie: „Lauf endlich wieder, du herzloses Küchengroßgerät.“ Im Inneren des Küchengroßgerätes, das bereits seit Tagen sämtlichen Versuchen, es zu reparieren, beharrlich widerstand, begannen diverse Gemüse ihre Aggregatzustände zu ändern und sich zu einer verhängnisvollen Substanz zu vermischen, die alsbald, für die Leserinnen und Leser dieser Serie wenig überraschend, einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum verursachen würde, sobald der richtige Impuls gekommen wäre. Maik verschlang den letzten Rest der Salatgurke und griff nach vorne, um die Kühlschranktür zu öffnen. „Du frisst mir nicht mein letztes Gemüse weg“, rief Charly, nicht wissend, dass sein Gemüse bereits entschieden hatte, von selbst wegzulaufen, und schwang sich zwischen Maik und die Kühlschranktür, die er im selben Moment geöffnet hatte. Der plötzliche Sauerstoffeinfall setzte eine chemische Reaktion in Gang, die unverzüglich Unmengen an grüner Energie freisetzte, die mit einem lauten elektrischen Knall die Platinen neu zusammenschmolz. Zufällig generierte sich dadurch die elektronische Basis für eine Zeitmaschine. Die Wahrscheinlichkeit dafür unterschied sich nur um einen Zähler von der Unwahrscheinlichkeit. Das wusste der Kühlschrank jedoch nicht, obwohl es ein Gerät von Bauknecht war, die angeblich zumindest immer wissen sollen, was Frauen wünschen. Maik und Charly wurden ungeachtet des stochastischen Unvermögens der Kühlschrankes unmittelbar in eine weit, weit entfernte Zukunft katapultiert.
Als Charly die Augen aufschlug fand sich in einem großen Saal wieder, der annähernd 50 Tische fasste. Er saß auf einem bequemen Stuhl an einem festlich eingedeckten Tisch. Beinernes Besteck mit eingeschnitzten stilisierten Lachgesichtern lag vor ihm und rang ihm ab zurückzulächeln. Charly war in einen feinen Anzug aus dem zartesten Leder gekleidet, über das er je mit seinen Händen fahren zu dürfen das Vergnügen hatte. Charly schaute sich um. An den anderen Tischen saßen ähnlich wie er gekleidete Humanoide mit den buntesten Hautfarben und absonderlichsten Körperformen.
Am Nachbartisch Tisch saßen ein menschengroßer Brokkolo im Abendkleid, eine Bohnenstange von einem Humanoiden mit einer menschenkopfgroßen Walnuss zu oberst, aus der zwei strahlende Augenpaare hervorstachen, und ein schlanker Champignon von gut einem Meter und achtzig mit Frack und Zylinder. Frau Brokkolo sagte: „Schaut her, ich sehe aus wie ein Baum!“ und richtete sich unter Kichern der Walnuss auf. Die Walnuss räusperte sich, lupfte die obere Hälfte ihrer Schale und sagte unter Kichern von Frau Brokkolo: „Schaut her, ich sehe aus wie ein Gehirn!“. Der Champignon wandt seinen eichelartigen Schädel ab und sagte: „Ihr wisst, ich hasse dieses Spiel“. Beide kicherten erneut, der Champignon errötete. Als die drei Charly bemerkten, verstummten sie. Der Champion hob den Arm und rief nach einem Kellner. „Was können Sie denn heute empfehlen, Garcon“, sagte er, als der Livrierte, ein Humanoider mit dem Äußeren einer Aubergine, vor ihm stand.
„Nun, das Tagesangebot, das ich Ihnen sehr empfehlen kann, wäre eine Suppe vom Kaukasier mit Chlorophyll-Einlage. Als Hauptspeise einen Schenkel vom homo erectus, eine Rückzüchtung, die mit außerordentlichem Bouquet besticht. Zum Nachtisch dann etwas frische Rohkost vom lokalen Bauernmarkt.“
„Finde es toll, dass sie den Nachtisch schon am Nachbartisch haben“, flüsterte er dem Kellner zu.
„Haloooo, ich höre euch!“, sagte Charly. Schweigen breitete im Raum aus wie veganer Vanillepudding über einem Tellerchen reifer Himbeeren
„Ih, es kann sprechen. Wer will es jetzt noch essen?“, riefen die Gäste der 50 Tische sinngemäß plötzlich durcheinander.
Charly drehte sich verwirrt um die eigene Achse. „Wo ist Maik?“, dachte er sich, während Maik von drei Kellnern auf einer Servierplatte hereingetragen wurde. Er war nackt, aber roh. „Maik?“, fragte Charly den auberginen Oberkellner. „Frisch vom Markt!“, antwortete dieser, da er am schnellsten die Fassung zurückgewonnen hatte und zum Tagesgeschäft übergegangen war.
„Entschuldigen Sie, ich hatte ein gut gemästetes Exemplar bestellt“, sagte der Tomatenvater empört, an dessen Tisch das Maik-Dessert für vier gebracht wurde.
Maik schaute an seinem gut exponierten Speckgürtel runter, an dem Maiks unverschlossener Kühlschrank einen maßgeblichen Anteil hatte, und war beleidigt.
„Hey, das hat alles Geld gekostet“, sagte Maik tief verletzt.
„Ja, mein Geld, Schmarotzer!“, sagte Charly.
„Ih, es spricht, bringen Sie es weg“, rief der Tomatenvater mit Ekel in der Stimme.
„Können wir es behalten? Bitte, Pappi!“, flehte eine kleine Kirschtomate, derweil Maik von der Servierplatte sprang und zielstrebig auf Charlys Tisch zustrebte.
„Bah, würdest du dir bitte etwas vor deinen Stengel halten. Das ist ja widerlich. Ich sitze am Essenstisch!“
Maik hob gleichgültig die Schultern, zog im Vorbeigehen ein grünes Tuch vor sein Gemächt und setzte sich Charly gegenüber an den Tisch. Hinter ihm krachte es.
„Au, meine Haare, sie Schuft!“, sagte eine weibliche Stimme, die einer Salatkopffrau gehörte, deren grüne Pracht sich halb um Maik gewickelt hatte. „Verzeihung!“, sagte Maik zu der neben ihm liegenden grünen Schönheit, behielt sie aber dennoch um sich gewickelt.
„Alter, was ist hier los?“, sagte Maik und schaute auf den leeren Teller vor ihm. „Garcon!“
„Ich weiß nicht. Irgendwie bin ich schon wieder in der Zukunft gelandet.“
„Wie? In der Zukunft? Und was meinst du mit -schon wieder-?“
„Öh, stimmt. Du warst ja immer gestorben, als ich in die Zukunft katapultiert wurde!“
„Wie? Gestorben?“, sagte Maik, aber da er befürchtete, die Antwort könnte ihm vielleicht nicht zusagen, lenkte er gekonnt vom Thema ab. „Weißt du eigentlich, dass du total die Ähnlichkeit mit dem jungen Charleton Heston hast?“
„Hilfe!“, sagte die noch immer halb um Maik gewickelte Salatkopffrau, und die ersten Gemüsegestalten, offenkundig männlichen Geschlechts, erhoben sich.
„Papa, Papa“, hörten sie die Stimme der kleinen Kirschtomate. „Der Nachtisch macht der Tante Aua!“
„Charlton Heston also!“, sagte Charly, und Maik nickte.
„Sie grober Lüstling!“, sagte die Salatkopffrau und schüttelte sich eine Schnecke aus dem Schopf.
„Hey!“, sagte ein cholerischer Hüne von einem Gemüsemann in Form einer roten Paprika. „Lasst die Dame sofort los, sonst setzt es was!“ Er lief rot an und auf die beiden zu. Gleichzeitig setzte sich der Tomatenpapa in Bewegung und baute sich vor den beiden auf. Hinter ihm stand der Auberginenkellner und einige junge Gemüse, die dem juvenilen Phytohormonstau durch Gewalt Luft zu verschaffen suchten.
Maik drehte sich abrupt um, als eine Hand auf seinem Rücken landete. Die Salatkopffrau war nun vollends um Maiks Hüften geschlungen und kommentierte es mit einem „Umpf!“.
„Auf sie!“, rief der Tomatenpapa, und unzählige chlorophyllgestählte Fäuste schwangen unheilvoll auf die beiden zu. Pflanzenkraftstrotzende Hände streckten grob nach ihnen aus. Das ganze hätte unter normalen Umständen mit zwei geschundenen Menschenkörpern geendet, doch wie konnten die Gemüseherrschaften ahnen, dass diese beiden Exemplare keine für den Konsum gezüchteten Exemplare mit dünner, weicher Haut, gummiartigen Knochen und mürbem Fleisch waren. Es waren stabile Menschen aus der Zeit weit, weit bevor erste genetische Experimente mit Gemüsen zu Exemplaren mit Intelligenz geführt hatten, die Jahrhunderte später die Weltherrschaft an sich reißen sollten.
Als der Tomatenpapa in Reichweite war, schrie Maik „Ketschup“, und ein besseres Bild zu dem, was anschließend geschah, könnte kein anderer Schlachtruf schaffen. Derweil zerschnitt Charly das cholerische Paprika zu Paprikastreifen julienne und lächelte dabei mit Intarsien seines beinernen Steakmessers um die Wette. „Nehmt ihm das Messer ab!“, schrie der Auberginenkellner und griff mit beiden Händen nach Charlys Arm, der sich mühelos los riss und dabei ungewollt auch gleich die Hände des Kellners ab. Zucchinihalbstarke, Pastinakenmuskelmänner, Karottenkämpfer, sie alle brandeten chancenlos an der menschlichen Zweimannarmee ab. Rataloullie-Tage, würde der Tag des Massakers später in den Zeitungen der Gemüsewelt heißen und ein Umdenken im Verhalten Menschen gegenüber bewirken.
Der Boden bedeckte sich mit Gemüsesaft, überall gewürfeltes Gemüse, solches in Streifen, gemußtes, und so wäre es weiter gegangen, wenn der Gemüsesaft nicht die Dessertkühltruhe des Saales geflutet, der Sauerstoff eine chemische Reaktion ausgelöst, die Platinen zufällig zu einer Zeitmaschine umgeformt und Maik und Charly zurück an dessen Küchentisch katapultiert hätte.
„Wow!“, das war ja abgefahren, sagte Maik.
„Wenn du wüsstest, wo ich schon überall gelandet war!“, sagte Charly und dachte an Rinder-,  Hühner-, Fisch- und Schweinewelten.
Sonderbarerweise funktionierte der Kühlschrank wieder und war voller intaktem Gemüse. Maik nahm einen Tomatensaft und mixte zwei Bloody Mary.
„Prost!“, sagte er. „Gemüse ist doch das Beste!“
„Out of my dead cold Hands!“, sagte Charly und reckte sein Glas in die Höhe.
Er sah wirklich aus wie Charleton Heston!

Montag, 20. April 2015

Kleingärtnerwelten

Preußisch akkurat geschnitten
Steht Halm an Halm in Reih und Glied
Der deutsche Rasen, und inmitten
Schwarz-rot-gold die Fahne weht,
bezeugend, dass dies Ordnungsfeld
Mit deutscher Gründlichkeit bestellt.

Dann weht ein Samen aus der Fremde
Durch ein Loch im Maschendraht
Und unentdeckt von Gärtnerhänden
Gedeiht ganz frech die Unkrautsaat,
Die sonst sofort herausgerissen
Und aus dem Garten ausgewiesen.

Gezackte Blätter schlagen aus,
Und Stören deutsches Halmewogen
Und der Gärtner bellt hinaus
Dass gänzlich überzogen
Von buntbelumten Pflanzenarten
bald der einheitsgrüne Vorschriftsgarten.

Dann kommt sein Enkel ihm zur Seite
Schaut, kinderäuglich leuchtend rein,
Der Pflanzenvielfalt volle Breite.
Wie schön und bunt die Blumen sei’n,
sagt er mit Freude in der Stimme
Und mithin vergeht das Schlimme,

Das er gärtnernd in dem Fremden sah.
Es sinkt der Unkrautstecher nieder
Und Enkelchen nimmt Großpapa
Und zeigt ihm endlich wieder
Was ihm als Kind selbst in den Augen stand:
Da gab es für ihn keine Rasen, 
nur blütenbuntes weites Land.








Sonntag, 19. April 2015

Dreißigster Schritt: nonkonsumistische Gottesbeweise erbringen

Würfelt zwar nicht, macht aber Uhren kaputt!
Wenn Plastic-Diary-Souschef Dennis einen Exkurs in die Plastikmüllredution wagt, darf ich nicht zögern, mich in die Gefilde des Minimalismus zu wagen. Mit Erfolg, denn ich habe unerwarteterweise dadurch einen Gottesbeweis erbracht. Aber ich will von vorne beginnen. Zum ersten April – auch zu diesem Datum kein Scherz – startete ich meinen ersten Nonkonsummonat: Einen Monat lang nichts erwerben, das über die Verbrauchsartikel des täglichen Bedarfs hinausgeht. Wie durch Zufall passierte Folgendes: Gleich am ersten Tag trainierte ich mit einem erst zwei Monate zuvor erworbenen Teraband, und es riss. Ich nahm es pragmatisch. Immerhin habe ich seit dem zwei Terabänder zum Preis von einem. Dann ging meine Pulsuhr, die ich zum Joggen nutze, wenige Tage später einfach nicht mehr an. Ganz gleich, was ich versuche, das Display blieb tot. Ganz gewiss auch ein Zufall! Weitere Tage später: Plötzlich, unerwartet und aus „heiterem Himmel“ entsteht ein trollhandgroßer Radialbruch in der Windschutzscheibe meines Autos. Zufall? Heute: Mit weltlichen  Erklärungsansätzen nicht zu begründen, fällt mir meine Armbanduhr von Handgelenk, einfach so, ausgerechnet mit dem Glas nach unten, und das Display zerspringt. Stochastik war voll mein Ding in der Schule, aber da geht jetzt echt zu weit! Für mich gibt es hier nur zwei plausible Erklärungsansätze:

  1. Nichts geht einfach so kaputt. Irgendetwas muss mein Teraband, meine Windschutzscheibe und meine Uhren bewegt haben, ihren physikalischen Zustand zu ändern. Da sich nichts von sich selbst bewegt (Beamte wissen das!), muss es einen Beweger geben. Dieser Beweger kann nur Gott sein. Tja, Herr von Aquin, so einfach geht das! Offensichtlich ist der würfelspielmeidende Alte entweder eng verwoben mit der Non-Food-Sektion der Wirtschaftslobbyisten und sagt mir damit: „Konsumiere!“, oder er ist selbst Minimalist und prüft mich (die letzte Option ist charmanter, wenn auch Herr van Elst eher an die erste Option glauben lässt). 
  2. Gummi reißt, wenn man es unter Spannung über scharfkantiges Metall zieht (Teraband), Glas zerspringt, wenn man es unter Spannung einer Erschütterung aussetzt (eine peinliche Geschichte zu meiner Windschutzscheibe, die ich nicht weiter vertiefen möchte), nach knapp zehn Jahren Dauernutzung kann Material durchaus ermüden (die Uhren), und ich war in Stochastik weniger gut, als ich in Erinnerung hatte.

Wie auch immer … jedenfalls geben mir diese „Zufälle“ die Gelegenheit darüber nachzudenken, was diese Gegenstände für mich bedeuten. Noch im März wäre ich vermutlich losgezogen und hätte mir gleich ein neues Teraband geholt, gleich eine Nummer stärker, denn offensichtlich bin ich bereits zu stark für das silberne, wenn es einfach so reißt. Da ich jedoch in meinem Nonkonsummonat bin, gibt mir das die Möglichkeit zur Reflexion meines Konsumverhaltens. Ich teste aus, und, siehe da, auch mit dem verkürzten Band kann ich weiterhin arbeiten. Size matters! Von wegen! Auch die Armbanduhr werde ich nicht ersetzen. Immerhin schleife ich mein Handy überall hin mit. Wozu also einen zusätzlichen Zeitanzeiger reparieren lassen oder gar ersetzten? Auch die Pulsuhr, muss ich mir eingestehen, war nur ein hübsches Gimmick. Es war schön, später nach dem Datenimport auf den Rechner gesehen zu haben, wo ich lief, wie schnell, an welcher Stelle, ich welchen Puls hatte und auf lange Sicht, wie ich mich verbessert hatte. Doch unterm Strich nutzte ich diese Daten nur, um sie zu betrachten. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich sie je zu Rate gezogen, um mein Training anzupassen und bessere Ergebnisse herauszuholen. Also bleibt auch sie unersetzt, zumal es auch für diesen Zweck eine App gibt. Nur die Frontscheibe muss ich ersetzen. Und warum? Wegen dieser Atheisten vom TÜV!