Dienstag, 28. April 2020

Raus in die Natur - Kleingärtnern, Saisongärteln und die Dachterrasse

Raus in die Natur - Kleingärtnern, Saisongärteln und die Dachterrasse
Vom 11. bis zum 15. Mai werden Gartenfreunde von den Eisheiligen besucht. Ihre Namen: Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophia von Rom – es sind deren Namenstage, zu denen die Bauerregel sagt, dass mit Frost zu rechnen ist. Der Feind eines jeden Hobby-Gärtners, der seine mit Liebe gezogenen Setzlinge zu früh gesetzt hat. Allerdings nutzen wir seit knapp 500 Jahren den Gregorianischen Kalender und nicht mehr den Julianischen, auf den sich die Bauernregeln bezogen. Dieser und damit die gefürchteten Kälteeinbrüche sind somit um eine Woche nach hinten verschoben, also auf die Tage ab dem 20. Mai. Diese sind die Namenstage von Elfriede, Wiltrud, Rita, Renate und Esther. Warum wurde das nicht geändert? Vermutlich, weil die Reime einfach unschlagbar sind. „Der heilige Mamerz / hat von Eis ein Herz“, „Mamertus, Pankratius, Servatius / stehn für Kälte und Verdruss“ oder „Vor Nachtfrost bist Du sicher nicht / bis Sophie vorüber ist“. Was sollen die wirklichen Eisheiligen da schon ausrichten? „Bis zur heiligen Elfriede / gehört der Garten gemiede“ kann allenthalben Hessinnen und Hessen begeistern,  „Gerade kam Wiltrud / als die Kälte sich entlud“ überzeugt auch wenig und „Rita ist wie Renate und Esther / eine eiskalte Schwester“ klingt eher wie ein neues Rap-Projekt aus Rödelheim als eine Regel, die den Gärtnerinnen und Gärtnern in Erinnerung riefe, sich trotz erster warmer Tage nicht zu sicher zu fühlen. 

Das Bundesamt für Statistik sagt, dass im Jahr 2019 rund 8,97 Millionen Menschen über 14 Jahre gab, die mehrmals wöchentlich im Garten arbeiteten. 900.000 Hobbygärtner sind unter dem Dach des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde organisiert und bewirtschaften 44.000 Hektar Land. Auch in der Wetterau gibt es zahlreiche Kleingartenanlagen und Gartenbauvereine wie die Gemeinschaft Usa-Gärten e. V. (http://www.usagaerten.de/) mit 65 Kleingärten zwischen Friedberg und Bad Nauheim. Deren und die Gartengrundstücke vieler anderer sind in der Wetterau begehrt; die Wartelisten sind lang. Eine andere Möglichkeit sind Saison-Gärten, wie der, den die Familie Klingmann in Friedberg-Fauerbach anbietet (https://www.saisongarten-friedberg.de/). Dort wird der Boden fachmänisch bestellt, und die Pflege übernimmt die Saisongärtnerin oder der Saisongärtner. 

Warum ist es so ökologisch, selbst zu gärtnern? Die meisten Kleingartenvereine oder Saisongärten sind so gelegen, dass sie mit kurzen Wegen, häufig sogar per Rad oder zu Fuß erreicht werden können. Das spart Energie und damit CO2 – insbesondere, wenn man bedenkt, dass 40 % der Lebensmittel in Europa Importe sind. Der Selbstversorgungsgrad für Nahrungsmittel in Deutschland liegt bei rund 88 Prozent. Deutschland muss folglich Nahrungsmittel importieren, um den eigenen Bedarf decken zu können. Der Gesamtwert der Nahrungsmittelimporte summierte sich zuletzt auf rund 49,2 Milliarden Euro. Das ist mit Energiekosten verbunden und geht zudem zu Lasten der Frische, des Vitamingehalts und auch des Geschmacks der Lebensmittel. Warum spanische Tomaten, italienische Paprika und holländische Gurken, wenn sie auch selbst angebaut und geerntet werden können? Da schont nicht nur die Umwelt, sondern sogar den Geldbeutel. Aus eigener Erfahrung – ich bewirtschafte gerade wieder meine Terrasse hoch über den Dächern der Kreisstadt – lassen sich gut 80 Prozent der Nahrungsmittelkosten einsparen, wenn man selbst gärtnert. Die Kostenersparnis bedeutet eine Investition von Zeit, die man mit Erde unter den Nägeln erbringt, aber ganz ehrlich: Das erdet! Aber bitte erst nach Schwester Esther!

Dienstag, 14. April 2020

Keine Krise wie die andere

Keine Krise wie die andere
Ja, ich weiß. Das ist die dritte Kolumne in Folge, die sich um Corona dreht. Ich verspreche, ich werde bald wieder von etwas anderem schreiben. Vogelgrippe, Schweinegrippe, Ebola, EHEC, es gibt so viele Themen. Ich muss jedoch noch einmal davon schreiben, denn ich finde so viele in den Sozialen Netzwerken, die zurecht fordern, dass Krisen, insbesondere die Klimakrise, gleichbehandelt werden sollen. 

Unter dem Hashtag #netzstreikfuersklima ist Fridays for Future, die durch Corona auch nicht mehr auf der Straße für den Paradigmenwechsel in der Klimapolitik demonstrieren können, in die virtuelle Öffentlichkeit gewechselt. Frei von Ansteckungsgefahr für die Teilnehmenden! Die Forderung ist absolut gerechtfertigt, denn gerade die Klimakrise bedroht die Menschheit wie keine andere jemals zuvor in ihrer Geschichte. Sie könnte das sein, was möglicherweise jener Meteor vor Millionen von Jahren für die Dinosaurier war. Und damit tritt bereits ein klarer Unterschied zutage. Der Dinosaurier von damals stand nicht an seinem riesigen Weltraumteleskop und hatte den Steinbrocken nahen sehen. Es kamen zum Ende der Kreidezeit nicht alle Riesenechsen zusammen und berieten sich, wie der Aufprall zu verhindern sein könnte. In Angesichts der nahenden Gefahr hätten sich die Argentinosaurier, die Diplodocus und Brontosaurier und alle weiteren gewichtigen Artgenossen in völliger Einigkeit entschlossen haben können, die westliche Hemisphäre aufzusuchen. Der Supersaurus hätte bis drei gezählt, dann wäre die komplette dinosaurische Lebendmasse gleichzeitig hochgesprungen und hätte die Weltkugel beim Aufkommen kurzfristig aus der Bahn springen lassen. Der Meteor wäre vorbeigerauscht, dann hätte sich dasselbe auf der Ostseite wiederholt und das Leben wäre wieder in gewohnten Bahnen verlaufen. Der T-Rex hätte seine kurzen Ärmchen zum Mittelfingerzeigen gen Himmel erhoben und dem Verglühen eines Sternenschweifs lächelnd zugeschaut. Auch wenn die Weltpolitik in Sachen Klima dieselbe Behäbigkeit wie ein Brachiosaurus aufweist – jede Krise ist anders. 

Die Klimakrise ist wie das Rauchen. Man weiß, dass es schädlich ist, aber weil es viele machen, man noch bei niemanden nach dem Schmauchen Zungenkrebs hat sich entwickeln sehen und ja außerdem der Heesters auch als Raucher über 100 geworden ist, raucht man eben weiter. Das Coronavirus ist eher wie ein Laster mit Zigaretten, der seit China beschleunigt und nun ohne Bremsen auf uns zurast. Da weicht man schnell mal aus und ruft auch gerne: "Achtung, ein Laster. Bleibt von der Straße fern!" Man reagiert, indem man sein Leben genügsamer lebt – schließlich hält auch das Toilettenpapier nicht ewig. Das Problem ist nur, sobald der Laster sauber eingeparkt ist, öffnen wir den Laderaum... und rauchen erstmal eine! Keine Krise ist wie die andere.

Auf die Klimakrise muss dauerhaft reagiert werden und sie ist noch zu abstrakt. Wissenschaftler können sich ja auch irren, scheint der eine andere zu denken. Bei Corona fällt es schwer, die Wissenschaft zu ignorieren, denn inzwischen kennt jeder jemanden, der Infiziert ist oder zumindest jemand Infizierten kennt. „Du, ich hab‘ Klima!“, habe ich noch niemanden sagen gehört. Dabei haben wir das doch alle.  Also bitte, glaubt der Wissenschaft. Sie irrt zwar manchmal, aber immerhin korrigiert sie sich, wenn sie es erkannt hat. Die Dinos haben ihrem Astronomussaurus nicht geglaubt, als er rief: „Leute, wir haben eine Meteorenkrise!“. Seid wie der Argentinosaurus. Seid schwer. Springt. Eins, zwei, drei, JETZT!

Mittwoch, 8. April 2020

Plogging - für Fitness und Umwelt

Plogging - für Fitness und Umwelt

Wenn einem in Friedberg ein schnell laufender Mensch mit einer Tüte in der Hand begegnet, so ist das nicht zwangsläufig ein flüchtiger Räuber und ein Fall für die Polizei. Trägt er sportliche Kleidung, dann ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein „Plogger“. 

Das „Plogging“ ist ein aus Schweden stammender Trend, bei dem Dauerläufer während ihres Sports Müll von der Strecke einsammeln. Der Begriff setzt sich aus dem schwedischen Wort „plocka“ für sammeln und dem bekannten „Jogging“, englisch für trotten, zusammen. Es ist eine Form des Müll-Aktivismus, die gleich zwei positive Effekte kombiniert: Sie fördert Gesundheit und Umweltbewusstsein gleichzeitig. Ins Leben gerufen wurde die Bewegung vom schwedischen Umweltaktivisten Erik Ahlström. Inzwischen gibt es Plogging-Gruppen überall auf dem Globus. In Schweden ist das seit dem Jahr 2016 sogar ein organisierter Sport.

Einer, der das in Friedberg macht, und zwar schon bevor die Sache einen Namen bekam, ist Gottfried Krutzki. Der 75-jährige Rechtsanwalt im Ruhestand joggt zwei- bis dreimal wöchentlich mit einer Plastiktüte durch Friedberg. Vorbild war sein 2011 verstorbener Bruder. „Er war stark in seiner Mobilität behindert, was ihn aber nicht daran hinderte, sich bei gemeinsamen Spaziergängen immer zu bücken, wenn er Müll am Weg sah“, sagt Krutzki stolz. Er habe dann immer gesagt, er könne es nicht sehen, dass die Natur so verschmutzt wird. Irgendwann hatte sich Krutzki dann entschlossen, immer eine Plastiktüte mitzunehmen, wenn sich beide zum Spaziergang trafen. Nach dessen Tod behielt er es bei. Friedberg und seine Bürgerinnen und Bürger sind Krutzki wichtig. Seit 1995 lebt er hier, ist aktiv im Umsonstladen und trotz Ruhestand hält er einmal im Monat über das Internationale Zentrum Friedberg im Katholischen Gemeindehaus eine offene Sprechstunde ab. Verständlicherweise gilt seine Aufmerksamkeit auch dem Stadtbild. Besonders sauber sei es inzwischen am Weg an der Usa entlang. Auch dort joggt oder besser ploggt er mit Greifzange in der einen und Plastiktüte in der anderen Hand, die er stets am nächsten öffentlichen Mülleimer entleert, bevor sie sich Schritt für Schritt wieder füllt. 

Bis zu drei volle Beutel zählt er bis zum Ende seiner Joggingrunden. Überwiegend, so sagt er, ist es Müll von Fußgängern, aber auch solcher, der von Autofahrern aus dem Fenster geworfen oder beim Parken entsorgt wird: Fastfood-Müll, Zigarettenschachteln, Süßwarenverpackungen, Plastikfolien, Papiertaschentücher, Trinkflaschen und Papierschnitzel. Immer wieder begegnet Krutzki Menschen, die gleichfalls mit Plastiktüte spazieren gehen. Ein Plogger war ihm jedoch noch nie begegnet. Manche Passagen litten unter einem stetigen Müllstrom, zum Beispiel die Wege an den Bahndämmen und manche wie der Usa-Spazierweg blieben inzwischen erstaunlich verschont. Das Müllsammeln scheint auch einen präventiven Effekt zu haben, vermutet Krutzki. Er erlebt aber auch Kurioses. Als er einmal einen vollen Müllbeutel in einen öffentlichen Müllbehälter entleerte, ging ihn jemand mit den Worten an: "Was fällt Ihnen ein, Ihren Hausmüll hier zu entsorgen." Krutzki sieht es positiv, zeigt es ihm doch, dass es eben sehr viele Menschen gebe, die sich darüber aufregen, dass andere Müll wegwerfen. Leider gebe es aber zu wenige, die die öffentlichen Grünanlagen auch selbstlos von ihm befreiten. 

Dabei gibt es so viele Möglichkeiten, weiß das Internet. Wem Ploggen körperlich zu anstrengend ist, der kann es auch mit Pliking (von „hiking“, englisch für Wandern), „Plalking“ (von Walking) oder „Plycling“ („cycling“, englisch für Fahrrad fahren) versuchen. Wer sich gar nicht zu Sport durchringen kann, dem bleibt immerhin die Rufnummer der Stabsstelle „Sauberes Friedberg“, um illegalen Müll zu melden (0 60 31/88-3 24).