Dienstag, 9. Juli 2019

Aber was ist mit China?

Aber was ist mit China?
Kürzlich führte ich parallel zwei Diskussionen in den Sozialen Netzwerken, und es dauerte nicht lange, bis ich den Eindruck gewann, meine Antworten in der einen in die andere kopieren zu können. Sie liefen beide auf dasselbe hinaus: Was ist mit China? Das Thema war unser Kohlendioxid-(CO2)- verbrauch und die Frage hinter allem: Was bringt es, wenn wir das Verbrennen fossiler Brennstoffe reduzieren, wenn in Fernost neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Das sind durchaus berechtigte Fragen, schließlich ist der Klimawandel ein globales Problem und Deutschland kann nicht einfach eine Glasglocke über sich ziehen, im Sinne von: Bei uns haben wir jetzt wieder gemäßigtes Klima, sollen die Chinesen doch unter ihrer noch gigantischeren Glasglocke selbst sehen, was sie davon haben! 

Zunächst ist es wichtig, das Thema einmal losgelöst von der Physik aus den Augen der Moralphilosophie zu betrachten. Einigkeit besteht, hoffe ich, darin, dass es nicht erstrebenswert ist, den Folgegenerationen die Lebensgrundlage zu entziehen, indem wir im Heute über das uns zustehende Maß Ressourcen verbrauchen, die dann im Morgen mangeln oder, noch schlimmer, die klimatischen Bedingungen drastisch verschlimmern. Das vorausgesetzt, muss sich die Frage anschließen, ob uns ein unmoralisch Handelnder von unserer eigenen Verpflichtung entbinden kann. Um es zu versinnbildlichen: Der Hund ist des Deutschen liebstes Tier. Konsens dürfte darin bestehen, dass man sein Haustier keiner Gewalt aussetzt. Wenn mein Nachbar seinen Hund tritt, ist das moralisch verwerflich. Wenn ich meinen flauschigen Vierbeiner nun unter Verweis auf das nachbarliche Verhalten ebenfalls zu treten beginne, bleibt es eine moralische Verwerfung. Ähnlich verhält es sich moralisch auch mit dem Umgang mit unseren Ressourcen. Ersetze Hund durch fossile Ressourcen und Nachbar durch China!

Nun ist es allerdings so, dass der arme Hund des Nachbarn die Lebensqualität meines Hundes, nennen wir ihn Bello, nicht beeinträchtigt. Bello ist ein glücklicher Hund, und Hasso hat eben Pech. Was uns moralisch ebenso verpflichtet, ist, das Gespräch mit Hassos Frauchen oder Herrchen zu suchen, weil wir ja schließlich nicht wollen, dass der echt goldige Hasso mit seinen großen braunen Kulleraugen weiter so traurig am Zaun steht. Vielleicht hat sein Besitzer Gründe, ihn zu treten. Vielleicht bellt er zu viel. Das macht es nicht weniger verwerflich, aber nur durch Reden kommen wir weiter. Gegenüber wohnt vielleicht ein Hundetrainer. Zusammen mit ihm, bei einem leckeren Bier in der Mittagssonne sitzen wir nun im Garten. Unsere Hunde tollen ausgelassen umher, während im Kopf des Hundehalters langsam die Ideen eures gemeinsamen Nachbarn reifen. Es dauert zwar eine Weile, aber bald lebt auch Hasso gewaltfrei und glücklich, weil sein Halter nun ganz viele Optionen zur Hand hat, wie sein Hund, den er tatsächlich nicht weniger gern hat als ich Bello, weniger bellt, ohne ihn zu treten. Ersetze Hundetrainer durch Staatengemeinschaft, Mittagssonne durch Klimagipfel und Bier durch wirtschaftliche Anreize! 

Ganz nüchtern betrachtet, ist unsere persönliche Verantwortung größer als in China. Immerhin liegt unsere CO2-Emission nach dem Konsumprinzip bei gut 18 Tonnen pro Person und Jahr, und die Chinas bei unter neun. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie in Summe tendenziell steigt und China der weltweit größte Emittent ist. Doch wie Kästner schon schrieb: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Und nun: Aus, Hasso, und Platz!

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