Freitag, 14. Januar 2011

A new Sheriff in town

Halb sieben in der Früh. Frank hatte heute seinen ersten Tag auf der neuen Dienststelle. Endlich auf einem richtigen Revier. Mit seinem geschulterten Seesack, breitbeinig vor dem Eingang stehend,  nickend, mit stolz geschwellter Brust, inspizierte der die Front des Polizeigebäudes. Er kniff die Lippen zusammen und dachte an die trockene Ausbildung auf der Polizeiakademie und die neun Monaten in der Bereitschaftspolizei, die er fast nur Karten spielend in der Reserve verbracht hatte. Er war einfach nur heiß darauf, endlich ein richtiger Polizist zu sein. Frank atmete tief durch und schritt mit leuchtenden Augen in die Sicherheitsschleuse. Er hielt dem Wachhabenden seinen scheckkartenförmigen Dienstausweise vor und sagte: „Morgen! Frank Kraft! Ich bin der Neue.“

Der Wachhabende, Mitte 50, kräftig, mit einem gewaltigen Schnäuzer, betätigte den Summer und begrüße Frank, sobald er die Schleuse passiert hatte mit einem festen Händedruck. Er stellte sich als Hans Fuchsmann vor, den aber alle nur Fuchsi nennen würden.
„Setz dich erst mal da hin“. Er deutete auf einen Stuhl an einer Heizung, an der eine Handschelle hing. „Warte noch einen kleinen Moment. Der Revierleiter ist noch in der Direktion bei der Dienststellenleiterbesprechung. Der begrüßt dich dann. Ich muss wieder an den Funk. Wir haben gerade ne Fahndung. Ist ein bisschen hektisch.“ Frank folgte ihm an den Funktisch.
„Na, gut, dann schau dich halt solange in der Wache um.“ Fuchsmann sprach über Funk eine Streife an und fragte nach deren Standort. „Was ist denn passiert, Fuchsi?“, fragte Frank, während der Hauptmeister noch funkte. Er winkte ihm zu, er solle warten, und instruierte weiter seine Streife. Frank stand an der Ladestation für die Funkgeräte. „Sag mal, habt ihr noch keinen Digitalfunk? Ich dachte, draußen wäre der schon installiert.“
„Hör zu, das stört wirklich etwas. Wir haben zwei flüchtige Tankstellenräuber. Die sind zu Fuß über die Schrebergärten geflüchtet und mehrere Streifen sind dran.“
„Oh, klar. Tut mir leid. Hey, blaue Sterne? Du bist noch im mittleren Dienst? Ich dachte inzwischen seien alle in den gehobenen Dienst übergeleitet.“
Stille floss sich wie bitterer Hustenstiller über den Wachraum.
„Hey, das war nicht böse gemeint. Ich dachte ja nur, weil ich ja auch schon Kommissar bin.“
Fuchsmann fixierte ihn mit verkniffenem Gesicht. Der Funk löste die Stille auf: Statusmeldung einer Streife. Die Räuber waren aus dem Schrebergarten entkommen, doch eine Streife war noch dran.
„Frank, was hältst du davon, mal Frühstück zu holen. Hier ist ein Zwanziger und die Liste mit den Bestellungen der Kollegen. Vor der Tür sind die Linien 1-3. Eine Station weiter ist die Bäckerei Mayer. Nimm dir einen 4-Meter-Funk mit.“

„Ok, ja, mach ich. Klar.“ Frank nahm beides und das Handfunkgerät an sich, steckte alles in die Außentaschen seiner Schutzweste und ging zur U-Bahnstation. Er ging langsam und bedächtig, dachte an Sam Mumm, sein Vorbild aus den Scheibenwelt-Romanen. Durch seine Sohlen würde er auch bald spüren, den Untergrund welchen Bereichs seines Reviers er gerade beschritt. Die Hände hatte Frank hinter dem Rücken verschränkt. Ein älterer Herr kam ihm entgegen. Frank lächelte ihm zu. „Guten Morgen!“
Der Mann lächelte verlegen und sprachlos zurück. Meine Bürger, dachte sich Frank. Er ging, bemessenen Schritts, den Rollstuhlzugang zur S-Bahnstation hoch. Die S-Bahn fuhr ein. Frank schritt durch die sich öffnende Tür des Zuges. In der Mitte blieb er stehen, verengte seine Augen zu Schlitzen und drehte seinen Kopf nach links und nach rechts, wohin er sich dann auch wandte und den Gang entlang schritt. Jeden Fahrgast fixierte er kurz mit prüfendem Blick und nickte kaum merklich. There is a new Sheriff in town

Dann fuhr die Bahn mit einem Ruck los, Frank verlor den Halt und legte sich lang. Zwei ältere Damen standen sofort auf, halfen ihm wieder auf die wackeligen Beine auf und setzten ihn auf eine Bank.
„Haben Sie sich weh getan?“, fragte die eine. Das Funkgerät meldete sich: „Hier ist der Frank 12/2. Die Flüchtigen sind in der Linie eins. Sie sind außer Kontrolle. Ich wiederhole. Die Flüchtigen sind in der Linie eins. Wir haben es nicht mehr rein geschafft.“
„Hier ist ihre Waffe. Die haben sie beim Hinfallen verloren“, sagte die andere Dame und gab sie Frank in die Hand. Ihm gegenüber, auf der anderen Bank der gleichen Vierersitzgruppe, hoben zwei junge verschwitzte Männer ihre Arme hinter den Kopf und einer fluchte leise, während sie auf Franks P30 schauten. Die Bahn hielt an der nächsten Station in Höhe der Bäckerei Mayer. An der Station warten vier Polizeibeamte. Eine Polizistin sprach in ihr Funkgerät: „Hier ist der Frank 3/3. Die Flüchtigen sind in der U-Bahn von einem Kollegen gestellt worden. Wir unterstützen.“ A new Sheriff in town, dachte Frank und, dass jetzt wohl jemand anders zum Bäcker musste.

11 Kommentare:

  1. Sehr schön, dass die beiden alten Damen dem Gefallenen aufhelfen, ein Klassebild! :D
    Und unverhofft in der ersten Festnahme zu landen, das war für ihn ja wohl der beste Auftakt.
    Ob er aber durch seine Sohlen wirklich irgendwann die Straße erspüren wird, bezweifle ich, es sei denn, er hat Pappsohlen, die sich dünnlaufen. ;)
    Eine schöne Geschichte. :)

    Die Wortbestätigung passend dazu.
    "braver"
    Hihihi.

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  2. Guten Morgen , werte Frau Meise,

    es freut mich, sie gut unterhalten zu haben. "In der ersten Festnahme gelandet" Das trifft es ;-)
    Das mit den Pappsohlen wird schon werden; auch Sam Mumm war ja - wie wir beide wissen - nicht von Anfang an so.
    Eine schöne Arbeitswoche wünsche ich.

    Es grüßt
    der Lichtträger

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  3. Es gibt doch Menschen, die haben ein derart ausgeprägtes Selbstbewusstsein, dass selbst ihre eigene Schusseligkeit nichts mehr an ihrem Erfolg ändern kann. ;-)

    Sehr schön - deine stories zaubern ein Lächeln!

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  4. Ihnen auch eine schöne Arbeitswoche und viel Erfolg. ;)

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  5. Lieber, mkh, das ist wohl wahr. Manch ein Ego vermag selbst eine komplette U-Bahn umfassen.
    Und vielen Dank für das Lächeln; es ist mein Lohn.

    Und Frau Meise, danke, doch es hat nicht geklappt. Bin krank :-(

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  6. Angenehm zu lesen und ein unerwartetes Ende ohne nervige Klischees.
    Wenn ich etwas kritisieren sollte, wäre es die Länge, da wäre sicher noch mehr möglich. Interessant wäre auch noch, wer Sam Mumm ist, wenn man (wie ich) die Scheibenwelt-Romane nicht kennt.

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  7. Guten Morgen, Mathies,

    vielen Dank für das Lob und die konstruktive Kritik. Ja, die Kürze des Textes ist immer eine Herausforderung, wenn man im Internet veröffentlicht.
    Sam Mumm ist der Kommandeur der Stadtwache von Ankh-Morpork. Ein toller ambivalenter Charakter. War als kleiner Insiderhinweis gedacht, und als Anregung für die Outsider, diese tollen Bücher mal zu lesen ;-)

    Beste Grüße,
    der Lichtträger

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  8. Hallo Lichtträger,

    ich bin mir jetzt gar nicht sicher, ob ich mich wegen der Länge richtig ausgedrückt habe. Ich wollte jedenfalls sagen, dass er ruhig noch mehr Umfang haben dürfte.
    Mir ist aber auch bewusst, dass dadurch die Lesbarkeit im Netz leidet, weil sich ja kaum jemand lange Texte im Netz durchlesen oder ausdrucken will. Hm ...

    Was die Scheibenwelt-Bücher angeht, bin ich tatsächlich etwas neugierig geworden :)

    Gruß,
    Mathies

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  9. Hi, Mathies,

    ich hatte es tatsächlich anders gelesen ;-) Dennoch, lange Texte eignen sich m. E. einfach nicht fürs Bloggen (die Schreibe ich offline). Obwohl ich mal erheben sollte, wie viele Blogger über das IPad lesen. Das würde die Lage dramatisch verändern.

    Und zur Discworld: Einfach mal mit Pratchetts "Wachen! Wachen!" beginnen, und schon kommt man auf den Geschmack ;-)

    LG,
    der Lichtträger

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  10. Hm, jetzt will ich doch mal nachfragen. Was wäre deiner Meinung nach der Unterschied in punkto Lesbarkeit und Nutzergewohnheiten bzw. in Bezug auf kurze/lange Texte zwischen IPad und PC/Lap?

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  11. Meine Erfahrung mit IPad und Ebook-Readern ist, dass das Format und die Eigenschaften des Displays einem papiernen Buch (in ihren Grenzen) relativ nahe kommen und, zumindest bei mir, keine Barriere für das Lesen langer Texte darstellen. Am Desktop-PC, in der Senkrechten, sind mir lange Texte einfach zu mühsam zu lesen. Da gebe ich zumeist vorher schon auf, wenn es nicht gerade zur Spitze fesselnder Prosa gehört. Von daher schreibe ich erst dann mehr, wenn der Anteil an IPads größer ist ;-)

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