Dienstag, 20. November 2018

Pisa und ihr Einwegbecher


Der Titel hört sich ein wenig nach einem Jugendbuch an, in dem ein fünfzehnjähriges Mädchen die Hauptrolle spielt, deren Eltern dem Buchstaben P aus unerklärlichen Gründen bei der Namensgebung den Vorzug vor dem L gaben. Vielleicht waren es Lolizeibeamte aus Lotzdam? Wer weiß!
Meist tragen die Mädchen in diesen Büchern Reitklamotten, und Ponys spielen die zweite Hauptrolle – „Einwegbecher“ ist, nebenbei bemerkt, ein ebenso merkwürdiger Name für ein Reittier wie Pisa für dessen Reiterin. Passt jedoch gut zu den doch offensichtlich sehr originellen Eltern.

Tatsächlich geht es um das "Programme for International Student Assessment" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, durch das die Leistung von Fünfzehnjährigen alle drei Jahre weltweit getestet wird – auch bekannt unter dem Namen PISA-Studie. 2001 stellte sich heraus, dass ein Fünftel der Fünfzehnjährigen in Deutschland eine Leseleistung auf Grundschulniveau hat. Das hat sich zum Glück gebessert. Inzwischen sind unsere Kids immerhin nahezu auf Durchschnittsniveau.

An dieser Stelle kommt der Einwegbecher ins Spiel und das Pony in den Stall, denn, ja, auch das war nach der pfiffigen Einleitung nur eine umso gewitztere Überleitung, um Sie voller Spannung im Lesefluss zu halten. In Wirklichkeit geht es nämlich nicht nur nicht um Pisa und ihr Pony, sondern noch nicht einmal um die gleichnamige Studie. Es geht um Coffee-to-go.
In Deutschland werden jährlich fast 2,8 Milliarden Einweg-Becher hergestellt, für deren Produktion 129.000 Tonnen Papier verbraucht werden. Papier, das offensichtlich, als Lesebuch verwendet, viel sinnvoller zu gebrauchen wäre. Geht man davon aus, dass ein Buch im Schnitt 500 Gramm wiegt, sind das in Summe 260 Millionen Bücher, die auf 11 Millionen Schülerinnen und Schüler verteilt werden könnten. Jeder von ihnen könnte also monatlich zwei Bücher mehr oder überhaupt lesen, wenn wir dafür nur noch Kaffee aus Porzellan- oder Edelstahlbechern tränken. Wäre das nicht toll?

Jetzt mag man sich natürlich fragen, wie man eine Schülerin oder einen Schüler zum Lesen bringt. Natürlich mit zusätzlichen Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern! In der Papierindustrie arbeiten 50.000 Menschen. Bei einer jährlichen Produktionsleistung von 22,6 Millionen Tonnen Papier könnten, ohne die Herstellung der Pappbecher, 285 Beschäftige freigesetzt und zu Lehrkräften umgeschult werden. Pro 38.600 Schülern wäre das ein Lehrkörper mehr! Zugegeben, daran krankt die Theorie ein wenig.

Aber mal ehrlich: So ein Pappbecher ist doch wirklich das widerwärtigste Gefäß, aus dem man ein so edles Getränk wie Kaffee zu sich nehmen kann. Der erste Schluck schmeckt nach Pappe, und erst wenn die Lippen von der Hitze des Aufgusses betäubt sind, kommt etwas von dem Kaffeearoma durch. Verhindern kann ich beides nur durch einen Plastikdeckel zwischen Lippe und Pappe. Damit schmeckt der erste Schluck, wenn ich Pech habe und der Kaffee-Dealer bei einem günstigen Kunststoffhersteller eingekauft hat, stattdessen nach Plastik und bringt mich zusätzlich zu den über 800 Aromen, die das Geröstete-Bohnen-Heißgetränk mir schenkt, in den zweifelhaften Genuss von gesundheitlich fragwürdigen Stoffen aus dem Kunststoff.
Ich wette, Sie stellen sich jetzt zwei Fragen. Die erste ist gewiss, wo sie nun einen guten Kaffee im Mehrwegbecher zu ihrem Buch herbekommen, und die zweite: „Was in aller Welt macht das Pony währenddessen?“
Denken Sie ruhig mal darüber nach!

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