Dienstag, 18. Dezember 2018

Brot verböllern


Die Aktion „Brot statt Böller“ ist mittlerweile ein Begriff – immerhin gibt es sie schon seit über 30 Jahren –, und er findet sich inzwischen auch in schlechten Witzen wieder. Wie zum Beispiel in diesem hier: Warum kein „Brot statt Böller“? Weil Brot nicht knallt. Dabei kommt es doch sehr auf die Darreichungsform an. Ein Roggenbrot vielleicht nicht, aus Roggen destillierter Wodka schon. Gerade an Silvester. Seit dem Jahr 2004 steigen die Umsätze mit Feuerwerk nahezu kontinuierlich. 87 Millionen waren es damals. Heute sind es 137 Millionen. Knapp 18 Prozent ihres Jahresumsatzes von rund 1,6 Milliarden Euro machen deutsche Sekthersteller zum Jahreswechsel. Mit Fug und Recht kann man behaupten: Der Deutsche ballert doppelt - mit Ziel Kopf und Firmament. 

Auch in der Umwelt ballert‘s: Belastender Feinstaub und Lärm der Haus- und Wildtiere schädigt und jede Menge Aluminium und Plastikkorken von Millionen Sektflaschen. Dahingegen stellt der Jahreswechsel bei „Brot für die Welt“ nicht gerade eine Spitze bei den Spendenzugängen dar. Warum? Nur jeder vierte Deutsche kauft überhaupt Böller für Silvester, der Rest vermutlich nur Sekt. Das sind im Schnitt gut 40 Euro pro Geldbeutel derer, die beides knallen lassen. Jene 75 Prozent, die nicht ballern, spenden jedoch auch nicht mehr als sonst. Vielleicht ist das Hauptproblem gar nicht der Geldbeutel, sondern dass die Freude am Spenden bei einer Überweisung nicht aufkommt. Schenken sorgt nachweislich dafür, dass Dopamin und Endorphin im Gehirn ausgeschüttet werden und die beiden Hormone dafür, dass wir fitter sind, Stress leichter bewältigen und uns glücklich fühlen. Doch wer hat je nach dem Ausfüllen einer Onlineüberweisung gesagt: „Mensch, bin ich glücklich!“ Schenken braucht Kontakt zu anderen Menschen, damit das funktioniert. 

Ich selbst habe jüngst eine Tradition wieder aufgelebt und werde am Vorabend zu Silvester mit Freunden Poker spielen. Das Buy-in geht in einen Topf, und der Gewinner darf den Pot einer Organisation seiner Wahl spenden. Welche das sein wird, teilt jede und jeder Mitspielende zuvor mit. Das kann manchmal dazu führen, dass man sehr gerne beim Heads-up den Straight Flush wirft und dem Bluffer den Sieg lässt, weil dessen Spendenorganisation so viel reizvoller ist als die eigene. Danach gehen wir alle mit einem Hochgefühl auseinander. Wir haben schöne Stunden miteinander verbracht, es gab nicht wirklich Verlierer in der Runde und vor allem sind wir vollgepumpt mit Glückshormonen. Dadurch brauchen wir auch weniger Alkohol, um uns an Silvester in Stimmung zu bringen - der Sekt zum Anstoßen ist ein Bio-Sekt mit Naturkorken und ohne Alu-Mütze. 

„Und was ist mit der Tradition?“, ruft jetzt jemand während des Lesens. „Wir müssen doch die bösen Geister vertreiben, bevor das neue Jahr geboren wird.“ Die wahren wir! Dazu reicht eine Rakete, je nach Boshaftigkeit derer vielleicht schon eine Packung funkelnder Wunderkerzen. Mit denen verscheucht man auch nicht den Dachs, der an Neujahr im Hinterhof die Mülltonne um die übrig gebliebenen Reste des wieder einmal viel zu üppigen Silversterbuffets erleichtert. Wildtiere scheren sich nicht um die unsinnigen rechtlichen Hürden des Containerns. 

Vielleicht schaffen wir es ja dieses Mal, dass jeder nur wirklich das zum Buffet beisteuert, was man selbst verzehren kann. Aber ich möchte jetzt nicht über den Unsinn des Wegwerfens von Lebensmitteln oder über das Verbot, selbige aus dem Müll zu fischen, zu lamentieren anfangen. 
Lasst uns feiern! Prost Neujahr!

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