„Ok! Geh rein und hol ihn raus“, sagte Marcello zu seinem Partner. Beide saßen in ihrem Wagen und warteten vor Francescos Wohnhaus.
„Ich denke ja gar nicht daran“, antwortete sein Partner und dachte nicht im Geringsten daran.
„Du weißt, was der Chef gesagt hat: ‚Er hat seine Warnung bekommen. Jetzt bringt ihn her!’. Also hol ihn raus!“, sagte Marcello und deutete auf den Hauseingang.
„Warum gehst Du denn nicht rein, hä?“, erwiderte sein Partner und verschränkte die Arme.
„Das weißt Du genau!“, sagte Marcello und versuchte, nicht an die fiese alte Frau zu denken. Zu spät, dachte er und schlug dabei verärgert auf das Armaturenbrett. Er dachte bereits an die fiese alte Frau.
„Ich geh jedenfalls nicht“, sagte sein Partner und rückte seine Desert Eagle im Schulterholster zurecht.
„Na gut, dann lässt du mit keine andere Wahl“, sagte Marcello und holte mit der Faust aus.
„Merda, merda, merda“, wiederholte Francesco nun schon seit einer halben Stunde sein neues Mantra. „Ich habe es wirklich vermasselt. Cretino! Wie konnte ich nur die Adressen verwechseln?“
Da ihm noch immer keine Antwort einfiel, entschied er, seinen Kopf weiter im Rhythmus seines Mantras gegen die Wand zu schlagen. Es war jedoch kein Monlog. Mrs Zuckerman schlug im gleichen Rhythmus mit ihrem Besen gegen die dünne Wand, die beide Appartements trennte, und raunte dabei üble Beschimpfungen. Letztlich gab Francesco sich geschlagen. Mrs. Zuckerman und auch die Wand waren härter als er. Er drehte sich mit dem Rücken zur Wand und ließ sich daran herunter gleiten, bis er, einer lieblos abgelegten Puppe nicht unähnlich, mit zusammengesackten Schultern reglos liegen blieb. Picolino, der sein Schicksal teilte und ihn daher gut verstand, blickte ihn traurig von der Couch her an.
Der Anrufbeantworter nahm ein Gespräch an: „Bambino!“, ertönte die Stimme von Francescos Mama aus den kleinen Lautsprechern. Sie klang verärgert. Francesco sah seine Mama geistig vor Augen, mit den Händen in die breiten Hüften gestemmt, den schwarz belockten Kopf schüttelnd. Nun würde ihre Predigt folgen. „Don Calabrese möchte, dass Du ihn noch heute Morgen besuchst. Was hast Du wieder angestellt?“ Da war sie, die Predigt. „Don Calabrese war ganz Welt entrückt. Er konnte mir nicht mal sagen, was los ist. Hast Du es wieder vermasselt? Mio filio, so eine Chance …“
Und es wäre noch ewig so weiter gegangen, doch hatte der Anrufbeantworter erbarmen und fraß das Band. Aus Mitleid vermutlich.
„Schnick, schnack, schnuck“, sagten Marcello und sein Partner uni sono.
„Nein! Warum ausgerechnet Brunnen?“, sagte Marcello, als er auch das dritte Mal mit dem Stein, den er mit seiner Kindskopf großen Faust geformt hatte, keinen Erfolg hatte. Mit gesenkten Schultern stieg er aus und ging auf Francescos Wohnhaus zu. Als er die Hälfte des Weges mit kleinen, unwilligen Schritten überwunden hatte, drehte er sich noch einmal zum Wagen um. Sein Partner winkte ihm zu, weiterzugehen. Und Marcello ging weiter. Langsam, aber stetig.
Vom Telefonanruf seiner Mutter aus der Puppenlethargie befreit, entschloss Francesco, es wieder mit dem Kopf-gegen-Wand-Hämmern zu versuchen. Kurz darauf entschloss sich Mrs. Zuckerman wieder mit ihrem Besen zu antworten und testete dabei erfolgreich einige Schimpfwörter aus ihrem israelischen Heimatland. Zeitgleich trat Marcello durch die nur angelehnte Haustür in den Flur. Als Marcello den zweiten Schritt ins Haus tat, verstärkte Francesco seine Geißelung gerade, indem er gleichzeitig mit Kopf und Fäusten gegen die Wand hämmerte und lauthals „Ahaha!“ schrie. Mrs. Zuckerman rüstete auf, indem sie neben dem Besen auch noch den Handfeger in die Hand nahm und beidseitig Francescos Hämmern beantwortete. Die Beschimpfungen hatte sie zwischenzeitlich eingestellt, um sich mehr auf das Gegen-Hämmern zu konzentrieren. Franceso hämmerte und jammerte. Mrs. Zuckerman gegen-hämmerte und gegen-hämmerte. Marcello stand unschlüssig in der Mitte beider Wohnungstüren und irrte zwischen Furcht und Faszination. Bis Francesco sich entschied, zu fliehen und im Flur gegen ihn prallte, während Mrs. Zuckerman gleichzeitig der Geduldsfaden gerissen war und den Flur betrat, um das Gegen-Hämmern auf Francesco fortzuführen. Ihr boshaftes Grinsen spürte Marcello ungesehen tief in seinem Rücken und Francesco selbst durch dessen gorillahaften Rücken.
„Hast Du Deinen Anzug vom Zeltverleih?“, fragte Francesco, als Marcello, dessen Partner und er auf der Fahrt zum Haus Don Calabreses waren. Doch die erwünschte Wirkung, ein Wutausbruch, der ihm das erneute Fliehen ermöglichen würde, blieb aus. Marcello war nicht empfänglich für boshaften Sarkasmus. Außerdem hatte er seinen Anzug tatsächlich aus einem Zelt schneidern lassen. Der nächste würde jedoch wieder von der Stange kommen müssen. Leider nahm ihm die fiese alte Frau mehr Scheine aus seiner Geldbörse, als sie für die Reparatur ihrer Tür verlangt hatte, nämlich alle.
„Ging doch gut!“, sagte sein Partner zu Marcello und konnte das am ehesten behaupten. Er hatte als einziger keine Besenstiel breite Beulen.
Nach wenigen Metern hielt der Wagen abrupt an, da Marcello Francesco unbedingt mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf schlagen musste. Denn genau in dem Moment hatte er das Gefühl, die Bemerkung über seinen Anzug könnte boshafter Sarkasmus gewesen sein.
Kapitel II | Kapitel IV
Der feine, sehr spezielle Humor und der ungewöhnliche Schreibstil - ganz Klasse!
AntwortenLöschenFür das Verständnis etwas schwierig: Der 1. Absatz lässt nicht so recht durchblicken, WO sich Marcello denn nun aufhält. Allerdings auch sehr lustg, wie sich im nächsten Absatz dann alles klärt. Und genau dies passt dann wiederum zum ureigenen Humor der story, der nicht zuletzt auch mit lustigen Zeitverzögerugen arbeitet, wie bei Marcellos sehr gelungener Reaktionsverzögerung bzgl. boshaften Sarkasmus in Absatz 5!
Achtung: Link zu Kaptel 2 der Serie ist offenbar unauffindlich; ich wollte nochmals nachlesen, müsste aber erst umständlich alle früheren Einträge durchsuchen. Bitte noch irgendwo einbauen...
Und drei kleine Tippfehlerteufelchen waren da verstreut, wenn ich richtig gezählt habe.
Also: Sehr lustig! Kokett gezeichnete Figuren. Scheint Ihnen ausgesprochen gut zu liegen, dieser Stil!
Merci bien. Drei Fehlerteufelchen habe ich entdeckt und beseitig. Es sei denn, es waren bislang unentdeckte Schwesterteufelinnen und die Brüder verstecken sich, feige und hinterhältig wie sie nun einmal sind, noch immer.
AntwortenLöschenKapitel zwei lässt sich am Besten über die Linkrubrik Zyklen finden (Kap II). Ich werde jedoch Forward- und Backlinks einbauen. Ist ein guter Vorschlag.
Ihren Hinweis bezüglich des ersten Absatzes verstehe ich nicht. Haben Sie den zweiten Satz eventuell überlesen. Quel malheur ;-)
>>> "Ihren Hinweis bezüglich des ersten Absatzes verstehe ich nicht. Haben Sie den zweiten Satz eventuell überlesen."
AntwortenLöschenSorry, ich meinte den 2. Absatz. Mir wurde lange nicht klar, was da los ist, wo sich denn der wandhämmernde Francesco genau befindet. Aber nach dem Durchstieg wirds umso lustiger, also hätte ich hierzu - wie ich jetzt sagen kann - doch keinerlei Verbesserungsvorschläge. Ist gut so, wie es ist!
PS:
Meine Wortbestätigung "uowmpqhu" passt irgendwie zum Handgemenge zwischen Mutter "Zuckerman" Courage und dem armen Franceso.
Ah, OK! Dann brachte Ihnen sozusagen Mrs. Zuckermans Besen die Erleuchtung und nicht nur leuchtende Beulen für die Herren Fontanello und Mastinetto ;-)
AntwortenLöschen"uowmpqhu" stelle ich mir in einer Sprechblase vor. Quasi in der "Batman und Robin"-Filmversion von Francesco Fontanello. Irgendwelche Investoren anwesend???
Sehr lustig, werter Lichtträger! :)
AntwortenLöschenWeiter so und bitte schnell mehr davon! ;)
"Nach wenigen Metern hielt der Wagen abrupt an, da Marcello Francesco unbedingt mit der flachen Hand gegen den Francescos Hinterkopf schlagen musste"
AntwortenLöschenDamit ich auch mal nörgeln darf: Ein "Francesco" zuviel! oder auch nur ein den :-)
Ansonsten plädiere ich für ein Rip-Off über mrs . Zuckermann und ihre verl... ich meine bewegte Vergangenheit!
Frau Meise, lieben Dnak. Ich bemühe mich ja ;-)
AntwortenLöschenUnd Herr NW hat natürlich recht. Das Doppelte Lottchen soll konkurrenzlos bleiben. Danke für das aufmerksame Lesen ;-)
Mrs Zuckermann baue ich schritt für Schritt auf. Sie kann mit Besen umgehen und hat den bösen Blick; und dennoch ist sie nicht Granny Weatherwax. Das hat Potential *gg*