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Larse wählt seinen Comoderator |
Mein erster Poetry Slam des Jahres startete pünktlich um acht Uhr bzw., das akademische Viertel ehrend, um Viertel nach acht. Eigentlich startete er weder um acht, noch um Viertel nach acht, sondern irgendwann später, doch letztlich war mir das völlig gleich, denn das
Jukuz in der AltenFeuerwache in Bad Nauheim war bis über den letzten Sitzplatz hinaus besetzt,
Lars Ruppel würde alsbald die Bühne betreten, sich das Mikro schnappen und mit seiner einmaligen Moderation die Menge zum Kochen bringen und dann ein Line-up ankündigen, dass die Wartezeit mehr als wert sein würde. Die Wartezeit war folglich zweit-, vielleicht sogar drittrangig, und als Larse endlich on stage war, hörte man keine Flöhe mehr husten, nur noch den Sven aus der letzten Reihe, der dafür mit der Co-Moderation belohnt wurde. Drei Vorrunden galt es zu bestreiten: Eine Vierer-, eine Dreier- und noch eine Vierervorrunde.
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Tanasgol in ihrem Element |
Den Start machte
Carsten Nagels, den ich in meinem Blog wohl inzwischen nicht mehr vorstellen muss, mit seinen Aphorismen. 36 von 50 Punkten brachte das gut gestimmte Publikum auf seine fünf Wertungstafeln, und Carsten war zufrieden mit seinem Vortrag. Dann kam Uli ans Mikro und ließ Lethe die Pillen in seinem Kopf für einen Punkt mehr als Carsten neu ordnen. Dann betrat ich die Bühne und brachte meine gekürzte Version von „Auf den Spuren Descartes“. Ein oder zwei kleine Versprecher hatte ich, und ich muss Carsten Recht geben, dass die Sieben-Minuten-Version einfach einen Tick besser ist, da mir die längere Einführung erlaubt, mein lyrisches Ich besser einzuführen. Dennoch war ich mit den 42 Punkten, die ich bekam, zufrieden. Als letzte der ersten Vorrunde kam Tanasgol aus Friedberg dran. Sie lieferte ein sehr schönes, emotionales und regimekritisches verspätetes Muttertagsgedicht vor – keine Angst, liebe Unionspolitiker, die Kritik wandte sich an das iranische Regime und die Mutter war Tanasgols eigene und nicht die der Nation. Der mathematischen Gesetzmäßigkeit dieser Vorrunde folgend, erhielt sie einen Punkt mehr als ich und war damit die erste Finalistin. Keine Schande von der amtierenden hessischen U-20-Vizemeisterin geschlagen worden zu sein. Am 2. Februar moderiert Tanasgol einen Poetry Slam an der Friedberger Augustinerschule, wo ich vor 17 Jahren Abitur machte und auch dann die Aula wieder unsicher machen werde. Die Aula, die freilich damals noch nicht existierte. Mein Gott … vielleicht hole ich mir dann einfach zum Ausgleich einen Alt-Abiturienten-Extrapunkt.
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Lena auf englisch |
Tabea Reinelt eröffnete die zweite Vorrunde mit ihrem Text „Generationenvertrag“ und erntete 39 Punkte.
Hauke Prigge startete anschließend mit seiner Weihnachtsgeschichte, die er auch schon bei meinem
Cockpit-Slam im November auf die Bühne brachte. Ein guter Text, über den man auch beim zweiten Mal noch lachen kann, was ich auch tat. Mehrfach. Das Publikum ebenfalls, was es mit 42 Punkten belohnte. Als letzte Kandidatin der zweiten Vorrunde durfte
Svenja Gräfen aus Köln das Publikum unterhalten. Was jetzt kam, begeisterte mich wirklich. Ihr Duktus wich von dem oft kopierten Sprechrhythmus vieler Slammer merklich und erfrischend ab. Gerade die verschiedenen Tempi, die sie in ihrem „Wortschlag“ einsetzte, erzeugten eine schöne Spannung. Mit 47 Punkten wurde sie zur zweiten Finalistin.
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Ich selbst, in den Text vertieft |
Nach der Pause betrat
Florian Cieslik, den ich beim
Grandslam in Wiesbaden kennengelernt hatte,
die Bühne und entführte das Publikum nach „jenseits von Edeka“, wo das „Anti-Märchenland“ liegt. Als die Juroren von dort langsam zurückgekehrt waren, bezahlten sie ihre Reise mit 46 Punkten. Was schon mit Svenja einsetzte, führte das Publikum mit Florian fort: Es regnete Höchstwertungen. Die mit Lachtränen gefüllten Wolken wollten abregnen, und das taten sie. Als
Philipp Herold aus Koblenz das Mikro nahm und erklärte, weshalb er sich nicht leiden kann, wenn er den ganzen Tag vor dem Computer verhängt, führte der Regenguss zu 47 Punkten. Lena Noske ging mit ihrem englischen Text über Kindesmissbrauch auf die Bühne, den ich schon beim
Slam in Gießen gehört hatte. Sie trug wieder so gefühlvoll vor, dass man der englischen Sprache gar nicht mächtig sein müsste, um sich reinzufühlen. 43 Punkte erhielt sie vom vermutlich dennoch mehrheitlich sprachkundigen Publikum.
Wäre sie in der ersten Runde gewesen, hätte ich in Lena eine ebenso verdiente Finalistin gesehen, doch die dritte Vorrunde war einfach zu stark. Ich bin gespannt, was sie am 12. Februar beim zweiten Cockpit-Slam bringen wird. Als Letzter und absolutes Highlight des Abends performte sich der amtierende Berliner Stadtmeister
Julian Heun an die Spitze des Teilnehmerfeldes. Sein Text über den Ameisenmann, den er mit verschiedenen Stimmen vortrug, war inhaltlich und von der Performance her ganz weit vorne, und das sahen auch die Juroren so. Julian erhielt mit 49 Punkten fast alles, was an Punkten zu haben war.
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Herr Herold am Mikro |
Das Finale begann Tanasgol mit einem Text über das Verliebtsein, gefolgt von Svenja Gräfen, die über das vermeintlich an ihren Händen haftende Blut referierte, und wurde von Julian abgeschlossen, der mit in meinen Augen noch mehr Performance, den Kollegen des Ameisenmannes, den Lassmann, einiges lassen ließ, bis auf den Sieg des Abends ihm zu nehmen; den ließ das Publikum ganz deutlich Julian zuteilwerden. Niemand hatte den Fetisch-Digimon, den Larse ausgelobt hatte, mehr verdient als der Ameisen- und der Lassmann, wobei ich auf das hessische Kochbuch, über dessen Erhalt sich Svenja und Tanasgol auseinandersetzen mussten, schon etwas neidisch bin, doch vielleicht lässt mich Tanasgol übernächste Woche Donnerstag ja mal reinschauen.
Ich freue mich schon auf den nächsten Slam in Bad Nauheim, doch jetzt sind erst einmal am 31. Januar der
Slam in Mainz und zwei Tage darauf Tanasgols an der August auf dem Programm. Auf Lena und Tabea freue ich mich schon, wenn sie am 12. Februar beim
2. Cockpit-Slam auf meiner Bühne stehen. Einen Tag zuvor ist der nächste Slam im Friedberger Pastis, doch da stehe ich in Rödelheim auf der
Theaterbühne. 2012 beginnt sehr gut. Ich freue mich auf den Rest.
Gelesen. Wie immer, Viele Namen. Viele Talente ... Bei irgendeiner Gelegenheit werde ich mir so was endlich auch mal aus den Publikumsreihen heraus anschauen. Ohne gleich 9989 km dafür zu fahren. Am ehesten also in ...
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