Mittwoch, 1. Februar 2012

Reslam the Qkaff, Kulturcafé, Mainz (31.01.2012)

Schunke III. mit Narrenkappe
Als Schunke III. mich im Dezember letzten Jahres anrief und fragte, ob ich am 31. Januar bei ihm in Mainz auftreten wolle, ahnte ich noch nicht, was auf mich zukommen würde. Es hätte mir klar sein müssen, dass ein Poetry Slam in Mainz zu Beginn der närrischen Zeit anders sein würde. Und wie anders er war. Die sonst so feste Regel, frei von Kostümierung aufzutreten, wurde gewandelt in den Zwang sich kostümieren zu müssen. Das erfuhr ich jedoch erst später aus drittem Munde, als ich bereits zugesagt hatte, was ich jedoch gewiss dennoch getan hätte, selbst wenn ich es bereits aus erstem oder zweitem Mund erfahren hätte – je nachdem, welcher Mund der meine gewesen wäre. Ein Kostüm-Slam. Ausgerechnet mit mir, dem Karnevalsverweigerer. Gut, mit der Kostümierung habe ich als Theater-Mensch keine Probleme und somit auch keine, darin aufzutreten, allein an der Substanz mangelte es. Ich hatte kein Kostüm und keine Ahnung. Irgendwann, knapp zwei Wochen vor dem Slam kam mir dann die Idee: Ich bestelle mir ein Supermankostüm, was ich dann auch tat, und bringe meinen „Superman ist ein Blödmann!“-Text. Leider erhielt ich dann eine Woche vor dem Slam die Nachricht, dass das Kostüm nichts mit dem Text zu tun haben dürfe, doch auch hierfür fand ich eine Lösung, von der ich zum gegebenen Zeitpunkt berichten werde, um die Spannung meines Berichtes weiter am Siedepunkt zu halten.


Freudiges Wiedersehen mit Felix
Um acht Uhr traf ich auf dem Unigelände der Universitätsstadt ein. Das Kulturcafé ist ein sehr gemütlicher Laden mit einladend langer Theke und einem Raucherraum, der nicht minder groß ist wie der Nichtraucherraum. Schön für die Raucher. Dadurch war allerdings der mit Tischen und Stühlen versehende Zuschauerraum so eng, dass sich die Slammer nur hinter der Bühne aufhalten konnten, was schade war, denn ich hätte gerne ein paar mehr Frontfotos gemacht und den Wettbewerb unter den Zuschauern miterlebt.
Pummelelfe und ich
Der Wettbewerb wurde, wie ich es auch schon in Essen kennengelernt hatte, im Head-to-Head-KO-System bestritten. Auch hier wurde mit eindeutigen Stimmtafeln gearbeitet, elf an der Zahl, die elf Juroren aus dem Publikum in der Hand und zum rechten Zeitpunkt hochhielten: Ein Cowboy-Bild für den einen und ein Indianer-Bild für den anderen Poeten. Acht Teilnehmer waren im Wettbewerb und zwei Opferlämmer, die die Stimmung vor der Vorrunde und vor dem Halbfinale anheizen sollten. Einige bekannte Gesichter sah ich wieder, Felix Bartsch beispielsweise, der an diesem Abend ein prachtvolles Kleid trug und zum verlieben schön geschminkt war, und Marc Weicker, der nicht nur in seiner Verkleidung als Pummelelfe Blicke auf sich zu ziehen wusste, sondern sich in mein Herz und besonders meinen Magen schloss, da er unter anderem fantastischen Apfelstrudel mitgebracht hatte. Beide hatte ich zuletzt beim Grandslam in Wiesbaden getroffen, so dass das Wiedersehen kaum herzlicher gewesen sein konnte, insbesondere, wenn man nicht außer acht lässt, dass sich beide extra geschminkt hatten, um den Anlass des freudigen Wiedersehens ausreichend zu würdigen.


Sündige wortstarke Schwester
Den Anheizer machte Cornelius aus Leipzig im Nonnenkostüm mit einem Text über Penisse, der den Titel „Ich prostituiere mich“ trug. Das Publikum, vom Mainzer Dom beschattet, zog jedoch nicht so mit, wie es hätte sein können, wäre der Text bspw. in einem mehr protestantischen Universitätsstätdchen gebracht worden, in Jena oder vielleicht in Erfurt.
In der ersten Vorrunde traf Felix auf Berenike aus Mainz. Felix brachte seinen Single-Text, den ich nun schon das dritte Mal hören sollte und noch immer dabei lachen konnte. Berenike leitete mit einem Telefon-Gedicht über Leute, die in Kontakt bleiben wollen, ein und schloss mit einem lyrischen Essay zur Wahrheit über sich selbst. Am Ende war Felix eine Runde weiter.
Johannes und Gedeon
In der zweiten Runde traf Johannes Floehr aus Krefeld auf Marc. Mit Johannes hatte ich vorher bereits über seinen Blog Kontakt und freute mich auf das Kennenlernen. Erfreulicherweise war sein Bühnentext „Durchgeplantes Düdeldüdelü“ ebenso lustig und unterhaltsam wie auch seine Blogtexte. Marc präsentierte einen neuen Text - „Wann ist ein Mann ein Mann“ -, den er noch am gleichen Tag geschrieben hatte. Er hatte Potential, viele gute Stellen, und ein sehr gutes Ende, wie ich fand, doch leider war er ihm noch nicht so vertraut. Das merkte das Publikum und entschied sich für Johannes, der ins Halbfinale ziehen sollte.

Abstimmung auf Fastnachtsart
Das dritte Head-to-Head wurde ein Duell der Kaiserslauterner Fahrgemeinschaft Gedeon Hesch / Paul Gilius. Gedeon brachte einen Text über den „Lügenbaron“, einen sehr schnell vorgetragenen Text, der aber im Gegensatz zu vielen anderen Texten von dieser Geschwindigkeit durch einen stakkatoartigen Rhythmus und viel Stimmvariation bestach. Er gefiel mir sehr gut, und dass er Schlagzeuger ist, wie er mir später berichtete, überraschte mich nicht. Paul trug darüber vor, dass „draufhauen besser sei“ und „warum [man] immer alles ausdiskutieren“ müsse. Ich hatte automatisch an Stoppoks "Gewalt ist keine Lösung ... wenn man nur darüber redet" aus dem Lied "Auf die Glocke" gedacht, das Publikum wohl auch, weshalb Paul als Dritter ins Halbfinale zog.

Blödmann!
Dann kam ich auf die Bühne. Ich trug ein Theaterkostüm aus der letzten Produktion über meinem Superman-Kostüm, stellte den Titel meines Textes vor und das, was ich unter selbigem anhaben sollte, als meine Alltagskleidung dar, entledigte mich meines Über-Kostüms und so auch meiner Verpflichtung, dass Text und Kostüm nicht übereinstimmen durften, und fing an; etwas später als geplant, denn die vielen Knöpfe des Rüschen-Hemdes hielten mich merklich auf und zwei blieben dabei nicht nur auf der Strecke sondern auch auf der Bühne zurück. Meinen Text trug ich dennoch fehlerfrei vor. Ich war glücklich über die erzielten Lacher und die Applausentlohnungen meiner Bemühungen. Sehr schön. Innere Ruhe!
Eva Stepkes aus Mainz traf jedoch mit ihrem sehr authentischen vorgetragenen Text über einfältige Einfaltsaussagen mehr den Geschmack des Publikums und zog mit eindeutiger Mehrheit als letzte Halbfinalistin eine Runde weiter. Vielleicht hätte ich dem Publikumsruf doch folgen und das Hemd einfach aufreißen sollen, doch zum einen gehörte es nicht mir und zum anderen war der Stoff viel zu widerstandsfähig. Ich war dennoch zufrieden, denn die Stimmung hinter der Bühne war die schönste, die ich bislang auf einem Slam erlebt hatte.


Der Opferhase
Das Halbfinale eröffnete der Opferhase Jean Ricon, den ich zuletzt bei meinem eigenen Slam getroffen hatte, den ich jedoch durch seinen lesenwerten Blog seitdem nicht aus den Augen verloren hatte. Er brachte seinen neuen Kaffker-Text, den er auch am 12. Februar bei meinem zweiten Slam in Reichlsheim bringen wird. Damit traf er den Humor des Publikums, denke ich, denn von dort, wo ich nun stand, nämlich an eingangs beschriebener langer Theke, wirkte es genau so: Ausgelassen und bereit für mehr.
Felix eröffnete das Halbfinale mit seinem Wut-Text und schlug damit voll ein. Johannes zog mit „Viva la fascinación“ nach und uns mit sich in die gute alte Zeit, wo alles einfach besser war. Felix hatte das Publikum jedoch auf seine Seite gebracht und wurde ins Finale gevoted.
Das zweite Halbfinale startete Paul. Er wollte das Publikum abstimmen lassen, was für einen Text er bringen solle. Das Publikum hatte jedoch keine Lust. Vielleicht hatte es auch einfach nicht mitbekommen, dass Paul schon seit Minuten auf der Bühne war, weil es so sehr in Tischgespräche vertieft war. Es waren interessante Gespräche, wie ich von meinem Platz an der Theke mithören konnte. Letztlich entschied sich Paul ohne Hilfe des Publikums für ein kurzes aber gefühlvolles Poem über Schauspielerei.

Eva und Paul verwundert über das
Ergebnis
 Eva, die von ihrem Halbfinaleinzug so überrascht war, dass sie eigentlich keinen zweiten Text hatte, trug dann einen alten Text vor, der sich um eine Selbstmörderin drehte und den Titel „Der Ausfall“ trug. Dass sie zeitweise von der Weinbestellung einer wenig entschlussfreudigen jungen Frau aus dem Publikum übertönt wurde, mag der Grund sein, weshalb der Text, der während der Tischgespräche vorgetragen worden war, dann zum Gewinnertext wurde.

Das Finale bestritten dann Felix und Paul. Felix, desillusioniert und mit sich abgeschlossen, brachte einen Text, mit dem er „ein Finale mit Würde“ verlieren konnte und schimpfte nach Lust und Laune über die Bahn. Paul folgte mit seinem Text „Droht der Grammatik nicht“. Am Ende waren die Drohungen gegen die Bahn denen gegenüber der Grammatik leicht im Vorteil und Felix konnte, sichtlich überrascht, das Gewinner-Destillat mit nach Hause nehmen. Es war ein Bourbon. So sehen Gewinner aus, dachte ich mir, und schwenkte meinen Single Malt an der Theke.

Publikum rastet nach Finale aus
Mit einem nicht ganz ernst zu nehmenden Team-Slam schlossen Felix und Johannes, gefolgt von der Band, die mit rockigem Handgemachtem durch den Abend geführt hatte, die Veranstaltung.
Ich aß den letzten Apfelstrudel, freute mich und freue mich noch immer, wieder viele liebe und talentierte Menschen kennengelernt zu haben, und trat meinen 70-km-Heimweg in der Hoffnung an, das nächste Mal in Mainz kein Kostüm tragen zu müssen.

Definitiv kein Kostüm wird es morgen Abend in Friedberg beim Poetry Slam an der Augustinerschule geben und ganz gewiss auch keins bei meinem eigenen Slam nächste Woche Sonntag, wenn es ein Wiedersehen mit Jean und Marc gibt. Wenn das keine Aussichten sind.

5 Kommentare:

  1. Andreas, du schreibst sehr gute Kommentare. Nicht viel Blabla, auf den Punkt worum es geht, worum nicht und zwischen den Zeilen genug Raum für eigene Interpretationen. Liest sich gut, weiter so.
    cheers mate :-)

    AntwortenLöschen
  2. Sehr lebendig geschrieben. Fast noch mehr als sonst. Muss an Mainz liegen. Oder am Single Malt. Slainte! Und die Sache mit dem Supermankostüm war sehr gut eingefädelt!

    AntwortenLöschen
  3. Vielen Dank, ihr zwei. Und das Schönste ist, es gibt sogar ein Video von meinen Sechs-Minuten :-)
    Danke, liebe Steffi!

    AntwortenLöschen
  4. Felix Bartsch07 Februar, 2012

    Sehr schöner Bericht, wie immer. Allerdings sind 1-2 Details falsch.
    So war die Zugabe nicht von mir und Paul, sondern von mir und Johannes Floehr. Des weiteren kommt Cornelius aus Leipzig ;) Außerdem schreibst du bei der Beschreibung der ersten Runde, dass Paul ins Finale, anstatt eben ins Halbfinale einzieht. Alles in allem aber verzeihbare Fehler, schließlich ist man ja als Auftretender auch etwas mit sich selber beschäftigt. Da kann sowas passieren.
    Liebe Grüße, Felix.

    AntwortenLöschen
  5. Hey, Felix,

    freut mich, dass er dir gefiel. Die Fehlerteufel habe ich zur Hölle geschickt.

    Gruß an den Schminkkasten
    Andy

    AntwortenLöschen