Man hört uns unreflektiert proklamieren: „Das wird man ja
wohl noch sagen dürfen!“ Das all das, was man nun wohl noch sagen zu dürfen
glaubt, allesamt schon einmal gesagt wurde, daran entsinnt sich niemand mehr.
Das war im letzten Jahrhundert, und die die es sagten und auch die die es
hörten, sind schon lange tot oder hören zumindest inzwischen nicht mehr gut. Es war naiv zu glauben, dass das vergangene
Jahrhundert verlassen zu haben, bereits mit einem folgenden besseren Jahrhundert,
das automatisch die nächste ethische Evolutionsstufe erklimmt, belohnt würde.
Die erste Hälfte, von Antisemitismus, von Menschenverachtung,
Entmenschlichung, staatsterroristischer Suppression und einer durchorganisierten, bürokratisierten und industrialisierten Tötungsmaschinerie gegen die eigenen Bürgerinnen und Bürger einem Krebsgeschwür gleich durchwirkt, prägte eine zweite Hälfte, die damit beschäftigt war, sich selbst zu säubern, die Erinnerung zu wahren und das Geschehene zu verarbeiten. Keines davon scheint gänzlich gelungen, angesichts der Ergebnisse der diesjährigen Europawahl. Unsere Vorfahren haben nur die Spitze gesäubert, die Basis blieb erhalten. Das ist freilich keine neue Erkenntnis. Es war unvermeidbar die Basis zu erhalten, war doch der gesamte Staatsapparat, die Wirtschaft, das Bürgertum per se, von Faschismus im Lebensalltag durchwirkt: Die einen mit Leib und Seele der braunen Ideologie verschrieben, die breite Masse stille Dulder, die stets im rechten Moment mit dem Kopf zu nicken und die Hand zu heben wussten und die Wenigen, die sich trauten, nicht zu nicken, manchmal gar den Kopf zu schütteln wagten, die dafür ausgegrenzt wurden, litten und nicht selten mit dem Leben bezahlten. Der Kopf der Schlange wurde abgeschlagen, in den Nürnberger Prozessen und danach, doch der Leib zuckte nicht einmal. Er streckte sich kurz, bekam einen neuen Kopf aufgepfropft und war weiter Schlange. Auch wenn der Kopf mal Schaf, mal Wolf sein durfte. Nun, über 70 Jahre später, lugt die gespaltene Schlangenzunge wieder aus dem demagogischen Maul und wittert nach Gelegenheiten. Die Schlange glaubten wir inzwischen tot. Von dem unerbittlichen Richter namens Zeit gerichtet. Doch nur die Zeitzeugen starben. Täter wie Opfer. Mit ihnen starb zwar die lebendige Erinnerung, die wir uns geschworen hatten, als ewiges Mahnmal zu erhalten. Doch deren Denken, im Alltag manifestiert in Vorurteilen und Verallgemeinerungen, wirkt weiter. Die Diskussionen in den TV-Talkshows, an den Tischen der Kneipen und Zuhause, in den sozialen Medien, in den erstarkenden rechten und rechtspopulistischen Kreisen, ob Homosexualität normal oder pervers sei, wie Schiffe voller Flüchtlinge am besten umgelenkt werden können, so dass sie zwar nicht im Meer versinken, aber deren Insassen auch nicht geholfen werden muss, wie wir verhindern können, unseren Wohlstand zu Gunsten derer, die täglich in Armut leben und an Hunger sterben, teilen zu müssen, um kein Weltsozialamt zu werden, wie Moscheen auf deutschem Boden verhindert werden können, weil sie schließlich militanten Islamisten den Weg bereiten, und darüber, wie wir jedem augenscheinlich nicht deutschen Menschen am besten unsere Kultur aufzuzwingen, weil man die nun mal annehmen müsse, wenn man in diesem, „unserem“ Land leben wolle, finden Nährboden in der Altersarmut, in der vom globalen Kapitalismus geförderten immer weiter aufgehenden Schere zwischen Arm und Reich, begleitet von Arbeitslosigkeit und Niedriglöhnen, aber auch in suggerierter Benachteiligung, die mit wohlfeiler Propaganda unter Umgehung des Hausverstandes in die Gedanken der bürgerlichen Basis gepflanzt wird. „Aber, man wird das ja wohl mal sagen dürfen!“
Entmenschlichung, staatsterroristischer Suppression und einer durchorganisierten, bürokratisierten und industrialisierten Tötungsmaschinerie gegen die eigenen Bürgerinnen und Bürger einem Krebsgeschwür gleich durchwirkt, prägte eine zweite Hälfte, die damit beschäftigt war, sich selbst zu säubern, die Erinnerung zu wahren und das Geschehene zu verarbeiten. Keines davon scheint gänzlich gelungen, angesichts der Ergebnisse der diesjährigen Europawahl. Unsere Vorfahren haben nur die Spitze gesäubert, die Basis blieb erhalten. Das ist freilich keine neue Erkenntnis. Es war unvermeidbar die Basis zu erhalten, war doch der gesamte Staatsapparat, die Wirtschaft, das Bürgertum per se, von Faschismus im Lebensalltag durchwirkt: Die einen mit Leib und Seele der braunen Ideologie verschrieben, die breite Masse stille Dulder, die stets im rechten Moment mit dem Kopf zu nicken und die Hand zu heben wussten und die Wenigen, die sich trauten, nicht zu nicken, manchmal gar den Kopf zu schütteln wagten, die dafür ausgegrenzt wurden, litten und nicht selten mit dem Leben bezahlten. Der Kopf der Schlange wurde abgeschlagen, in den Nürnberger Prozessen und danach, doch der Leib zuckte nicht einmal. Er streckte sich kurz, bekam einen neuen Kopf aufgepfropft und war weiter Schlange. Auch wenn der Kopf mal Schaf, mal Wolf sein durfte. Nun, über 70 Jahre später, lugt die gespaltene Schlangenzunge wieder aus dem demagogischen Maul und wittert nach Gelegenheiten. Die Schlange glaubten wir inzwischen tot. Von dem unerbittlichen Richter namens Zeit gerichtet. Doch nur die Zeitzeugen starben. Täter wie Opfer. Mit ihnen starb zwar die lebendige Erinnerung, die wir uns geschworen hatten, als ewiges Mahnmal zu erhalten. Doch deren Denken, im Alltag manifestiert in Vorurteilen und Verallgemeinerungen, wirkt weiter. Die Diskussionen in den TV-Talkshows, an den Tischen der Kneipen und Zuhause, in den sozialen Medien, in den erstarkenden rechten und rechtspopulistischen Kreisen, ob Homosexualität normal oder pervers sei, wie Schiffe voller Flüchtlinge am besten umgelenkt werden können, so dass sie zwar nicht im Meer versinken, aber deren Insassen auch nicht geholfen werden muss, wie wir verhindern können, unseren Wohlstand zu Gunsten derer, die täglich in Armut leben und an Hunger sterben, teilen zu müssen, um kein Weltsozialamt zu werden, wie Moscheen auf deutschem Boden verhindert werden können, weil sie schließlich militanten Islamisten den Weg bereiten, und darüber, wie wir jedem augenscheinlich nicht deutschen Menschen am besten unsere Kultur aufzuzwingen, weil man die nun mal annehmen müsse, wenn man in diesem, „unserem“ Land leben wolle, finden Nährboden in der Altersarmut, in der vom globalen Kapitalismus geförderten immer weiter aufgehenden Schere zwischen Arm und Reich, begleitet von Arbeitslosigkeit und Niedriglöhnen, aber auch in suggerierter Benachteiligung, die mit wohlfeiler Propaganda unter Umgehung des Hausverstandes in die Gedanken der bürgerlichen Basis gepflanzt wird. „Aber, man wird das ja wohl mal sagen dürfen!“
Die Erinnerung, dass all das, was die erste Hälfte des 20.
Jahrhunderts verursachte, so und so ähnlich auch begonnen hatte, ist verblasst.
Wir haben versagt, die Erinnerung die Zeitzeugen überleben zu lassen. Das zeigt
uns die Wahl, die zweieinhalb Millionen Menschen, am vergangenen Sonntag allein
in Deutschland trafen. Nur ein kleiner, aber keinesfalls zu vernachlässigender
Teil derer hängt, wie ich hoffe, tatsächlich der rechten Hassideologie an. Die
Masse derer wurde verblendet und irrgeleitet. Wochenlang vor der Europawahl brannten
sich Plakate voller Menschenverachtung,
voller
unsozialer Parolen, rassisch-ideologisierter
und diskriminierender
Lügenbilder in unsere Netzhäute. Sie hingen, mit langen Leitern an die
Masten links uns rechts der Straßen angebracht, unerreichbar in drei Metern
Höhe, doch ich fürchte schon jetzt die Zeit kommen, da sie in Augenhöhe hängen
und dort bleiben werden. In Frankreich, Dänemark und Finnland mögen sie bereits nur eine Hand weit vom Fußgänger
entfernt sein und schon unangetastet bleiben. In Ungarn werden sie, einen
großen Schritt weiter ins braune Gestern marschierend, vom paramilitärischen,
uniformierten Exekutivorgan der rechten Parteien in Augenhöhe aufgehängt. Wie
lange mag es dauern, bis die Rechte
auch hier nicht nur Rathäuser stürmt, sondern wieder in braunen Hemden den
Stechschritt übt, wenn wir uns nicht stärker bemühen. Die Europawahl war mehr
als ein Schuss vor den Bug. Europa und Deutschland sind in Schieflage und
steuern zurück ins 20. Jahrhundert. Noch können wir den Kurs ändern. Wir müssen
die Erinnerung wieder revitalisieren, weiter verarbeiten und über die aktuellen
Entwicklungen legen, so dass erkennbar wird, welchen gefährlichen Parallelweg
wir beschreiten. „Das war die Zeit unserer Urgroßeltern! Was geht uns das an!“,
ist kein Argument, um die Verantwortung von uns zu schieben, denn die Zukunft
wird nicht von den Urgroßeltern gelebt, sondern von uns und den uns Folgenden.
Ganz gleich, ob wir es auf die Generation schieben, oder uns davon zu stehlen
versuchen, indem wir anführen, es seien die Nazis und nicht die Deutschen
gewesen, oder uns schlichtweg damit zu beruhigen versuchen, dass wir im 21.
Jahrhundert so aufgeklärt seien, dass so etwas wie das Dritte Reich nie wieder
passieren könne, wir irren. Wir haben die Pflicht, dieses Erbe anzunehmen. Nicht
weil wir Deutsche sind oder es Deutschland war, von dem aus die Nazis ihre
Schreckensherrschaft über Europa zogen, sondern losgelöst von unserer
Nationalität, unserer ethnischen Verwurzelung, unserem sozialen Status, unserer
Religion, einfach nur weil wir alle Eins
sind, nämlich Menschen. Ganz gleich, wo ich herkomme, welche Hautfarbe ich
habe, welche Sprache ichspreche, woran ich glaube, ob ich arm oder reich bin, körperlich
oder geistig benachteiligt bin, ich bin und bleibe Mensch. Mensch zu sein,
bedingt Menschlichkeit. Und Menschlichkeit ist der natürliche Feind rechter
Gesinnung. Durch Europa muss ein Ruck gehen und wir müssen mehr Menschlichkeit
wagen.
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