Charly saß in der Küche und mühte sich, seine in die Jahre
gekommene Nachttischlampe mittels Schere, Messer und Alufolie wieder fit zu
machen. Sie lag geöffnet vor ihm, während ihm sein Freund Maik Tipps gab, die
sich sowohl darauf bezogen, was er machen sollte, als auch darauf, was er nicht
machen solle.
„Den grünen und den blauen Draht solltest du nicht
verbinden“, sagte Maik.
„Wieso nicht? Außerdem ist hier gar kein blauer. Nur ein
roter.“
„Dennoch solltest du lieber Lötkolben, Schraubenzieher und
Zange nutzen“, sagte Maik.
Charly hatte das Gefühl, diese Situation bereits erlebt zu
haben. Die vage Erinnerung an eine Hodenschwellung und dem Geruch von Rind
mahnte ihn zur Vorsicht.
„Raum-Zeit-Kontinuum?“, frage Charly vorsichtig, als er den
roten und den grünen Draht verbunden und den Stecker in die Steckdose gesteckt
hatte. „Puff!“, antwortete Maik, als er aufgrund einer plötzlichen und
punktuellen Entladung von einer Million Watt an Wärmeenergie ebenso plötzlich
verpuffte.
Charly hörte ein Rauschen. Gleichmäßig. Beruhigend. Kälte
kroch unter seinen Morgenmantel, den er stets trug, wenn er in seiner Wohnung
war und keinen Besuch hatte. Von Maik abgesehen. Der war so oft bei ihm, dass
er mehr Inventar war als ein Besucher. Maik war kein geschickter Haushälter und
hatte stets kein Bier mehr, wenn er welches wollte. Charly schon. Ob er wollte
oder nicht. Das Gleiche galt für Tabak, Butter, Brot, Fernsehzeitungen, Chips,
Barschaft, Freundinnen und Verstand. Mit allem außer den letzten drei konnte
Charly ihm stets aushelfen. Die feuchte Kälte kroch tiefer zu Charly, um die
Wärme seines Körpers, der dem des jungen Charlton Heston nicht unähnlich war,
mit großen Happen zu verzehren. Ein Schaudern durchfuhr Charly. Er öffnete die
Augen und erblickte ein sich vor ihm ausbreitendes Meer. Salziges Wasser, das
sich an nahen Felsen brach, spritzte Wassertropfen zu ihm herüber und benetzte
seine Lider und Lippen mit salziger Kühle. Charly zuckte mit den Augen.
Langsam richtete er sich auf und bewegte sich barfüßig über den
feuchten Sand, der ihn mit jedem Schritt an der Sohle kitzelte. Ein Glück hatte
er nie auf Maik gehört, in der Wohnung seine Pantoffeln anzuziehen. Dieses
wundervolle Gefühl wäre ihm entgangen. Vor ihm die entspannende Stille des gleichmäßig
rauschenden Wassers, hinter ihm die Geräusche des den Strand umsäumenden Waldes.
Vogelzwitschern. Ein Käutzchen, rufend in weiter Ferne. Dann das Geräusch eines
zerbrechenden gewaltigen Astes. Nur wenige Meter hinter ihm. Ruckartig drehte
Charly sich um und blickte in die roten Augen eines wutschnaubenden Huhns von
drei Metern Höhe. Charly ließ sich rückwärts fallen, strampelte sich mit den
Beinen von dem Monstrum weg, das in diesem Moment einen ebenso großen Schritt
nach vorne machte und seinen zahnbewehrten Schnabel öffnete, der gewiss Charly
Oberkörper völlig hätte fassen können. Charly hob die Arme zum Schutz. Der
medizinballgroße Kopf des Haushuhns - Es musste so heißen, stellte Charly fest,
denn es war so groß wie ein Haus oder mehr eine Gartenhütte, also eigentlich
ein Gartenhüttenhuhn, doch wer hatte schon in einer todesnahen Sekunde so viel
Zeit, über den richtigen Namen nachzudenken – auf ihn niederschoss. Dann ein
Schuss, der während das Huhn niederschoss, selbiges niederschoss. Wer schoss
soeben, fragte sich Charly, als das Huhn neben ihm zu Boden schoss. Um eins
Klar zu stellen, nein, das Huhn schoss nicht selbst. Es wurde erschossen, und
zwar von einem mit Lendenschurz gekleideten Großwildjäger, der in diesem Moment
aus dem Dickicht trat. Er hatte auffällige Ähnlichkeit mit einem etwas älteren
Charlton Heston, was zu einem sehr verwirrenden Moment führte, als Charly und
Charles, wie der Großwildjäger hieß, einander in die Augen blickten. Bevor sie
einander jedoch anblickten, sagte Charles: „Out of my dead cold hands“, riss
sein großkalibriges Gewehr einarmig in die Höhe und spuckte auf den toten
Kadaver des Gartenhüttenhuhns, das so zu benennen Charly nunmehr die nötige
Zeit fand.
„Was zum Teufel war das?“, fragte er mit Blick auf das
erlegte Tier.
„Que?“, sagte Charles, der trotz seines ersten Ausspruchs
nur französisch sprach. Im Folgenden hören wir den Dialog der Einfachheit
halber übersetzt.
„Häh?“, sagte Charles also, und Charly fragte nochmals, was
zum Teufel das war.
„Ein Huhn?“, antwortete Charles, und damit war vorerst alles
gesagt.
Gemeinsam gingen beide zu Charles nahe gelegener Waldhütte.
Wie Vater und Sohn. Nebeneinander. Charles war jedoch nicht Charlys Sohn. Er
war ein Urenkel in der fünftausendsten Generation. Das würden sie jedoch nie
erfahren, denn als Charles die Tür zu seiner Jagdhütte aufschloss, wurde
selbiges samt Charles vom Fuß eines riesigen Haushuhns zertreten. Das Haushuhn,
wie sich später nie herausstellen sollte, das Muttertier zum erlegten
Gartenhüttenhuhn, nahm Rache. Vor Erregung legte es ein Ei, das unerbittlich
auf Charly zurollte, ganz ähnlich wie diese Szene aus Indiana Jones 1, als Indy
von diesem Felsbrocken im Tunnel verfolgt wird. Nur ohne die dramatische Musik.
Dafür mit Hühnergegacker. Das Ei verfolgte Charly bis zum Meer, wo er stolperte
und von ihm überrollt worden wäre, wenn er nicht zeitgleich über seine
Nachttischlampe gestolpert wäre, die ihn in letzter Sekunde zurück in seine
Zeit und an seinen Küchentisch katapultiert hätte. In der Luft hing eine
feuchte Wolke, die aussah wie Maiks Gesicht. Sie schaute verwundert. Und Charly
beschloss von nun an weniger Huhn zu essen. Dafür mehr Fisch.
Verpassen Sie nicht die nächste Folge, wenn Charly beim
Versuch, seinen Mixer zu reparieren, wieder weit, weit in die Zukunft
katapultiert wird und vom Schicksal nass gemacht wird, auf dem „Planet oft the Fish“.
Teil 1 - Planet of the Cows
Teil 1 - Planet of the Cows
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