„Ich möchte danach keine hundert Teller waschen!“, höre ich. „Das würde ja auch bei 20 Gästen keinen Sinn machen“, sage ich. Wir befinden uns mitten in der Grillsaison, und natürlich darf die Diskussion über das Plastikeinweggedeck nicht fehlen. Mein Gastgeber startet sie: „Warum hast du deinen eigenen Teller mit? Wir haben doch welche!“ „Weil sich mein Porzellan einsam fühlt, wenn ich nicht zuhause bin, und warum nutzt du Einweggeschirr?“ Die Diskussion geht mit einer Aussage, wie der eingangs aufgeführten, weiter. Dabei wird das Entscheidende übersehen. Wer sagt denn, dass der Gastgeber einer Grillfete, von der alle profitieren, die Verantwortung für alles alleine tragen muss? An meinem letzten Geburtstag bat ich meine Gäste, ihr eigenes Besteck, ihre eigenen Teller und auch ihre eigenen Gläser mitzubringen. Ich habe Gedecke für sechs Menschen. Das reicht, um Gäste spontan bewirten zu können. Oftmals befinden sich jedoch Gedecke in einer Größenordnung in den Haushalten, mit denen man den Schwarzmeer-Don-Kosaken-Chor bewirten könnte, ohne in Probleme zu geraten, falls der Ivan-Rebroff-Fanclub überraschend auch noch auftauchen sollte. Verwirrenderweise reicht das dennoch nicht aus, um eine Grillfeier auszustatten. Außerdem möchte man ja keine hundert Teller zum Grillplatz schleppen. Wir zerren ja schon zehn Kilo Fleisch zur Glut. Kaum auszudenken, müsste man dann auch noch vier Kilogramm an Tellern dorthin hieven. „Da bist du aber eine Ausnahme“, bekomme ich gesagt. „Nein, an meinem Geburtstag hat vom Mittzwanziger bis zum Ü70er jeder meiner Gäste seinen eigenen Teller mitgebracht, und weder waren das alles Ökos noch ausnahmslos Menschen, die sich weitreichende Gedanken über unsere Umwelt machen“, sage ich. Man muss den Weg nur zeigen, damit er gegangen wird. Es ist ja auch logisch nachvollziehbar, dass vermeidbar Müll zu produzieren, irgendwie nicht sehr clever ist, und clever wollen wir doch alle sein. Anderenorts habe ich dann folgende Diskussion: „Ja, ich weiß, es gibt auch Öko-Einweg-Teller, aber die sind teurer!“ „Nein!“, sage ich. „Plastikteller sind deutlich teurer. Wir selbst zahlen lediglich die geringste Rate des Gesamtpreises an den Handel. Unsere Nachfahren zahlen die deutlich höheren Raten über die Folgen des Klimawandels.“ Es ist ein wenig wie mit dem Rauchen: Ich rauche heute, und den Krebs bekomme ich in 50 Jahren. Ich lasse heute unnötig Plastikteller aus Erdöl produzieren, die nach wenigen Minuten auf dem Müll landen, und ein paar Generationen später fragt ein Enkel aus ferner Zukunft, während er mit seinen Eltern bei einem typischen Friedberger Sommertag von 45° Celsius im kühlen Keller sitzt, ob sie ihm nicht nochmal dieses Eisbären-Hologramm zeigen können. Die echten Bären gibt es dann nämlich nicht mehr, denn das arktische Eis wird geschmolzen sein. Zugegeben, es hat natürlich auch Vorteile, denn meine Ur-Nachfahren werden es nicht mehr so weit bis zum Meer haben. Das beginnt ja dann kurz hinter Duisburg! „Tut mir leid, wir haben unsere heutige Energie-Ration schon aufgebraucht. Morgen gibt’s wieder einen virtuellen Zoo-Besuch!“, werden Mutti und Vati dann sagen, und auf das Warum antworten: „Bedank dich bei deinen Vorfahren, die seit den 1950ern so taten, als gäbe es keine Welt von morgen. Du erinnerst dich an deinen Urahn, der immer Grillfleisch auf Plastikeinwegtellern serviert hat? Genau der war‘s!“ Rechnerisch ist jeder mitgebrachte Teller ein Eisbär für den Ur-Enkel. Und zwar ein echter. Auf Eis! Noch Fragen?
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