Montag, 26. Juni 2017

Den Löffel abgeben

Wenn ich mal den Löffel abgebe, also diesen letzten Plastikkochlöffel, den ich noch in meiner Schublade habe, wird der neue einer aus Holz sein, und weil ich immer wieder mal gefragt werde, ob es nicht sinnvoller ist, in Plastik zu kaufen – immerhin ist so ein Löffel ja eine Anschaffung auf Jahre, günstiger im Einkauf, benötigt relativ wenig Energie zur Produktion, und es muss kein Baum dafür abgeholzt werden –, habe ich mir tiefgreifende Gedanken dazu gemacht. So ein Plastiklöffel wird aus Erdöl hergestellt. In Erdöl ist Kohlenstoff gebunden. Irgendwann wird er doch auf den Müll kommen, und mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 50 % nicht rohstofflich recycelt werden – das ist die ungefähre Verwertungsquote des grünen Punkts -, sondern thermisch, also zur Energiegewinnung. Dabei wird Kohlendioxyd (CO2) frei, bekanntermaßen ein Klimagas. Holz setzt bei der Verbrennung etwa die gleiche Menge CO2 frei, wie es bei seinem Wachstum dank Photosynthese gespeichert hat. Insofern ist der Holzlöffel klimaneutral, wenn er aus nachhaltigem Anbau stammt, sprich: wenn nur so viel abgeholzt wird, wie auch nachwächst. Der Holzlöffel hat damit gewonnen! Das wirft natürlich weitere Fragen auf. Zum Beispiel, wie viele Holzlöffel es braucht, damit man selbst klimaneutral wird. Jährlich atmet ein Mensch 350 Kilogramm CO2 aus. Sagen wir mal, der Löffel ist aus Buche. Eine 35 Meter hohe und 120 Jahre alte Buche hat im Laufe ihres Lebens etwa 3,5 Tonnen CO2 gebunden, das sind 29 Kilo pro Jahr. Pro Mensch braucht es also 12 Buchen, um die eigene Atemluft zu binden. Zum Glück haben wir gut 35 Milliarden Bäume in Deutschland. Also können wir uns doch einen Plastiklöffel erlauben? Leider nein! Wir atmen nämlich nicht nur CO2 aus - das sind nur 3 % unserer persönlichen Produktion - wir setzen es hauptsächlich durch unseren Lebenswandel frei. Insgesamt sind es 850 Millionen Tonnen in Deutschland, also zehn pro Bundesbürger. 40 % verursachen wir über die Energiewirtschaft, 15 % über den Verkehr und nochmal 10 % über unsere Haushalte. Tatsächlich braucht es also nicht zwölf, sondern 344 Buchen pro Bundesbürger. Rechnerisch würde die Waldfläche immer noch reichen. Unsere Wälder sind jedoch – zum Glück – keine Monokulturen. Es sind auch deutlich bindeschwächere Bäume darunter, derentwegen unsere Wälder insgesamt nur 222 Millionen Tonnen CO2 im Jahr umsetzen. Wir müssten unsere Waldfläche demnach vervierfachen, um unserer Verantwortung den Klimawandel betreffend gerecht zu werden. Das schaffen wir nicht. Meine Dachterrasse ist nicht groß genug, um 344 Buchen aufzunehmen, und viele Menschen haben nicht einmal eine Terrasse. Es gibt also nur zwei Möglichkeiten. Wir müssen einerseits unseren CO2-Ausstoß reduzieren und energiezehrende Geräte einsparen: Braucht es wirklich elektrische Rollladenheber und Garagentore? Muss ein Gerät Stand-by-Strom verbrauchen, das ich nicht nutze? Muss der WLAN-Router nachts, und wenn niemand im Haus ist, angeschaltet sein. Muss ich das Auto nutzen, wenn ich mein Ziel auch zu Fuß erreiche? Und die zweite Möglichkeit ist, mehr Gegenstände aus nachhaltiger lokaler Holzwirtschaft zu nutzen: Kein Haus aus Stein bauen, keine Gartenhütte aus Metall kaufen, und eben auch keine Holzlöffel aus Plastik. Um die Eingangsfrage nicht unbeantwortet zu lassen: 16,3 Millionen Holzlöffel binden den jährlichen CO2-Ausstoß eines deutschen Bundesbürgers. Die Küchenschublade möchte ich gerne sehen.

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