Kürzlich sorgte eine Studie der ETH Zürich für Aufsehen: Das
Wirksamste gegen den Klimawandel sei es, die Wälder aufzuforsten. Verrückt!,
dachte ich. Wer hätte gedacht, dass Bäume, deren Holz eine
Kohlenstoffverbindung ist, Kohlendioxyd (CO2) binden? Dass Bäume CO2 aus der
Luft aufnehmen, mittels Photosynthese in Traubenzucker umwandeln, dessen Sauerstoff
abgeben und Kohlenstoff zum Wachsen nutzen, war, seit wir im Biologieunterricht
„Mein Freund, der Baum!“ gemeinsam geträllert hatten, kein wirkliches Geheimnis
mehr. Spannend ist aber, dass Bäume zu pflanzen das Potenzial hat, zwei Drittel
der bislang von Menschen verursachten klimaschädlichen CO2-Emissionen
aufzunehmen. Von einer Milliarde Hektar – etwas mehr als die Größe der USA –
sprechen wir hier. Der Raum wäre da! Bedenkt man, dass wir bereits nahezu die
Hälfte der Waldfläche, die es gab, bevor der Mensch die Axt erfand, zerstört
haben, käme das nahezu einer globalen Wiederaufforstung auf den Stand gleich,
bevor die Römer ihre Classis-Germanica-Flotte aus unserem Baumbestand gezimmert
hatten. Drei Billionen Bäume zählt die Erde, bis zu vier Billionen bräuchten
wir. Schleswig-Holstein hat die Zeichen erkannt und will zum Tag der Deutschen
Einheit eine neue Tradition ins Leben rufen: Jeder Deutsche soll am 3. Oktober
einen Baum pflanzen.
Im Durchschnitt können wir mit zehn Kilogramm CO2-Bindung
pro Baum und Jahr rechnen. In den Tropen liegt dieser Wert um ein Vielfaches
höher, und gerade dort, speziell in Brasilien, wird gerodet, was die Säge
hergibt. Da der Bestand des Regenwaldes die ganze Welt betrifft, wurde der Amazonas-Fonds
eingerichtet. Dennoch ist die Abholzungsrate, seit Bolsonaro an der Macht ist,
dramatisch gestiegen. Pro Minute geht die Fläche von drei Fußballfeldern
verloren. Für dieses Jahr wird ein Anstieg der Rate um 45 Prozent im Vergleich
zum Vorjahr erwartet. Während Bolsonaro „Fake-News“ ruft und sich zum Opfer von
Umweltverbänden stilisiert, haben Deutschland und Norwegen ihre Mittel im Fonds
eingefroren. Brasiliens kontert, Norwegen jage dafür Wale, und ich sage:
Willkommen im Kindergarten! Wir verlieren weltweit fünfzehn Milliarden Bäume
pro Jahr durch Abholzung. Doch es geht nicht nur um CO2: Pro Tag kann ein
großer Baum bis zu 370 Liter Wasser aus dem Boden aufnehmen, in die Atmosphäre
freisetzen und so für Niederschläge sorgen. Durch das Verdampfen von
Regenwasser auf den Blättern wird weitere Wolkenbildung und neuer Niederschlag
verursacht – bereits das verursacht rund 40 Prozent unseres Regens. Bäume
kühlen zudem die Erde, indem sie durch die Bildung von Aerosolen die Entstehung
von Wolken fördern, die einfallende Sonnenstrahlen reflektieren. Ein
Teufelskreis für die Erderwärmung, wenn der Waldbestand weiter schrumpft.
Was hat der Wald mit unserer Lebensweise zu tun? Zwei
Beispiele: Bei der Rinderhaltung entstehen für ein Kilogramm Fleisch Gase mit
einer Treibhauswirkung von etwa 36 Kilogramm CO2. Gut neun Kilogramm essen wir
im Schnitt jährlich – das sind 324 Kilogramm. Eine 250 Kilometerstrecke mit einem
durchschnittlichen Auto führt zu einer Emission von gut vierzig Kilogramm CO2. Etwa
12.000 Kilometer legen wir jährlich im Schnitt mit dem Auto zurück – das sind
1.920 Kilogramm. 224 Bäume bräuchte es folglich allein zum Ausgleich von Rindersteaks
und Individualverkehr. Das ergibt viel Arbeit am 3. Oktober – oder wir essen
zwischendurch mal vegetarisch und fahren öfter mal mit der Bahn. Dann muss man
zumindest etwas weniger Erde unter den Nägeln entfernen!
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