Dienstag, 29. Oktober 2019

Der perfekte Öko!

Der perfekte Öko!

Manchmal habe ich das Gefühl, genau das ist es, was erwartet wird, wenn es darum geht, unsere Zukunft zu retten: Der perfekte Öko zu sein! Eine kurze Recherche im Internet bringt den dazu nötigen Katalog. Der perfekte Öko muss mindestens Flexitarier, noch besser Vegetarier und am besten Veganer sein, denn die Fleisch- und Milchwirtschaft in ihrer Masse vernichtet Regenwald, ist der größte CO2-Emittent von allen und verschärft den Welthunger. Er muss den öffentlichen Nahverkehr, am besten jedoch das Fahrrad nutzen, darf keinesfalls fliegen, denn nur mit einer drastischen Reduktion des Individualverkehrs lässt sich der immense Einfluss des Verkehrssektors auf Klima, Mensch um Umwelt verringern. Der Vorzeige-Öko darf natürlich keinen Plastikmüll produzieren, am besten nicht einmal Papiermüll und noch besser gar keinen Müll, denn Plastik schafft CO2 in die Atmosphäre, Papier vernichtet Bäume, und Verpackungen sind per se Ressourcenverschwender. Dann nur noch auf lokale Lebensmittel beschränken, natürlich aus ökologischem Anbau und selbstverständlich ausschließlich saisonal, und schon bin ich der perfekte Öko – und muss nur noch die Welt zu retten! 

Mit Recht sorgt das für Ängste. Was machen Frau oder Mann, wenn hungrige Mäuler zu stopfen sind und in der Regel am Ende des Geldes noch mehrere Tage des Monats übrig sind? Gewiss nicht vegan leben, denn das ist gut ein Drittel teurer als fleischbasiert. Glauben Sie nicht? Ein Pfund Hackfleisch ist für 2,49 Euro zu haben. Um dieselbe Kalorienmenge durch Kartoffeln zu ersetzen, brauche ich fast die vierfache Menge, und die, in Bioqualität natürlich, kostet 3,40 Euro. Da ist die erste Reaktion vermutlich kein „Ja zu Bio und Fleischverzicht!“ Und wie komme ich zur Arbeit, wenn mein Wohnort tief im Land verborgen liegt? Angenommen, ich wohne in Rockenberg und arbeite in Frankfurt am Main auf der Zeil, dann brauche ich, wenn es gut läuft, vierzig Minuten mit dem Auto, um gegen neun dort zu sein. Mit Bus und Bahn bin ich zweieinhalbmal so lang unterwegs und erst nach dreimaligem Umsteigen dort. Das Ganze zweimal am Tag. Das liest sich nicht, als würde es ein Streben nach ökologischer Perfektion fördern. Bei solchen Zeitunterschieden schreckt nicht einmal eine CO2-Steuer! Und wie soll ich Verpackungsmüll reduzieren oder gar lokal einkaufen, wenn ich zwar einen Supermarkt um die Ecke habe, aber der Bauernmarkt ganze zwei Ortschaften weiter und der nächste Unverpacktladen nicht einmal im selben Kreis ist? Vom saisonalen Einkauf ganz zu schweigen. Wenn ich bis zu fünf Euro für die Schale deutscher Erdbeeren in der Saison zahle, aber ganzjährig 2,99 für gleichwertige aus Spanien, macht das einen saisonalen Einkauf wenig attraktiv. Vielen ist es offensichtlich kaum möglich, die richtigen Konsumentscheidungen zu treffen. Hier ist der Staat gefragt, Subventionen deutlich stärker in den Biolandbau umzulenken als bisher, intensiver in den Nahverkehrsausbau zu investieren und deutlich den lokalen Absatz von Lebensmitteln zu fördern. Die Wirtschaft ist gefordert, verpackungsfreie Alternativen anzubieten, die Warentransportwege zu reduzieren und den Anteil saisonaler und lokaler Lebensmittel zu erhöhen.

Und wir? Nun, perfekt sein muss niemand. Vielleicht können wir bis dahin einfach mal mit dem Auto zum Bahnhof fahren und ab und an dort auf den Nahverkehr umsteigen, einmal die Woche Kartoffel- statt Hackfleischauflauf essen oder statt im Oktober importierte Erdbeeren leckere heimische Brombeeren zum Nachtisch essen. Jeder Schritt zählt!

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