Hamsterkäufe in der Luft |
Eigentlich will ich in aller Ruhe einen Klassiker auf meinem Laptop schauen: Steven Soderberghs Katastrophenfilm Contagion. Leider vergesse ich die Benachrichtigungsfunktion meines Browsers zu deaktivieren, und gerade als ein das ganze Leben auf der Welt bedrohendes Virus ausbricht, poppt eine Meldung auf, der ich nicht widerstehen kann: Die Fluggesellschaften konnten sich trotz Greta Thunberg, Fridays-for-Future und all der Medienpräsenz des Themas Klimawandel gestiegener Passagierzahlen erfreuen. Ich blicke zum Fenster hinaus, und die Aussicht scheint das zu bejahen. Die weitläufigen Cirruswolkenlinien zeigen, dass all das wohl zwar eine Wirkung auf die Bundesregierung hatte – wenn auch, gemessen am minimalinvasiven Klimapaket, nicht allzu viel –, aber offenbar auf den Bundesbürger nicht merklich. Woran liegt das?, frage ich mich, während Gwyneth Paltrow vor mir um ihr Leben kämpft.
Ein Freund erzählte kürzlich von jemandem, der unbedingt noch eine Kreuzfahrt buchen wolle, solange es noch möglich sei, und während der logische Bruch seiner Entscheidung vor meinem geistigen Auge Gestalt anzunehmen beginnt, wird auf dem Monitor ein Supermarkt geplündert. Die Menschheit steht vor ihrem Virus-Ende, und Hamsterkäufe unter Umgehung des Bezahlvorgangs setzen ein. Da fällt es mir wie CO2 aus den Flugzeugturbinen! Was die Rheinische Post da beschreibt, sind nichts Anderes als Hamsterkäufe in der Luft. Jedem Fluggast ist so klar wie die Sicht in zehntausend Metern Höhe, dass wir uns in einer lebensbedrohlichen Situation befinden. Also kaufen sie sich rasch noch das, was es bald nicht mehr geben wird. Flugscham wird mit aller Gewalt in eine verstaubte Ecke des Gewissens gedrückt. Wir alle wollen ja, dass wir auch in fünfzig Jahren noch in dieser einen Welt leben können, und es wäre töricht anzunehmen, dass wir nicht auch noch das Letzte, was in unserer Macht steht, tun würden, um das zu erreichen. Nun ist es aber so, dass all diese Flugzeuge immer noch fliegen und bald vielleicht nicht mehr, denn die CO2-Steuer macht das Fliegen alsbald unwirtschaftlich – zugegeben: Nicht durch dieses Klimapaket, aber wer weiß –, also kaufen wir rasch noch den Supermarkt der Lüfte leer, denn wenn sich erst der Vorhang aus Kondensstreifen gelichtet hat, wer weiß, ob der klare Himmel dahinter in Zukunft je wieder ein Flugzeug zieren wird. Ja, natürlich setzten wir dadurch eklatante Mengen an CO2-Äquivalenten frei und heizen den Klimawandel weiter an, aber wer möchte denn seinen Enkeln später im warmen Sommer berichten, dass man ebenso wie sie nie in einem Flugzeug geflogen ist. Da fliegen wir doch lieber rasch noch ein paar Mal, und können im glutheißen Sommer unseren Enkeln mal erzählen, dass wir in letzter Sekunde beispielsweise am Nordpol vorbeigeflogen waren. „Mensch, Hannes!“, sagen wir dann. „Das war ein großer Eisbrocken damals, und da waren sogar Eisbären drauf!“ „Eisbären?“, fragt der Enkel dann, während er noch etwas 100er-Sunblocker, Marke „Mitteleuropäischer Standard“, aufträgt. „Ach, armes Enkelchen!“, sagen wir uns dann. „Wie gut, dass ich noch geflogen war und dir berichten kann!“
Entspannt lehne ich mich zurück und schaue wieder Kate Winslet und dem Virus zu. Der Supermarkt dort ist inzwischen leergeräumt. Ich muss also nur warten, bis auch hier die Flughäfen leergeräumt sind und es sich ausgehamstert hat. Condor ist vielleicht schon Vorbote. Und dann beginnt sich ein Bild vor meinem geistigen Auge zu formen. Es ist wieder der logische Bruch vom Anfang.
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