Die Tuareg und der Besitz |
Im Internet finde ich eine Zusammenfassung des Vortrages „Wie viele Dinge braucht der Mensch?“ - vom Ethnologen Prof. Spittler. Der Spezialist für die Tuareg erklärt, dass Mitglieder dieses Berbervolkes im Schnitt etwa 24-mal weniger besitzen als Deutsche. In verschiedenen anderen Quellen ist zu lesen, dass wir zwischen acht- und zehntausend Dinge besitzen; der Nomade, von dem Herr Dr. Spittler spricht, also offenbar nur zwischen 330 und 420 Dinge, darunter zum Beispiel nur 18 Kleidungsstücke. Und dabei macht es keinen Unterschied, ob der Tuareg reich oder arm ist, denn seinen Reichtum zu zeigen, ist traditionell verpönt. Der Wohlhabendste im Dorf ist also rein äußerlich vom Viehhirten, der für ihn arbeitet, kaum zu unterscheiden. Respekt, denke ich mir und erinnere mich daran, als ich vor vielen Jahren mit Hardrock-Café-Shirt und Löcherjeans zum Juwelier ging. Ich wurde völlig anders behandelt als wenige Tage später, als ich „zufällig“ nach der Arbeit und mit Hemd und Jacket in den Laden gegangen war. Ich weiß nicht, ob es bei den Tuareg Juweliere gibt, aber die dürften es wesentlich schwerer haben, jemanden abfällig zu behandeln. Immerhin verbergen sie ihren einzigen Reichtumsmarker, die Zahl ihres Viehs, ebenso gut, und selbst wenn nicht, wer würde sein Vieh schon mit sich führen, wenn er beispielsweise eine filigrane Halskette für die Liebste erwerben möchte? Ich sage nur: Elefant im Porzellanladen! Ich weiß natürlich, dass Tuareg Rinder- und keine Elefantenherden haben, die jedoch mit Sicherheit nicht weniger Arbeit machen. Und Arbeit ist ein gutes Stichwort. Ich wollte wissen, wie viel Besitz ich angehäuft habe. Ja, ich habe alle Dinge gezählt, die mir gehören. So etwas macht man an Samstagabenden, wenn man keinen Fernseher hat.
Bereits als ich mit dem ersten Raum fertig war, dem Schlafzimmer, hatte ich meine nomadische Vergleichsgruppe fast eingeholt, und das obwohl ich seit Jahren meinen Besitz um Ungenutztes reduziere. Schon drei einmonatige Ausmisteaktionen habe ich hinter mich gebracht, davor dreimal ausschließlich den Kleiderschrank reduziert. Immer noch mag ich mich nicht Minimalist nennen, doch dass ich noch so viel in meinen Schränken habe, überrascht mich dann doch. 1.392 Dinge sind es, die ich besitze, hat die Zählung ergeben. Das sind vier Tuaregs. Gerade der Kleiderschrank hat es in sich, nämlich Kleidung von stolzen elf Tuaregs. Rechnerisch versteht sich, meine Winterkleidung wäre in der Sahara ebenso fehl am Platz, wie meine Sportkleidung unpraktisch.
Das vergleichende Zählen meiner Besitztümer hat vor allem zwei Sachen bewirkt: Festzustellen, wie wenig es für ein erfülltes Leben braucht, aber vor allem zu merken, wie viele ich habe, von denen ich nicht wusste, dass ich sie besitze, geschweige denn weshalb. Ich glaube nicht, dass es eine bestimmte Zahl maximaler in Besitz befindlicher Dinge gibt, die den Minimalismus ausmachen. Jeder muss selbst definieren, was und wie viel man braucht, um glücklich zu sein, doch ich bin mir sicher, glücklicher wird man leichter, wenn man nicht mehr für so viel ungenutzten Besitz Raum, Zeit und Geld verschwenden muss. Ich jedenfalls „miste“ im Oktober wieder aus. Ebaykunden, die Besucher der Umsonstläden und meine Freunde werden sich freuen über das, was in ihren Händen wieder genutzt wird. Das macht mich nicht zum Tuareg, vielleicht nicht einmal zum Minimalisten, doch passt erst einmal alles in ein Tiny House on Wheels bin ich ja quasi auch ein wenig Nomade. Oder Minimalist. Oder beides.
Bildrechte: Garrondo, CC BY-SA 3.0
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